Bitte lasst euch dabei nicht einseitig von negativen Einschätzungen leiten, bedenkt insbesondere die positiven Aspekte, die für Terra sprechen würden. Seid kreativ, durchleuchtet eure Konzepte sorgfältig. Es sollte mehr als eine gangbare Möglichkeit geben, den Planeten wieder lebenswert zu machen. Betrachtet es ausnahmsweise mal von dieser Seite:
Es gibt dort massenhaft Wasser in flüssigem Aggregatzustand an der Oberfläche. Die Atmosphäre weist eine gerade noch annehmbare Zusammensetzung auf; sie lässt trotz der erheblichen Verschmutzung das Atmen ohne Schutzmaske oder sonstige Filterung zu! Das sind schon einmal zwei wesentliche Punkte, die wir unbedingt ins Kalkül zu ziehen haben.
Die Sonne des Systems ist noch relativ jung, weit genug vom Stadium eines Roten Riesen entfernt. Da wäre es geradezu eine Verschwendung, würde man die ›Restlaufzeit‹ des Planeten nicht nutzen wollen!
Denkt bitte nicht, wir könnten die Sache einfach aussitzen, bis uns eines Tages von selbst etwas Bahnbrechendes einfällt. Die Lage hier auf Tiberia ist erheblich ernster, als viele von euch dem Anschein nach annehmen möchten. So viel kann ich schon heute verraten. Wir sind leider durch bestimmte Umstände gezwungen, zeitnah eine brauchbare Lösung zu finden.
Und noch etwas solltet ihr in diesem Zusammenhang besser jetzt sofort erfahren und in eure Gedankenkonstrukts einfließen lassen:
Die terrestrischen Wissenschaftler haben unser Sonnensystem mithilfe eines für dortige Verhältnisse fortschrittlichen Weltraum-Teleskops namens Hawking ausfindig gemacht. Sie nennen unser heimatliches Sternbild ›Cygnus‹, was so viel bedeutet wie Schwan. Man könnte also in absehbarer Zeit auf die unselige Idee kommen, uns hier auf Tiberia heimzusuchen. Hätten wir das Ding nur rechtzeitig zerstört, bevor es die verräterischen Aufnahmen nach Terra senden konnte!
Was, wenn auf Terra jemand den Antrieb der dort existierenden Raumfähren revolutionären würde? Man verfügt dank der Metrik eines gewissen Miguel Alcubierre bereits über theoretische Kenntnisse, welche die Funktionsweise des Warp-Antriebs grob beschreiben! Da fehlt im Grunde nur noch der zündende Einfall zur sinnvollen Umsetzung, was ich persönlich mehr als bedenklich finde. Man nähert sich der Lösung schrittweise, nicht zuletzt wegen eines gewissen Sergej Krasnikov.
Ich werde euch diese und andere Überlegungen gerne näher darlegen, doch im Augenblick benötigen wir dringend alle eine Ruhepause. Ihr wisst ja – ein gesunder Geist wohnt am liebsten in einem gesunden Körper, nicht wahr? Wir sehen uns also in exakt 0,25 KIN wieder. Vielen Dank für eure geschätzte Aufmerksamkeit!«
Die Wissenschaftler realisierten frustriert, dass die Versammlung damit unwiderruflich aufgelöst war. Verstört und nachdenklich verließen sie den Saal, niemand sprach ein Wort. Zu tief saß das ungute Gefühl, das sich in den Herzen der siebenköpfigen Gruppe breitgemacht hatte.
Besonders Solaras bekam es mit der Angst zu tun – ihn hatte Alanna schließlich bereits explizit nach seiner Bereitschaft gefragt, an einer gefahrvollen Mission nach Terra teilzunehmen. Die Antwort war er ihr bislang schuldig geblieben, hatte sich stattdessen Bedenkzeit ausgebeten.
Schließlich waren alle bisherigen Versuche, die Bewohner Terras auf den Weg der Vernunft zurückzuführen, ergebnislos im Sande verlaufen! Im Gegenteil, einige Expeditionen hatten dort sogar zusätzliche Schäden angerichtet, die in ihrer Summe überhaupt erst zum heutigen Zustand jener fernen Welt führen konnten. Sollte man diesen fatalen Fehlern aus der Vergangenheit einen weiteren hinzufügen?
Zum allerersten Mal in seinem Leben fühlte Solaras sich unter Druck gesetzt, mit der Entscheidungsfindung total überfordert. Hätte er nur besser einschätzen können, was ihn im Falle einer Zustimmung erwartete! Ihm schwante, dass es sich im schlimmsten Fall um eine Reise ohne Wiederkehr handeln könnte.
*
Die junge Frau betätigte den roten Kontaktschalter zur Unterbrechung des Magnetflusses, wodurch ihr lautloses Fahrzeug langsam ausrollte; sie ließ es routiniert in eine der vielen Parkbuchten gleiten, die sich seitlich der Piste befanden. Jene Parkmöglichkeit lag in einer langen Kurve, von welcher aus sich das Ziel ihres Ausflugs nicht einsehen ließ. Gut so!
Neugierig bahnte sich das Mädchen einen Weg durch das dornige Gestrüpp, blieb immer wieder mit den weiten Ärmeln ihres dunkelblauen Gewandes an den Zweigen hängen. Wie gehetzt sah Katelara sich um, denn niemand durfte sie hier bemerken. Wie hätte sie den Zweck ihrer kleinen Wanderung andernfalls glaubhaft darlegen sollen, ohne unangenehme Fragen aufzuwerfen?
Ein Glück, dass diese Piste kaum frequentiert wurde, seit man die Siedlung an ihrem Ende weiter nach Osten verlagert hatte! Das Gelände wäre an dieser Stelle viel zu unwegsam gewesen, um das Siedlungsgebiet einfach nur um weitere Flächen zu erweitern. Seit der Verlegung und dem Abtransport der Wohneinheiten führte die Strecke nur noch bis zu einer kleinen Wasserfläche, endete dort abrupt. Eigentlich ein Wunder, dass man bislang noch nicht auf den Gedanken gekommen war, deswegen den Magnetstrom der Piste zu kappen.
Jetzt hatte sich auch noch eine ihrer hüftlangen rotblonden Locken in den Dornen verfangen! Sollte sie ihren kühnen Plan unverrichteter Dinge aufgeben und lieber schleunigst zum Magnetfahrzeug zurückkehren? Wäre da bloß die brennende Neugierde nicht gewesen … eventuell bot sich hier im Nirgendwo auch die seltene Möglichkeit, die eigene Situation nachhaltig zu verbessern!
Katelara war bewusst, dass sie im Begriff stand, gegen eherne Vorschriften der Gemeinschaft zu verstoßen. Doch weshalb sollte ausgerechnet sie sich vorbildlich verhalten, wenn andere es nachweislich auch nicht mehr taten? Der Zweck heiligte in diesem Fall die Mittel, denn die Novizin der Wissenschaft hatte neuerdings nur noch wenig zu verlieren.
Von dort drüben war er gekommen … ungefähr jedenfalls!
Stück für Stück arbeitete die junge Frau sich mühsam zu der Stelle vor, die nach ihrer Ansicht am ehesten nach einer Felsspalte aussah. Es musste dort gemäß allen Regeln der Logik einen Durchgang geben. Der gutaussehende Mann im grünen Gewand konnte schließlich kaum aus dem Nichts aufgetaucht sein! Was mochte sie dahinter erwarten?
Ein schwacher Lichtschein zeigte ihr, dass sie sich auf dem richtigen Weg befand. Noch zirka zehn mehr oder weniger schmerzhafte Schritte, dann wäre sie endlich am Ziel angelangt!
Sorgenvoll betrachtete Katelara ihre zerkratzten Arme und die vielen kleinen Löcher im Gewand. Die würden sie wohl später ein wenig in Erklärungsnot bringen – doch über eingängige Begründungen nachzudenken, dafür blieb auf dem Rückweg sicherlich immer noch genügend Zeit.
Aufgeregt legte die Novizin den letzten Schritt zurück, der sie noch von der Felsspalte trennte. Sie hatte sich nicht getäuscht, man konnte sich hier durchquetschen, wenn auch nur kriechend. Katelara raffte ihr Gewand zusammen und schickte sich mutig an, auf allen Vieren in das unbekannte Gebiet vorzudringen.
*
Arden wanderte nervös auf und ab, wischte sich immer wieder die feuchten Handflächen an seinem Gewand ab; das Gewissen drückte ihn bereits, obwohl er im
Grunde noch gar nichts Falsches getan hatte. Das würde sich allerdings unweigerlich ändern, sobald Solaras endlich auftauchte. Wo blieb sein Vertrauter heute nur?
So wunderschön und beruhigend ihm dieser Ort im Niemandsland normalerweise erschien, so wenig konnte Arden dem Naturgenuss an jenem schicksalhaften Tag abgewinnen. Nicht einmal die warmen Sonnenstrahlen auf seiner Haut, die ihn wie tröstende Finger streichelten, vermochte er angemessen zu genießen.
Die Wissenschaftler aus der Sektion Gesundheit und Medizin behielten in diesem Punkt wohl Recht: geriet der Geist in Unruhe, wirkte sich das unmittelbar auf den Körper aus.
Als Arden aus Richtung der Felsspalte ein kaum wahrnehmbares Rascheln gewahrte, zuckte er erschrocken zusammen. Hastig verbarg er