Seewölfe - Piraten der Weltmeere 13. John Curtis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: John Curtis
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954391516
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Sie mir jetzt bitte noch folgende Fragen, Senor“, fuhr er betont höflich fort. Voll Freude sah er, wie Burton vor Wut rot anlief.

      „Wieso glaubten Sie, daß die beiden Männer hier oben seien?“

      Der Wirt hob abermals die Schultern.

      „Ich sah sie nicht fortgehen. Und ich hätte sie von der Theke aus, von wo ich mein Lokal gut überblicken kann, eigentlich sehen müssen. Aber das Lokal war gerade heute abend sehr voll, und dann der Kerzenschein, nicht hell genug, um wirklich alles genau überblicken zu können, tut mir wirklich leid, Senor Capitan. Denn wenn die beiden wirklich Mörder und Verbrecher sind, dann wäre ich der letzte gewesen, der sie der gerechten Strafe entzogen hätte.“

      Er verneigte sich unterwürfig vor dem Capitan.

      Aber wieder fuhr Burton dazwischen.

      „Lassen Sie sich von diesem Kerl nicht einwickeln, Capitan. Er hat die beiden versteckt oder gewarnt. Wie könnte es sonst sein, daß sich in dieser Kammer auch nicht mehr die geringste Habe findet, nichts, was überhaupt darauf hindeuten könnte, daß diese Kammer je an die beiden Gesuchten vermietet wurde?“

      Er merkte, wie der Capitan stutzte, und ein triumphierendes Grinsen zog über seine fleischigen Lippen.

      Aber auch der Wirt war auf der Hut.

      „Ich weiß gar nicht, was dieser fremde Senor dort ständig will. Wer sagt denn überhaupt, daß die beiden geflohen sind? Vielleicht sind sie nur unterwegs, um von einem der Schiffe ihre Sachen zu holen? Sie haben das Zimmer erst heute mittag gemietet. Und noch etwas, bei allem Respekt, Capitan: Wer würde denn wohl für eine ganze Woche im voraus zahlen, wenn er damit rechnen müßte, jeden Moment verhaftet zu werden, wenn er genau wüßte, daß er wegen Mordes gesucht wird? Solche Halunken würden den armen Wirt betrügen, sie würden vielleicht nur jeden Tag bezahlen – oder aber den Wirt totschlagen und ebenfalls ausrauben, wenn sie herausfänden, daß er ein paar schwerverdiente Peseten in seiner Schatulle hat.“

      Das Argument gab den Ausschlag. Der Capitan sah den Wirt an. Seine dunklen Augen loderten.

      „Ich werde diese beiden Männer in der ganzen Stadt suchen lassen, Senor. Gnade Ihnen Gott, wenn ich herausfinden sollte, daß Sie es gewagt haben, mich in irgendeinem Punkt zu belügen. Wehe, wenn sich herausstellen sollte, daß Sie zwei Verbrechern zur Flucht verholfen haben!“

      Der Capitan wandte sich um.

      „Vorwärts – es müssen alle Stadttore benachrichtigt werden. Genaue Beschreibung an alle Wachen. Wo auch immer die beiden gesehen werden, sie sind sofort festzunehmen und mir vorzuführen.“

      Burton nickte. Er warf dem Wirt einen triumphierenden Blick zu, während der Capitan bereits dem noch in der Kammer befindlichen Soldaten die notwendigen Befehle erteilte.

      Noch im Gehen blieb Burton bei dem Wirt stehen.

      „Ich komme wieder, Freundchen“, sagte er leise, aber in seiner Stimme lag eine so eiskalte Drohung, daß dem Wirt eine Gänsehaut über den Rücken lief. „Du hast die beiden auf irgendeine Weise gewarnt und ihnen zur Flucht verholfen. Sie waren noch hier, als wir dein Rattenloch betraten. Ich werde dich baumeln sehen, oder ich werde dir zu ein paar netten Jährchen auf einer Galeere verhelfen. Ich kenne Galeeren – dort stirbst du tausend Tode. Jeden Tag einen neuen!“

      Isaac Henry Burton versetzte dem Wirt einen derben Stoß in den Rücken, dann verließ er die Szene. Und zum erstenmal verspürte der Wirt so etwas wie Panik in sich aufsteigen. Instinktiv spürte er, wie verschlagen und gefährlich dieser Fremde war.

      Der Capitan und seine Soldaten rückten ab. Auch die Wachen, die der Capitan an der Treppe zur Kellerkneipe in der Callejon Circo aufgestellt hatte, wurden abgezogen.

      In der Kneipe wurde wieder gewürfelt. Rauhe Kehlen schrien nach Wein, Hafenhaie tuschelten mit Seeleuten und finsteren Gestalten, die kamen und gingen. Der Zwischenfall schien vergessen – aber nur in der Kneipe.

      In Sevilla selbst entwickelte sich eine geradezu hektische Betriebsamkeit. Der Capitan gehörte zu den höchst energischen und umsichtigen Offizieren, die jede nur erdenkliche Möglichkeit ausschöpften, ehe sie sich mit einem Mißerfolg oder einer Niederlage abfanden. Melder liefen oder ritten durch die Stadt. Jedes Stadttor wurde innerhalb der nächsten Stunde verständigt, den Wachen wurde das genaue Signalement von Hasard Killigrew und Ben Brighton durchgegeben. Nach menschlichem Ermessen waren ihre Chancen äußerst schlecht, unerkannt aus Sevilla zu entwischen. Und Isaac Henry Burton rieb sich schon in der Vorfreude auf den Augenblick die Hände, in dem er den verhaßten Seewolf endgültig in der Falle haben würde. Dann sollte dieser Killigrew für alles bezahlen, was er ihm und seinem Bruder, Samuel Taylor Burton, dem Friedensrichter von Plymouth, an Schmach und Niederlagen zugefügt hatte.

      „So schaffen wir es nicht“, flüsterte Hasard Ben Brighton zu, nachdem sie nun schon das vierte Tor in der Hafengegend minutenlang aus dem Schutz eines dunklen Torweges beobachtet hatten. Den beiden war das hektische Treiben innerhalb der Ringmauer Sevillas, das mit ihrer Flucht eingesetzt hatte, nicht entgangen. An allen Toren waren die Wachen verstärkt worden. Und wenn zu dieser nachtschlafenden Zeit überhaupt ein Mann oder ein Wagen passieren wollte, dann wurde er auf eine Weise kontrolliert, wie weder Hasard noch Ben das bisher irgendwo erlebt hatten.

      Der Seewolf überlegte, während er beobachtete, wie die Torwachen einen Wagen, der offenbar Getreide geladen hatte, von dem Fahrer und seinem Begleiter vollständig entladen ließen. In jeden der Säcke stießen sie ihre Lanzen. Sie hörten deutlich das laute Protestieren der Betroffenen, die erregt auf das herausrinnende Korn zeigten, und die zornigen Antworten der Wachen, die darüber ergrimmt waren, statt wie sonst bei Wein und Würfelspiel die Nacht auf diese Weise verbringen zu müssen.

      Hasard biß sich auf die Lippen, als er an Burton dachte. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, diesen auf schmachvolle Weise degradierten Captain hier in Sevilla wiederzutreffen. Er begriff auch sofort, daß Burton auf die spanische Seite übergewechselt sein mußte. Er kannte seine Verbindungen am englischen Hof, er wußte um jene Clique, die den Spaniern nicht nur freundlich gesinnt war, sondern auch nicht davor zurückschreckte, um ihrer eigenen Interessen willen die englische Krone zu verraten, der Königin und ihrer Sache schweren Schaden zuzufügen.

      Er ahnte, daß auch dieser aalglatte Sir Thomas Doughty zu dieser Clique gehörte. Vielleicht war er es sogar, der Burton nach Spanien in Marsch gesetzt hatte, um den lästigen Estoban Rizzio auszuschalten – sei es auch durch meuchlerischen Mord. Kreaturen wie dieser Burton, der sich in England ohnehin nicht mehr sehen lassen konnte, waren für solche Aufträge wie geschaffen. Und wer außer Doughty konnte schon so genaue Kenntnisse von allem haben, was sich hinter den Kulissen abspielte?

      Hatte Burton vielleicht mit der Ermordung Rizzios sozusagen sein Gesellenstück geliefert – seine Aufnahmeprüfung in der Verschwörerclique auf diese Weise bestanden? Wie dem auch war, eines schien Philip Hasard Killigrew von Minute zu Minute sicherer, je länger er darüber nachgrübelte: Burton verfügte auch hier in Spanien über gute Verbindungen und einflußreiche Hintermänner, die ihn zu ihrem Werkzeug bestimmt hatten. Dabei spielte keine Rolle, ob sie ihn eines Tages beseitigen würden oder nicht.

      Für den Moment jedenfalls war dieser Burton ein nicht zu unterschätzender Gegner, mit dem sie rechnen mußten und der vielleicht sogar den Auftrag hatte, ihn, Hasard Killigrew, und Ben Brighton den Spaniern ans Messer zu liefern. Damit aber wurde die Befreiung seiner in spanische Gefangenschaft verschleppten Männer noch schwieriger und noch dringender als zuvor. Der Seewolf war sich absolut im klaren darüber, daß Drake jeden dieser Männer brauchte, dringend brauchte.

      Hasard straffte sich. Es war jetzt weiß der Himmel nicht die Zeit, solche Überlegungen anzustellen. Es mußte ihnen gelingen, noch während der Nacht die Stadt zu verlassen. Denn sobald es wieder hell wurde, verschlechterten sich ihre Chancen beträchtlich, ihren Häschern zu entkommen.

      Genau wie der Seewolf hatte auch Ben Brighton das Stadttor nicht aus den Augen gelassen. Auch ihm war klargeworden, daß es für sie so gut wie keine Möglichkeit gab, durch eins der Tore nach draußen zu gelangen. Und nicht nur das, es war sogar