Morgen wird ein guter Tag. Sir Thomas Moore. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sir Thomas Moore
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783854457060
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angemessen mit „die steilste Auffahrt der Welt“ bewarb. Das war einer meiner favorisierten Abschnitte der Veranstaltung, und wir verfolgten Billy und die anderen Fahrer wie gebannt, während sie sich in halsbrecherischen Winkeln verbogen, um das Gleichgewicht ringend, damit sie nicht von den Maschinen stürzten. Jedes großes Rennen wurde im The Motor Cycle-Magazin ausführlich dargestellt, mit packenden Fotos von den zahlreichen Fahrern, die in Teams fuhren, um den Challenge Cup zu erringen. Beiwagen und dreirädrige Bikes waren auch zugelassen, und es gab sogar einige berühmte Ladys, die an dem Spektakel teilnahmen.

      Für uns war es immer ein ganz besonderer Tag. Wir fuhren mit Sandwiches und einer Thermoskanne heißen Tees raus, und ich wählte den besten Platz, wo die meiste Action war, entweder ein wirklich steiler Hügel oder ein besonders schlammiges Wasserloch. Dann setzten wir uns hin und warteten auf den Lärm der wettstreitenden Maschinen. Während sie sich näherten, stieg und stieg meine Aufregung, und ich starrte wie gebannt auf die Strecke, als sich einer nach dem anderen der besonderen Herausforderung stellte und alles versuchte, um sich nicht langzumachen oder nass zu werden. Wenn Billy in unser Blickfeld kam, den man hinter seiner Schutzbrille kaum erkannte, entfachte das unsere Aufmerksamkeit. Natürlich gratulierten wir ihm nach dem Rennen, falls er überhaupt in dem Haufen verschwitzter und über und über verdreckter Männer auffindbar war, die sich vor irgendeinem örtlichen Lokal auf die Schultern klopften.

      Mein Vater trug meist seine Kamera bei sich. Es war ein Zeitvertreib, den ich schon bald zu meinem eigenen machte. Als ich sieben war, hat er ein super Foto von mir geschossen, wie ich in kurzer Hose, Wellington-Schuhen, einem Mantel und einer flachen Mütze auf einer steinernen Mauer stehe und voller Spannung auf eine vorbeisausende Dame mit ihrem Ledermantel und passender Kopfbedeckung starre. Dieses Bild bringt meine glückliche Kindheit auf einen Punkt.

      Verglichen mit solchen aufregenden Ereignissen erschien mir die Schule todlangweilig, und ich ging nur dorthin, weil ich es musste. Auch flitzte ich zum Mittagessen die zehn Minuten Fußweg immer nach Hause, nachdem ich am ersten Tag meinen Teller voller Ekel von mir gestoßen hatte. Es war die erste und letzte Mahlzeit dort gewesen.

      Meine Eltern zeigten sich fest entschlossen, dass Freda und mir eine ordentliche Bildung zuteilwerden sollte. Sie kam auf die Girls’ Grammar School in Keighley – meine Mutter saß dort im Vorstand – und ich auf die Boys’ Grammar School, ein Privileg, für das mein Vater bezahlen musste. Mit 15 Jahren verließ Freda die Schule und begann eine Ausbildung als Näherin bei zwei alten Schwestern, die in den Dales lebten. Für mich war auch eine Lehre vorgesehen – wenn die Noten stimmten –, was ich jedoch bezweifelte. Ich war dankbar, meinen Freund Walter an meiner Seite zu wissen, den ich nach dem Umzug nicht mehr so häufig gesehen hatte. Walter war, was meine Zuneigung anbelangte, von einem neuen Freund namens Charlie Dinsdale verdrängt worden, der nur drei Häuser vom Club Nook entfernt wohnte und dessen Familie die Firma William Laycock & Co. gehörte, eine Fabrik für Gerberei und Lederarbeiten. In meiner Schule gab es drei Stufen – A, B und C –, in die die Schüler nach ihren Begabungen eingeteilt wurden. „A“ war für die ganz schlauen Jungs vorgesehen, die als Vorbereitung auf die Universität Latein und Griechisch lernten. „B“ war für die mitteltalentierten, die Deutsch lernten, und in Stufe „C“ lernte man Französisch und Handwerkliches, wichtig für die Schüler, die eine praktisch orientierte Zukunft in der Stadt suchten. Ich ging in Stufe „C“, aber fühlte mich dadurch nicht zurückgesetzt. Ich brauchte exakt diese Ausbildung und war außerdem in die Französischlehrerin verknallt, die wir nur als „Mademoiselle“ kannten. Hätte man mich in die „A“ gesteckt, wäre das mein Tod gewesen, denn ich war nicht der schlauste Junge. Aber Vorsicht! Voooorsicht! Das hat sich mit dem Alter geändert!

      Als Kind, das einsam durch die Moore streifte, war ich kein Team-Player und spielte Rugby und Kricket nur, weil ich es musste. Mein Lieblingssport war Geländelauf, besonders an der Aire entlang, eine Route, die ich oft mit meinem Hund lief. Ich mochte auch Erdkunde und das Studieren der verschiedenen Steinarten, von denen ich schon viele kannte. Am meisten hasste ich Algebra und überhaupt Mathematik, nicht zuletzt, weil unser Lehrer mit einem langen, hölzernen Lineal durch den Klassenraum stolzierte, mit dem er auf den Rücken der Schüler einprügelte, wenn er glaubte, sie seien faul. Niemand konnte mir den Sinn und Nutzen der Differenzial- und Integral­rechnung erklären, die ich mied, wo ich konnte, da ich darin überhaupt keinen Wert sah. Obwohl ich Erdkunde mochte und interessiert die Geschichte des britischen Empire nachverfolgte, das sich damals noch bis weit in die Welt erstreckte – Kanada, Südafrika, Indien und Australien –, war ich einfach nicht für eine akademische Laufbahn geboren und konzentrierte mich auf die praktischen Angelegenheiten. Übrigens: Damals waren die kolonialen Besitztümer auf der Karte alle in Pink gefärbt.

      Glücklicherweise lehrte man uns dumme „C“-Jungen Holz- und Textilarbeiten sowie Technik, die uns der wunderbarere Will Midgley verklickerte. Die Arbeit mit Metall und Holz kam meinen Vorlieben entgegen. Mit Mr. Midgleys Unterstützung zimmerte ich im Alter von zwölf Jahren eine solide Holzkiste mit gepolsterten Füßen, die ich immer noch besitze. Ich erkannte die spätere Anwendbarkeit dieser praktischen Ausbildung – auf die mich schon mein Vater und mein Onkel vorbereitet hatten –, sodass ich mir von Anfang an viel Mühe darin gab.

      Obwohl ich vieles beigebracht bekam, was für Thomas Moore & Sons nutzbar gewesen wäre, erwartete niemand von mir, dass ich in das Familienunternehmen eintrat wie mein Vater und mein Onkel. Besonders Mutter wünschte sich eine bessere Laufbahn, zum Beispiel einen Manager-Job. Ich erinnere mich, wie sie sagte: „Gib dich niemals mit einem Job für 10 Pfund die Woche zufrieden“, und sie war es auch, die mich antrieb. Als ich die Volksschule 1935 im Alter von 15 Jahren verließ, begann ich eine dreijährige Ausbildung beim Wasserwerk von Keighley. Ich mochte den Job, da er mir viel Freiheit ermöglichte. Mein Chef namens J. Noel Wood hatte während des Großen Kriegs als Captain bei der Royal Field Artillery gedient. 1927 heiratete er meine Lieblings-Grundschullehrerin Miss Moffitt. Vielleicht verhielt er sich aus diesem Grund mir gegenüber immer sehr nett?

      Die Arbeit beinhaltete auch die Inspektion, bei der man viele Zeichnungen anfertigte. Darüber hinaus musste ich alle in der Stadt ausgeführten Arbeiten dokumentieren, was die Aufzeichnung vom Austausch von Leitungen bedeutete. In praktischer Hinsicht stand das Aufspüren möglicher Lecks auf dem Programm. Dank meines Chefs wurde mir gestattet, den Firmenwagen des Wasserwerks allein zu fahren, bis hin zu den Mooren hinter Haworth und dem Haus der Familie Brontë. Ich nahm Wasserproben aus Bächen, überprüfte den pH-Wert oder das Volumen und die Fließgeschwindigkeit für die Versorgung der Stadt. Die Tätigkeit ähnelte meiner Kindheit, in der ich in Begleitung meines Hunds Billy durch menschenleere Landstriche zog. Doch nun wurde ich für meine Abenteuer in den Dales bezahlt, wo ich ein wildes und unbekanntes Terrain vermaß, in dem sich nur wenige Menschen blicken ließen. Für mich war es die perfekte Arbeit, denn in dieser Zeit vor dem Massentourismus hatte ich ganze Landstriche für mich allein und besuchte den großen allein stehenden Felsen Robin Hood’s Stone oder das heidnische Cowper’s Cross. In Woodhouse Crag fand man den berühmten Hakenkreuz-Stein, in den das Symbol vermutlich von römischen Legionären in geschwungener Form eingemeißelt worden war. Es ist ein uraltes, Glück verheißendes Symbol, das sich die Nazis später unter den Nagel rissen.

      Nachdem ich eine feste Anstellung hatte, meinten meine Eltern, mich unbesorgt allein lassen zu können, als sie zu den nächsten Ferien nach Scarborough reisten. Sie schlugen vor, dass ich einen Schulfreund zur Gesellschaft einlud, was ich auch machte. Er kam und war überrascht, dass meine Mutter und Oma Fanny mir das Kochen beigebracht hatten, denn in seiner Familie sah man das noch als reine Frauenarbeit an. Mein Vater, ebenfalls ein Kind seiner Zeit, sah das nicht viel anders. Dadurch war er in der Küche ein hoffnungsloser Fall. Er konnte gerade mal ein Ei kochen oder Senf für eine Pastete erwärmen. „Er muss unbedingt einen Tag vor mir sterben“, sagte Mum immer, „denn ohne mich verhungert er.“ Sie erzog mich zur Selbstständigkeit getreu dem Motto: „Das schaffe ich.“ Schon in frühesten Jahre ermutigte sie mich, in der Küche zu helfen und Mahlzeiten oder Gebäck für uns zuzubereiten wie meine geliebten Haferkekse. Ich war auch ihr „Schläger“, der die Butter für ihren unbezahlbaren Rührkuchen in der Schüssel herumwirbelte, ein Vorgang, der gut 20 Minuten in Anspruch nahm, wodurch ich mir einen schmerzenden Arm einhandelte. Für einen kleinen Jungen mag folgender Gedankengang wohl ungewöhnlich gewesen sein,