The Who - Maximum Rock III. Christoph Geisselhart. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Geisselhart
Издательство: Bookwire
Серия: The Who Triologie
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454175
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deren Requisitenfundus sich Keith Moon regel­mäßig bedient hatte) die Forderungen der Band bei der anstehenden Vertragsverlänge­rung für zu hoch befunden. Dabei hatten Branchenkenner erwartet, dass die Band bei MCA oder bei der britischen Polydor unterschreiben würde, die die Rechte an den Who-Songs außerhalb der USA besaß. Warner bezahlte angeblich zwölf Millionen Dollar für die Veröffentlichungsrechte an den nächsten fünf Who-Alben in den USA und in Kanada. Polydor behielt die Rechte­ für den Rest der Welt. „Das hieß, ich sollte in fünf Jahren acht Alben produzieren“, sagt Pete: drei Soloplatten und fünf Who-Alben. „Alle Songs schreiben, aufnehmen, touren, Öffentlichkeitsarbeit machen, aufnehmen – ­völlig unmöglich, das zu schaffen.“

      Und mal abgesehen von der Unmöglichkeit, all diese Verpflichtungen ­terminlich überhaupt auf die Reihe zu kriegen: Die zeitgleichen Produktionen brachten seine und die Interessen der Band spürbar durcheinander. Pete musste­ sich sozusagen in zwei synchron agierende Komponistenpersönlich­keiten aufspalten, deren eine für die Who schrieb und deren andere für Pete Townshend; denn er konnte neben seiner Solokarriere die Gruppe unmöglich ­vernachlässigen. Dafür sorgte schon der neue Plattenvertrag der Band, den er mit eingefädelt hatte. „1980, als ich nie nüchtern war, schrieb ich Songs, die einfach nicht zu den Who passten“, erinnert er sich. „Sie waren sehr persönlich und spiegelten meine spezielle Entwicklung wider, die ich gerade durchmachte. Die meisten Lieder, die ich geschrieben habe, handeln davon, dass es Erlösung und einen Erlöser gibt. Ich würde zwar nie direkt seinen Namen in einem Songtext nennen, aber ich denke, die meisten ­meiner Songs handeln von Jesus.“

      Mit dieser Aussage wollte Pete natürlich unterstreichen, wie fern sich seine Kompositionen vom gewöhnlichen Who-Liedgut befanden. Doch für einen Rocksong sind Texte und Inhalte oft erschreckend unwichtig; man könnte sogar behaupten: je vieldeutiger oder belangloser die Texte sind, desto erfolgreicher können die Songs werden. „Genau besehen macht Pete sowieso bessere­ Who-Platten als die Who selbst“, beschreibt Keith Richards das Dilemma Townshends etwas überspitzt. „Er ging üblicherweise mit einem fertigen Who-Album ins Studio, und die Jungs legten bloß ein paar Overdubs ­­drüber. Sein erster Entwurf war aber zehnmal besser als das fertige Produkt. Sie imitierten­ bloß, was Pete ursprünglich hingelegt hatte.“

      Darüber kann man streiten; vor allem John hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, was er von dieser Einschätzung hält: „Das ist es, was mich an Keith Richards schon immer irritierte: seine Vorstellung, dass Pete irgendwas anbrachte­ und dass wir es bloß kopierten. Völliger Blödsinn. Man muss sich einmal klar machen, dass Keith Moon und ich, jeder von uns beiden, als Musiker zu den besten auf unserem Instrument gehörten. Undenkbar, dass wir etwas einfach nur nachgespielt hätten. Tatsächlich war es so, dass Pete später all diese Neubearbeitungen und Raritäten herausbrachte; er nahm seine alten Demos und verbesserte sie so, dass sie klangen, als ob er uns kopieren wollte.“

      Johns Aussage bezieht sich vor allem auf die Scoop-Alben, Petes später erschienene Sammlung von Outtakes; sein Ärger über Petes Alleingänge und die öffentliche Wahrnehmung der Rollenverteilung bei The Who klingt unverhohlen durch. Vermutlich liegt die Wahrheit wie immer in der Mitte. Pete legte etwas vor, was die anderen auf ihre spezielle und unnachahmliche Weise bearbeiteten; Pete als Komponist fand Gefallen an manchen Eingriffen seiner ­Kollegen, an manchen auch nicht, und daraus entwickelten sich weitere Versionen seines Songs. Fakt ist, dass einige Titel von Petes Soloalben verdächtig wie Who-­Produk­tionen klingen. Das gilt besonders für die Zeit von 1980 bis 1982, als Petes Alben Empty Glass und All The Best Cowboys Have Chinese Eyes mit den ­beiden­ ­Who-Produktionen Face Dances und It’s Hard konkurrierten.

      An „Empty Glass“, dem Titelstück von Petes Soloalbum, und an „Rough Boys“, seiner ersten Solosingle in den Charts, die angeblich nur deswegen kein Who-Song wurde, weil Roger die Tonlage zu hoch war und er kein Lied über Schwule singen wollte, lässt sich die Ambivalenz, in der sich The Who und ihr Komponist bewegten, gut verdeutlichen. Roger erklärte 1994 im legen­dären „Goldmine-Interview“, er besitze noch immer das Originaldemo und einen Brief, in dem Pete zugab, er habe „Rough Boys“ für Roger geschrieben. ­Un­bestreitbar­ wurde „Empty Glass“ schon 1978 geschrieben und von den Who mit Keith am Schlagzeug aufgenommen, wie 1996 durch die erweiterte ­Neu­auflage des Albums Who Are You überraschend bekannt wurde, als Pete sich gegen Rogers Vorwürfe zur Wehr setzte, er habe in den achtziger Jahren die besten Stücke für sich genommen und der Band nur den Ausschuss gelassen.

      1980 nahm Pete die beiden umstrittenen Songs abermals auf – mit verschiedenen Schlagzeugern. „Rough Boys“ spielte er mit Kenney Jones ein, „Empty Glass“ mit Simon Phillips, einem technisch außerordentlich versierten Drummer, der neun Jahre später als Zweiter den Versuch wagen sollte, Keith Moons Stuhl bei The Who zu übernehmen. „Wir trafen uns das erste Mal in den Wessex­ Studios“, erzählt der 1957 geborene Brite vom Beginn einer zwanzigjährigen Zusammenarbeit. „Petes Manager hatte mich angerufen und für die ­Aufnahmen von Empty Glass gebucht.“

      Pete und Simon Phillips verband eine biografische Gemeinsamkeit: Auch Simons Vater war ein bekannter Musiker gewesen, und die beiden hatten sich sogar gekannt. „Mein Vater hat Klarinette gespielt und seine eigene Dixieland-Tanzband gegründet, die Sid Phillips Band“, sagt Simon Phillips. „Ich war dort Schlagzeuger von 1969 bis 1973, bis mein Vater starb. Mein Vater kannte Cliff Townshend gut, und ich wusste, wer Petes Vater war.“

      Simon interpretierte Petes Songs schon aufgrund seiner eher jazzigen Grundausbildung völlig anders als Kenney. Er war auch ein ganz anderer Drummer als Keith, weniger instinktiv und viel weniger schlampig vor allem, aber ebenfalls sehr dramatisch und vielschichtig. Darum gebeten, sich über Keith zu äußern, meinte er:

      „Ich habe Keith nie persönlich kennen gelernt, aber nachdem ich mit Pete, Roger und John auf Tournee war, bekam ich das Gefühl, ihn trotzdem ein bisschen zu kennen. Er war ein sehr flüssiger Schlagzeuger, bewegte sich viel und spielte immer innerhalb der Musik. Er war kein fundierter, geerdeter Drummer – er hatte einen völlig anderen Stil als ich. In ge­wisser Weise war er das Rockgegenstück zu Tony Williams, der als einfluss­reicher­ Jazzdrummer vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Miles Davis berühmt geworden war.“

      Simon Phillips spielte gleichwohl ähnlich variabel, aber auf präzise Weise unvorhersehbar. Oft begannen seine Wirbel auf dem zweiten Schlag und endeten­ zum ersten oder dritten Schlag des Folgetakts. Für Pete, der sämt­liche Spielarten der Unterhaltungsmusik in seine Kompositionen einbezog, war Phillips­ eigentlich der ideale Drummer (nach Keith Moon natürlich). Das glaubt auch Simon:

      „Petes Songs repräsentieren meinen Stil wahrscheinlich am besten. Bei manchen Stücken braucht man eine Weile, bis man heraus hat, wie man sie am besten angeht, andere spielen sich sozusagen wie von allein. Das liegt eindeutig an Petes Art und Weise, Songs zu schreiben. Ich erinnere mich daran, dass ich mir seine Demos anhörte und sagte: ‚Und? Was soll ich da noch machen? Hört sich für mich schon ziemlich fertig an.‘ Er freute­ sich über mein Kompliment, war fast verlegen, wollte aber auf jeden Fall, dass ich alles auf meine Weise einspielte. Wir spielten es live ein, mit Rabbit am Klavier, Tony Butler am Bass und Pete an der Gitarre­ – traumhaft!“

      Pete spielte nicht nur Gitarre und Keyboards und programmierte die Synthesizer, während Rabbit die eher traditionelle Tastenarbeit am Klavier übernahm – er sang auch alle Titel selbst, was für ihn keine Selbstverständlichkeit war: „Ich hatte zwar immer eine ganz nette Stimme“, meint er selbstkritisch, „aber ich bildete mir wenig darauf ein, bis Chris Thomas, der Produzent meines ersten Soloalbums, fragte: ‚Warum singst du nicht einfach drauflos?‘ Ich antwortete: ‚Weil ich wie Andy Williams klinge‘, ein populärer amerikanischer Enter­tainer. Chris meinte bloß: ‚Na und?‘ Und so klinge ich eben wie Andy Williams – er hat eine wunderschöne Stimme.“

      Wer sich das fertige Album unvoreingenommen anhört, muss konstatieren, dass einige Songs von Empty Glass in der Tat einen merklich stärkeren ­Eindruck hinterlassen als Who-Songs der gleichen Ära. Sie sind komplexer, experimentierfreudiger, mutiger und engagierter, und zwar nicht nur in Bezug auf das Arrangement und die Komposition an sich, sondern auch, weil sie schlichtweg hervorragend eingespielt wurden, mit Musikern, die sich Pete nach ­seinen­