1.2.1Die TfPT bleibt in der Alltagsrealität
Morenos Psychodrama ereignet sich in einer besonderen Realität – der Surplus Reality. Hier kann prinzipiell alles auf die Bühne gebracht werden, selbst jene Dimensionen, Rollen, Szenen und Interaktionen, die das Leben weder zulassen konnte noch kann und die es vermutlich auch in Zukunft nicht gestatten wird (vgl. Moreno 1979, S. 33; vgl. Moreno et al. 2000, p. 5). Die Teilnehmer handeln frei, wie es ihnen in den Sinn kommt, ohne dafür ernsthafte Folgen befürchten zu müssen. Eine solche Realität würde es enorm erschweren, Hand-lungseinsicht im Sinne der TfPT zu gewinnen. Denn diese erfordert, dass sich bei den jeweiligen Teilnehmern ein Moment der emotionalen Betroffenheit einstellt. Dafür aber muss das Spiel ernst werden. Deshalb gibt die TfPT dem Handelnden – wie die Wirklichkeit des Lebens draußen – niemals nur freien Raum für die Antriebe (vgl. Ploeger 1983, S. 33). Im Gegensatz zu Morenos Psychodrama findet sie konsequent – von A bis Z – in einer Welt statt, die der äußeren Wirklichkeit entspricht. Hier kommen durchgehend nur Dimensionen, Rollen, Szenen und Interaktionen zur Darstellung, wie sie sich so auch in der Alltagsrealität ereignen könnten. Damit steht von Anfang an – und nicht erst durch eine nachträgliche Realitätsprobe – fest, dass alle Einsicht en und Erfahrungen, die in der TfPT gewonnen werden, grundsätzlich in die Wirklichkeit des Lebens draußen zu implementieren sind.
1.2.2Einsicht allein reicht nicht
Einsicht, wie sie die Psychoanalyse durch verbale Deutung vermittelt, reicht nicht (vgl. Alexander a. French 1946, p. 67; vgl. Ginot 2015, pp. xli, 76, 82). Das hatte sich in der Entwicklungsphase der TfPT herauskristallisiert. Erst wenn sie sich für die Teilnehmer direkt aus dem Handeln ergibt, zeigt sie therapeutische Wirkung. Denn auf diese Weise komme, wie Ploeger vermutet, der Nachdruck hinzu, der durch die Brisanz eines unmittelbaren Betroffenseins hervorgerufen werde (vgl. Ploeger 1983, S. 25). Sie mache die Handlungseinsicht der TfPT überzeugender und nachhaltiger als die verbale Vermittlung der Einsicht, wie sie in der Psychoanalyse erfolge (Ploeger 1983, S. 184). Denn dort habe eigentlich der Therapeut den Erkenntnisgewinn gehabt, den er seinem Klienten hernach nur mit Worten nahezubringen versuche (vgl. Ploeger 1983, S. 184).
Auch Ploeger galt also das Sprechen nicht als Königsweg zur therapeutischen Veränderung. Wie Moreno zog er diesem das Handeln vor, fokussierte dabei allerdings auf die sich aus Letzterem bei den Betroffenen spontan ergebende Einsicht. Jene ist der erste Schritt zur Besserung, so sagt es schon ein Sprichwort. Doch welche Besserung wird durch solch ein Aha-Erlebnis erwirkt? Wie Ploeger erklärt, befähige die Handlungseinsicht der TfPT den Klienten dazu, überholte, weil aus infantilen Mustern stammende Erlebens- und Verhaltensweisen abzulegen und neue realitätsgerechtere Verhaltensweisen zu gewinnen (vgl. Ploeger 1983, S. 132 f.). Erst damit ist dann das therapeutische Ziel der TfPT erreicht.
Für den Teilnehmer aus dem eben angeführten Beispiel würde dies bedeuten, dass er künftig auf Gruppenmitglieder, die ihn vormals unbewusst an seinen Vater erinnerten, nicht mehr wie auf diesen reagiert, sondern deutlich angemessener. In diesen alten, unpassenden Film einsteigen zu müssen, hört nun auf. Fragten wir Moreno, hätte dieser Teilnehmer ein gesundes Tele gewonnen, was für ihn, so die Psychodramatikerin Grete Leutz, bedeutete, realitätsbezogene zwischenmenschliche Beziehungen eingehen zu können, die, im Unterschied zur Übertragung, weder zu falschen Erwartungen noch zu ungerechtfertigten Ängsten Anlass gäben (vgl. Leutz 1974, S. 20). Dorthin wollte auch Moreno die Menschen bringen – allerdings auf einem etwas anderen Weg als Ploeger. Denn die Surplus Reality seines Psychodramas lässt im Gegensatz zur TfPT Raum für entlastende Abreaktion und eine Katharsis der Integration, bei der Menschen nicht nur Heilung, sondern geradezu Vergöttlichung erfahren können. Auch der Charakter des Spiels ist hier ein anderer. Während Moreno mit seinem Psychodrama das Lachen in die Psychiatrie brachte – dies hatte er übrigens noch zu Lebzeiten als Inschrift für seinen Grabstein verfügt (vgl. Moreno et al. 2000, S. 24; vgl. Hutter u. Schwehm 2012, S. 70) –, bleibt das Spiel in der TfPT geprägt vom Ernst des Lebens. Was selbstverständlich einschließt, dass dort mitunter herzhaft gelacht werden kann, wie es ja auch in der Alltagsrealität geschieht, um manche Beschwernis erträglicher zu machen.
Moreno und Ploeger mögen verschiedene Wege gegangen sein und da bei unterschiedliche Wirkprinzipien verfolgt haben. Nichtsdestotrotz galt für beide: Handeln ist heilsamer als Reden – sehr viel heilsamer.
Kann das überhaupt noch getoppt werden? Durchaus. Denn vor anderen zu handeln, fällt doch oft schwer. Wer vermag dabei schon seine Hemmungen fallen zu lassen und auszublenden, dass andere das eigene Tun beobachten? Noch dazu, wenn es darum gehen soll, Intimes, gar Peinliches in Szene zu setzen? Wem fiele es beispielsweise leicht, auf der Bühne darzustellen, wie er als Schulkind nachts noch einnässt? Und wer kann einfach so aus seiner Haut in eine andere Rolle schlüpfen? Einen anderen Menschen verkörpern, der man selbst nie gewesen ist? Sind wir denn alle oscarverdächtige Schauspieler? Wohl kaum. Bleibt das Psychodrama also ein Therapieverfahren für die gottgegebenen Mimen unter uns? Glücklicherweise nicht. Denn es gibt eine Technik, die dabei helfen kann, sich in Szenen hineinzuzoomen, ganz in Filme einzusteigen und alles andere um sie herum für eine Weile zu vergessen – die Hypnose. Sie lässt sich leicht mit dem Psychodrama kombinieren, wie Moreno knapp 20 Jahre nach seinen ersten therapeutischen Gehversuchen auf der Bühne des Stegreiftheaters herausfand. Damit war das Hypnodrama geboren. Moreno ist übrigens nicht ihr einziger Geburtshelfer …
1.3Das Hypnodrama als gewinnbringende Synthese
James M. Enneis (vgl. Enneis 1950, p. 15; Krojanker 1977a, p. 221; Supple 1977, p. 225) hatte als Psychologe im Zweiten Weltkrieg Sanitätsdienst geleistet. Damals war er an der Behandlung zahlreicher Soldaten beteiligt, die unter Traumata und Kriegsneurosen litten. Bei ihnen ließen sich, wie Enneis zu seinem Erstaunen feststellte, mittels einer besonderen Kurzzeittherapie, die Militärpsychiater eingeführt hatten, beachtliche Erfolge erzielen, sodass diese schnell wieder in ihren Dienst zurückkehren konnten. Worin bestand diese Methode? Die traumatischen Ereignisse sollten von den Soldaten wiedererlebt werden. Um ihnen dies zu erleichtern, wurden sie dazu angeregt, in Hypnose zu gehen. In diesem Zustand war es für die Soldaten einfacher, ihre Abwehr aufzug eben, die sie von einer neuerlichen Bewusstwerdung ihrer traumatischen Erfahrungen abzuhalten suchte. Jetzt konnten sie ihre Gefühle bzw. Gedanken, die die traumatischen Ereignisse begleitet hatten, wiedererleben und bearbeiten. Mitten in seinem Doktorandenprogramm, das Enneis nach dem Zweiten Weltkrieg an der Duke University, North Carolina, begonnen hatte, erfuhr er erstmals vom Psychodrama. Nur kurze Zeit später brach er sein Doktorandenprogramm