Fast jeden Tag holte ich sie ab und nahm sie mit nach Hause, während meine Eltern noch auf der Arbeit waren. Wir hörten Moving Pictures von Rush oder Scary Monsters von David Bowie, und da ich nun ein wenig besser wusste, wie man seinen Orgasmus unter Kontrolle hält, hatten wir auch normalen Teenager-Sex. Sie verpasste mir jede Menge Knutschflecken, und bald war mein Hals so wund, dass ich ihn kaum noch bewegen konnte. Aber da ich meine Blessuren in der Schule wie Ehrenabzeichen vor mir hertragen konnte, hatte ich natürlich nichts dagegen. Sie schluckte sogar alles runter, was mir noch einen Grund mehr zum Prahlen gab. Eines Tages brachte sie mir eine blaue, glitzernde Haarschleife mit, die einem Chippendale sicher gut gestanden hätte. Ich glaube, sie wollte ein Rollenspiel ausprobieren, aber »Dungeons & Dragons« war damals noch das Einzige, was ich in dieser Richtung kannte.
Nachdem wir eine Woche rumgefickt hatten, hörte Louise auf, sich bei mir zu melden. Ich hatte Angst, dass sie schwanger war, denn ich hatte nicht immer ein Kondom verwendet. Unwillkürlich musste ich mir vorstellen, wie sie von ihrer Mutter ins Kloster geschickt und gezwungen wurde, ihr – unser – Kind zur Adoption freizugeben. Vielleicht würde Louise mich dazu verdonnern, mein ganzes Leben lang Alimente zu zahlen. Es gab natürlich auch die Möglichkeit, dass sie eine Abtreibung gemacht hatte, sie nach einem Kunstfehler gestorben war und mich ihre Eltern nun ermorden wollten. Als ich mehrere Wochen nichts mehr von ihr gehört hatte, beschloss ich, sie ein letztes Mal anzurufen, und meine Stimme, nur für den Fall, dass ihre Eltern dran sein würden, mit einem Stoffstück über dem Hörer unkenntlich zu machen. Glücklicherweise ging sie selbst ans Telefon.
»Es tut mir leid, dass ich dich so lange nicht angerufen habe«, entschuldigte sie sich. »Ich war krank.«
»Wie krank?«, fragte ich panisch. »Du hast doch kein Fieber, nicht wahr? Musst du dich morgens übergeben oder so?«
Es stellte sich heraus, dass sie eine Prostituierte war und ein fester Freund ihren Ruf ruinieren könnte. Das hat sie so nicht gesagt, aber das war es wohl, was sie wirklich meinte.
Wenige Tage später, während des Mathematikunterrichts, fingen meine Eier an zu jucken. Das ging den ganzen Tag so weiter, und dieses Gefühl breitete sich über meine Schamhaare aus. Als ich nach Hause kam, ging ich direkt ins Badezimmer, ließ meine Hose herunter und stellte mich auf den Abfluss, um mich zu untersuchen. Sofort entdeckte ich drei oder vier schwarze Tierchen an meinem Schwanz. Ich nahm eins davon in die Hand, und als ich es mir genauer anschaute, trat ein wenig Blut aus.
Ich dachte immer noch, dass es sich um ein Stück tote Haut handeln würde, aber als ich es näher ans Licht hielt, bemerkte ich, dass es Beine hatte – und dass sie sich bewegten. Ich schrie laut auf, völlig angeekelt und geschockt. Dann warf ich das Tierchen in den Abfluss, aber es spritzte nicht, wie ich es erwartet hatte. Ich hörte nur ein leises Knirschen, wie das Geräusch von einem Schalentier. Da ich es nicht besser wusste, lief ich damit zu meiner Mutter und fragte sie, was das sein könnte.
»Na ja, du hast Läuse«, seufzte sie gutmütig. »Die hast du dir wahrscheinlich auf der Sonnenbank geholt.«
So schmachvoll es auch sein mag, so etwas zuzugeben – aber damals ging ich tatsächlich regelmäßig ins Sonnenstudio. Ich hatte fürchterliche Komplexe, denn mein Gesicht war von einer Akne völlig zugeschwollen, bis mir ein Hautarzt erzählte, dass es einen neuen Typ von Sonnenbank geben sollte, der meine Haut austrocknen und so meine sozialen Kontakte ganz entschieden verbessern könnte.
Meine Mutter wollte offenkundig nicht wahrhaben, dass ihr Sohn junge Mädchen gevögelt und sich dabei Filzläuse zugezogen hatte. Selbst mein Vater hatte größte Schwierigkeiten, sich diese Tatsache einzugestehen, obwohl er mir immer versprochen hatte, dass wir den Tag, an dem ich zum ersten Mal mit einer Frau geschlafen haben würde, mit einer Flasche Champagner feiern werden. Als er noch bei K-Mart arbeitete, hatte er genau für diesen Anlass eine beiseite gelegt. Aber wahrscheinlich war er einfach enttäuscht, denn seit ich an der Junior High School die Welt der Titten für mich entdeckt hatte, wartete er nur darauf, mich zu einer Prostituierten mitnehmen zu können, bei der ich meine Jungfräulichkeit verlieren würde. Von daher schien es mir ratsam, bei der Sonnenbankgeschichte einfach mitzuspielen.
Meine Mutter kaufte mir eine Flohkur. Ich konzentrierte mich lieber auf die Filzläuse und schnitt mir im Badezimmer heimlich die Schamhaare ab (ich war es damals noch nicht gewohnt, Körperhaare zu rasieren).
Soweit ich weiß, habe ich seitdem keine Geschlechtskrankheit mehr gehabt. Und wahrscheinlich denken meine Eltern immer noch, dass ich Jungfrau bin.
* * *
Der Wurm wird verzaubert
John Crowell und ich standen oben auf dem Hügel, der sich direkt gegenüber von seinem Elternhaus befand. Wir schütteten eine Flasche Mad Dog 20/20 in uns hinein, nachdem wir einen älteren Typen dazu gebracht hatten, uns eine zu besorgen. Nun waren wir schon seit mehr als einer Stunde hier, ließen uns immer weiter voll laufen und starrten auf die verschlafene, ländliche Gegend herab. Unter der Drohung, dass es gleich regnen würde, war der Himmel graublau angelaufen, und die Wolken waren bis zum Platzen angeschwollen. Hin und wieder ergab sich die Gelegenheit, einem Auto nachzuschauen, das auf seinem Weg in die Zivilisation an uns vorbeisauste. Wir dösten in einem Zustand selbstzufriedener Benommenheit vor uns hin, bis uns auf einmal der Kies um die Ohren flog, als hätte sich gerade eine Explosion ereignet.
Ein grüner GTO, von einer Staubwolke fast völlig verdeckt, raste ohne Rücksicht auf Verluste die Auffahrt hoch und setzte schleudernd zum Halten an. Langsam öffnete sich die Tür, und ein Fuß in schwarzen Boots trat über die Schwelle. Weiter oben machte sich ein großer Hut bemerkbar, er saß auf einen Schädel, der so riesig war, dass sich die Haut fast unerträglich spannte. Das Haar hing lockig und zerzaust die Schultern herunter. Die Augen waren tief im Kopf versunken, wie Nadelstiche im Zentrum zweier dunkler Kreise. Als er wieder verschwunden war, stellte ich fest, dass seine Hände, seine Füße, sein Rumpf, ähnlich wie bei Richard Ramirez, dem Night Stalker, auf seltsame Weise vergrößert und verlängert wirkten. Der Rücken seiner Overall-Jacke war mit dem universellen Symbol der Rebellion geschmückt: einem Marihuanablatt.
Mit seiner rechten Hand zog er eine Pistole aus dem Hosenbund. Er hob den einen Arm wild in die Luft und peitschte einen Schuss nach dem anderen aus der Waffe. Durch den Rückschlag wurde sein Arm immer mehr in unsere Richtung gerissen. Als das Magazin endlich leer war, kam er auf uns zu. Ich stand immer noch völlig perplex da, er schubste mich zu Boden, versetzte John einen Stoß und schnappte sich die Mad-Dog-Flasche. Innerhalb weniger Sekunden hatte er sie leer getrunken und warf sie ins Gras. Während er sich mit einem Ärmel seines Overalls den Mund abwischte, murmelte er etwas vor sich hin, das ungefähr wie der Text von Ozzy Osbournes Song »Suicide Solution« klang, und ging ins Haus.
»Das ist mein Bruder, Alter«, sagte John. Sein Gesicht, das noch vor wenigen Momenten blass vor Schreck gewesen war, leuchtete voller Stolz.
Wir folgten ihm nach oben und beobachteten, wie er die Tür seines Zimmers zuknallte und den Schlüssel umdrehte. John war es unter der Androhung einer äußerst schmerzhaften Strafe verboten, auch nur einen Fuß hineinzusetzen. Aber er wusste, was da drinnen angesagt war: schwarze Magie, Heavy Metal, Selbstverstümmelung, Drogenkonsum. Wie der Keller meines Großvaters spiegelte auch dieses Zimmer meine Ängste und meine Begierden wider. Und obwohl ich mich fürchtete, wollte ich unbedingt sehen, was sich hinter der Tür verbarg.
In der Hoffnung, dass der Bruder später am Abend das Haus verlassen würde, gingen John und ich nach draußen in die Scheune (oder vielmehr in den hölzernen Torso dessen, was in seinem früheren Leben einmal eine Scheune gewesen war), denn dort hatten wir eine Flasche Southern Comfort versteckt.
»Willst du etwas wirklich Cooles sehen?«, fragte John.