Lorettoberg. Volkmar Braunbehrens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Volkmar Braunbehrens
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839241462
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selbst, angefangen mit einem leichten Essen, zu dem Elfi vom Markt noch einiges Frisches mitbringen sollte. Von der Herrenstraße bog sie ab, schlenderte auf der Nordseite des Münsters zwischen den Ständen herum. Es war immer noch sehr voll, obwohl einige Händler bereits die Körbe und Gemüsekisten zusammenstapelten, denn pünktlich um zwei Uhr mussten die Karren und Auslagen den Platz räumen, um den Fahrzeugen der Stadtreinigung Platz zu machen. Bei einem Marktstand aus Eichstätten, der immer besonders schönes Gemüse hatte, fand sie einen Bund junger Möhren, ungespritzt, wie bei allen Bauern dieser Kaiserstühler Gemeinde, und jungen Spinat.

      Dann fiel ihr ein, vielleicht noch ihre Freundin Monique zu treffen, die um diese Mittagszeit meist im ›Café Wiener‹ saß. Natürlich hieß sie eigentlich Monika, aber das war nun wirklich demodé, zumal wenn man eine Modeboutique besaß. Elfi schlängelte sich durch den lebhaften Fußgängerverkehr am Bertoldsbrunnen, wo offenbar um diese Zeit alle Schüler Freiburgs sich trafen oder zumindest auf ihrem Nachhauseweg umsteigen mussten, lief durchs Martinstor zum Café und sah schon vom Eingang aus ihre Freundin auf ihrem mittäglichen Stammplatz.

      »Du siehst wieder toll aus. Der Shawl steht dir super.«

      »Finde ich auch. Genau meine Farben.«

      »Ist der von euch?«

      »Na klar. Ist gerade erst hereingekommen. Du musst einfach mal wieder in den Laden kommen. Wir haben wunderschöne Sachen jetzt. Etwas abgetönt, nicht so laut, mehr dezent, aber ganz tolle Farben. Dinge, die man wirklich tragen kann. Und trotzdem sehr modisch. Würde ich dir gerne zeigen.«

      »Ich bin schon lange nicht mehr richtig shoppen gewesen. Hier und da mal ein kleines Teil, aber eigentlich habe ich nichts Richtiges mehr anzuziehen, muss mich mal rundum erneuern, gerade jetzt, wo der Sommer kommt.«

      »Das musst du aber bald machen, ist schon ziemlich ausgesucht. Obwohl, deine Größe«, sie schaute etwas abschätzend auf Elfis schmale Figur, »da lässt sich noch etwas finden.«

      Beide schauten in die bereitliegenden Karten.

      »Ich weiß schon, was ich nehme.«

      Elfi zögerte noch, sah dann ihr Gegenüber fragend an.

      »Einen Apfelstrudel mit Vanillesoße. Wir haben als Kinder immer Familiensoße dazu gesagt. Habe ich jetzt richtig Lust darauf.«

      »Na gut. Nehme ich auch. Und einen Espresso danach.«

      »Du, ich muss dir was erzählen. Ganz neu. Du kennst doch Legrand?«

      »Nein, wer ist das?«

      »Ich bitte dich, Legrand, der Modemacher, den kennt doch jeder.«

      »Ach, der? Aber den kennst du doch nicht persönlich?«

      »Nein, natürlich nicht. Bis jetzt wenigstens.«

      Der Kellner kam vorbei und Elfi fragte, ob der Apfelstrudel warm sei.

      Auf sein zerstreutes Nicken hin bestellten beide das Gleiche.

      »Was ist nun mit diesem Legrand?«

      »Der zieht nach Freiburg, stell dir das vor. Die Firma hat er ja verkauft, die geht jetzt zu …, na, fällt mir gerade nicht ein, das kommt gleich wieder. Also, der zieht nach Freiburg, für ganz, hat eine Villa am Lorettoberg gekauft. Und da gibt es demnächst eine riesige Einweihungsparty. Kommst du mit? Wir könnten zusammen dahin gehen.«

      »Aber geht denn das? Ich kenne den doch gar nicht.«

      »Das macht doch nichts. Ich nehme dich einfach mit. Da kommt die ganze Freiburger Modeszene hin, sind alle eingeladen. Und sonst werden auch noch eine Menge Leute da sein. Seine Feste in Hamburg sind legendär. Ich bin zwar noch nie dabei gewesen, kann ja meistens hier nicht weg«, sie redete sich jetzt richtig in Fahrt und malte sich aus, was der eigenen Anschauung fehlte, »aber du hast ja sicher schon Bilder davon gesehen, in der ›Bunten‹ und der ›Gala‹ und solchen Zeitschriften. Natürlich Schicki-Micki bis zum geht nicht mehr. Immer viel Prominenz, all die Leute, die seine Sachen tragen, Filmstars, Fernsehen, Krethi und Plethi.«

      »Du glaubst doch nicht, dass die nun alle hierher kommen.«

      »Warum denn nicht? In Hamburg kamen sie auch immer von weit her, aus Berlin, München, Düsseldorf, teilweise mit dem Privat-Jet. Bei solchen Festen schrecken die vor nichts zurück. Das sind nationale Ereignisse. Sonst wäre ja auch nicht so viel Presse dabei. Die wollen doch alle gesehen und fotografiert werden. Hast du noch nie gehört, was für schicke Kleider die da vorführen? Sündhaft teure Roben, ganz toll gestyltes Outfit, und immer den letzten Schrei. Die neuesten Modelle eben von den großen internationalen Marken, die wollen alle dabei sein, ist halt so ein Showlaufen. Und dann ist es auch Werbung. Das zahlt natürlich die Firma.«

      »Könnte ganz interessant sein. Man kennt so etwas schließlich nur von Bildern. Die alle einmal live zu erleben …«

      »Und stell dir vor, so etwas bekommen wir jetzt hier in Freiburg. Endlich mal was los hier. Das können wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Also abgemacht? Wir gehen zusammen hin.«

      Elfi erkundigte sich etwas zögerlich: »Wann soll denn das sein?«

      »Ende April. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, an Walpurgisnacht, also am Abend vor dem 1. Mai. Ist ein Feiertag danach, da können wir prima ausschlafen. Ich möchte mal wieder so richtig abtanzen bis zum Umfallen, die ganze Nacht durchmachen. Das ist schließlich was anderes als Disco. Auf so einem Fest«, sie lachte schrill auf, um gleich danach leise raunend fortzufahren, »da gibt es noch richtige Männer. Die können wirklich tanzen, die Modewelt eben. Hat viel mehr mit Theater und Film zu tun. Nicht diese schrecklichen Bubis von der unteren Etage mit gegeltem Haar, wie im ›Kagan‹, die sich schon super finden, wenn sie nur einmal mit dem Lift ganz nach oben fahren dürfen. Da geh ich auch nicht mehr hin. Aber das hier, das ist wirklich klasse, kannst du gar nicht vergleichen.« Sie holte tief Luft nach so viel Emphase und fügte zerstreut an: »Ich ruf dich noch an und sag dir Bescheid.«

      Mittlerweile war der Apfelstrudel gekommen und dampfte vor sich hin.

      Elfi, immer noch skeptisch, grübelte: »Und was ziehe ich da an?«

      »Da werden wir schon etwas finden. Ich habe mir auch noch nichts überlegt. Wir werden irgendetwas Verrücktes kombinieren. Oder selbst erfinden. Das ist die Gelegenheit. Je verrückter, je toller. Auffallen muss man schon, das ist schließlich der Hauptspaß dabei. Und das hier in dem ständig so zurückhaltenden Freiburg. Wo die ganze Mischpoke immer so auf gediegen mimt. Das muss man mal richtig aufmischen. Komm doch in den nächsten Tagen einfach in den Laden, aber ruf mich sicherheitshalber vorher an. Damit wir nicht dauernd gestört werden. Das wird ein Heidenspaß.«

      III.

      Elfi stand im Türrahmen zur Küche der kleinen Dreizimmerwohnung und sah ihm beim Gemüseschneiden zu. Geübte Handbewegungen, aber ohne jeden Ehrgeiz, es mit den bekannten Kochstars aus den Fernsehsendungen und ihrer beeindruckenden Fingerfertigkeit aufzunehmen. Auf dem Herd stand bereits eine Pfanne auf mittlerer Flamme, – so nannte man es noch immer, obschon doch so gut wie alle inzwischen einen Elektroherd mit Glaskeramik-Kochzone hatten.

      Das heißer werdende Öl breitete sich aus der Mitte aus. Daneben ein kleiner Topf mit Wasser, aus dem bereits die ersten Dampfwölkchen aufstiegen. Er gab anderthalb Tassen Basmati-Reis hinein, dann schob er das Gemüse mit dem Messer vom Holzbrett in die Pfanne, wobei ein gedämpftes Zischen zu hören war.

      »Darf ich dir schon einmal etwas einschenken?«

      »Was hast du denn Gutes?«

      »Hier ist ein angenehmer Munzinger Weißburgunder von Clemens Lang. Trocken und dabei sehr ausgeglichen. Den hast du schon einmal bei mir getrunken.«

      »Oh ja, ich erinnere mich. Gerne.«

      Während er den Schraubverschluss der Flasche öffnete und zwei Gläser füllte, murmelte er noch:

      »In zehn Minuten gibt’s was zu essen.«

      Doch dann klingelte das Telefon und