Lorettoberg. Volkmar Braunbehrens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Volkmar Braunbehrens
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839241462
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Schnelligkeit und Umsichtigkeit. Mit ihnen gut zu stehen, war eigentlich oberstes Gebot. Aber Hopf ahnte, dass das Donnerwetter des Chefs vor allem auf ihn als dem Verantwortlichen niederkommen würde, und deswegen brauchte er jetzt wenigstens einen Blitzableiter, um seinen erregten Kamm etwas zu kühlen.

      »Habt ihr in den Mai gefeiert, oder was ist mit euch los? Das ist doch eine unglaubliche Schluderei, dass den hier niemand gesehen hat.«

      Die Kriminaltechniker sahen sich erstaunt und fragend gegenseitig an, dann unterdrückte einer ein Lachen, ein anderer prustete los und eilte mit seinem metallenen Gerätekoffer geschäftig vorbei. Hopf stand im Weg, das merkte er, und trat etwas zur Seite. Giftig sah er ihrem Treiben zu, wusste, dass er eigentlich überflüssig war. Schließlich meinte einer:

      »Wer ist denn hier schon alles herumgelaufen? Da sind ziemlich viele Fußspuren.«

      Das galt natürlich auch Hopf, obwohl es ziemlich unberechtigt war. Er ging verärgert ins Haus zu Frau Ritter. Einigermaßen unwirsch stellte er ihr die wichtigsten Fragen, aber sehr erhellend waren ihre Antworten nicht. Sie hatte Herrn von Hübner den ganzen Morgen noch nicht gesehen und das war noch nicht einmal ungewöhnlich für die Art ihres Zusammenlebens in diesem großen Haus. Und nachts war ihr auch nichts Ungewöhnliches aufgefallen, selbst von dem Fest da drüben habe sie kaum etwas mitbekommen, es habe sie auch nicht interessiert. Hopf hatte es eilig, er musste unbedingt ins Präsidium fahren, um zu zeigen, dass er alles im Griff hatte. Das war jetzt wichtiger als alles andere. Er würde sich ohnehin auf einiges gefasst machen müssen. Seinen Assistenten ließ er noch hier, falls die Spurenleute ihn brauchten.

      Hopf war schon aus dem Haus, als er noch einmal zurückkehrte, klingelte und auf den erstaunten Blick von Frau Ritter fragte:

      »Welche Schuhe haben Sie denn angehabt, als Sie in den Garten gingen? Die müssen Sie mir leider mitgeben wegen der Schuhabdrücke.«

      Ob man sie wirklich brauchen würde, bezweifelte er, aber er wollte sich mit einer solchen Routineangelegenheit nicht auch noch am Zeug herumflicken lassen.

      *

      Als Hopf gegen halb drei Uhr ins Präsidium zurückkam, wurde er schon an der Pforte mit undurchdringlichem Gesicht und den Worten empfangen:

      »Kommissar Hopf, gleich zum Chef, er wartet schon auf Sie.«

      Das konnte er sich denken, als alle auf ihn starrten, schließlich war es ›sein‹ Tatort und er hatte die Spurensicherung geleitet. Aber die anderen Kollegen hatten auch alle nichts gesehen und keiner war auf die Idee gekommen, einen Blick in Nachbars Garten zu werfen. Also gleich zum Chef, vielleicht war es auch gut so, dann bekäme er wenigstens nicht vor versammelter Mannschaft den erwartbaren Rüffel. Aber er war sehr erstaunt, als der Kriminalchef mit besorgter Miene sagte:

      »Da sind Sie ja. Sagen Sie mir als Erstes: Was ist mit der Presse? Ist schon jemand aufgetaucht?«

      »Nicht, dass ich wüsste. Ich habe keinen gesehen.«

      »Das ist gut so. Wir müssen natürlich gleich eine Presseerklärung abgeben, immerhin ist Legrand ein VIP der Extra-Klasse. Das wird einen ziemlichen Wirbel geben. Sie werden mir gleich einen Entwurf schreiben müssen, den ich dann selbst gegenlesen werde. Um das Weitere werde ich mich dann selbst kümmern, ich möchte das alles unter Kontrolle halten. Sie wissen sicher, dass auf dem Fest gestern Abend viele Prominente waren und da muss man aufpassen, dass das nicht zu haufenweise Spekulationen führt. Und jetzt zu Ihrem Bericht. Hat der zweite Todesfall damit zu tun? Sagen Sie mir im Moment nur das Wichtigste, damit ich im Bilde bin, wir gehen dann gleich rüber zur Lage, die Kollegen warten schon.«

      Hopf hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit dieser ebenso milden wie unerwartet besorgten Reaktion. Von Vorwürfen keine Rede, stattdessen als Wichtigstes die Presse. Ihm konnte es nur recht sein, wenn der Chef das selbst übernehmen wollte, denn es riss sich keiner darum, vor die Presse treten zu müssen. Die stocherten ohnehin immer nur in den Nebensächlichkeiten herum und machten die Pferde scheu. Und dem Chef würde schon etwas einfallen, denn er konnte kein Interesse daran haben, dass die Arbeit seiner Kripo ins Gerede kam.

      Nachdem Hopf vorgetragen hatte, was seit heute Morgen vorgefallen war, – das verspätete Auffinden des zweiten Toten wurde nur mit einem allerdings auffälligen Heben der Augenbrauen quittiert –, ging er zur längst wartenden Lage, wie sich die Versammlung der verfügbaren Kräfte der Mordkommission nannte. Wegen des Feiertages waren nur wenige Kollegen gekommen. Der Kripochef jedoch blieb noch in seinem Zimmer und versprach, gleich nachzukommen. Erst wollte er den Oberbürgermeister informieren, denn ihm war klar, dass die Presse, wenn sie erst einmal Wind von dem Tod Legrands bekommen hatte, auch ihm bei erster Gelegenheit unangenehme Fragen stellen würde.

      *

      Der Oberbürgermeister war völlig konsterniert. Das war verständlich. Legrand war eine in ganz Deutschland bekannte Persönlichkeit, die sich, nach dem überraschenden Verkauf seines Modeimperiums, gerade erst entschlossen hatte, sich in Freiburg niederzulassen. Das war für das Renommee dieser Stadt ein besonderes Ausrufungszeichen und ein großer Gewinn. Für eine Stadt, die vor allem aus der Universität, der Kultur und der Touristik ihr Image bezog, zudem einem liberalen Wohlleben mit hohem Ökobewusstsein einiges Ansehen verdankte, musste die Ermordung eines weltbekannten Neubürgers gewissermaßen am Tage seiner Ankunft eine schockierende Nachricht sein. Das war ein schreiender Widerspruch zu dem Bild heiterer provinzieller Gelassenheit und palavernder Konfliktbewältigung, das war mehr als ein hässlicher Blutfleck. Und dass der Oberbürgermeister am Abend zuvor noch selbst als Gast in Legrands Haus gewesen war, musste die Betroffenheit beträchtlich vergrößern. Aber das war es nicht allein, was den Oberbürgermeister aufwühlte, das spürte der Kripochef sofort. So war er auch nicht überrascht, als er nach einigem betroffenen Schweigen hörte:

      »Können Sie mich aufsuchen? Es gibt einige brisante Dinge, die mir gestern aufgefallen sind. Ich muss das dringend mit Ihnen besprechen. Es ist von größter Wichtigkeit. Möglicherweise haben sie auch mit dieser schrecklichen Tat zu tun. Mir wäre es lieb, wenn Sie möglichst schnell kommen könnten, denn ich habe heute Abend einen öffentlichen Termin und es sollte unbedingt noch vorher sein.«

      Einer so dringenden Bitte musste der Chef der Kriminalpolizei natürlich sofort nachkommen, zumal auch möglicherweise tatrelevante Dinge zur Sprache kommen sollten. Begreiflicherweise wollte der Oberbürgermeister erst einmal wissen, wie und wann alles passiert sei. Als er hörte, dass es einen zweien Toten gäbe, bei dem man eine Pistole gefunden habe, – übrigens kannte er Herrn von Hübner nicht persönlich, nur dem Namen nach –, entspannten sich seine Züge deutlich und er fragte sofort nach:

      »Bedeutet das einen persönlichen Streit zwischen den beiden?« Nur gab es darauf vorläufig keine Antwort.

      Aber dann berichtete der Oberbürgermeister, dass das Fest offenbar eine ausgewachsene Kokain-Party gewesen war und das in Anwesenheit der Spitzen der Stadt. Er selbst habe davon zwar nichts bemerkt, sei dann aber zum Glück darauf aufmerksam gemacht worden und habe das Fest natürlich sofort verlassen. Und die anderen Notabeln selbstverständlich auch. Das sei kurz vor Mitternacht gewesen und gebe der Sache möglicherweise eine ganz andere Wendung. Seine größte Sorge sei, dass jetzt sie alle, und zwar Politiker aller Fraktionen, wie er ausdrücklich betonen wolle, und Inhaber der höchsten Ämter in diesem Zusammenhang öffentlich genannt werden könnten. Das müsse auf jeden Fall verhindert werden. Sie alle, dafür verbürge er sich, hätten absolut nichts damit zu tun, seien gewissermaßen in eine Falle gelaufen, seien missbraucht worden. Man müsse sich einmal vorstellen, was das bedeuten würde. Er erwarte, dass die Polizei absolut unmissverständlich jeder Insinuation in dieser Richtung entgegentrete. Die Polizei müsse sich ihrer Verantwortung im höchsten Maße bewusst sein. Der geringste falsche Zungenschlag in diesem Zusammenhang sei gewissermaßen die Einladung zu einer Rufmordkampagne größten Ausmaßes. Natürlich gebe es immer Leute, die auf so etwas nur warteten, die mit der ganzen Stadtverwaltung über Kreuz lägen und sich solche Gelegenheit zur Stimmungsmache nicht entgehen ließen. Das hätte Bedeutung weit über Freiburg hinaus, ob er sich darüber im Klaren sei? Die Presse werde das begierig aufgreifen, vom Politikersumpf reden. Mit solchen Methoden könne man das ganze öffentliche Leben