The Long Hard Road Out Of Hell. Neil Strauss. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Neil Strauss
Издательство: Bookwire
Серия: Kulturstudien - Culturel Studies
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454120
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ich war definitiv der Hauptverdächtige, das wurde mir klar, als Miss Cole meine Eltern in die Schule bestellte. Der Dildo fand keine Erwähnung; stattdessen hielt sie ihnen lange Vorträge darüber, dass der jugendliche Kriminelle, den sie aufgezogen hatten, zur Disziplin gebracht und ihm die nötige Ehrfurcht vor Gott eingeimpft werden müsse. Das war der Punkt, an dem ich erkannte, dass sie mich niemals von selbst rauswerfen würden. Die Hälfte der Kids, die auf die Heritage Christian School gingen, kamen aus einkommensschwachen Familien, und die Regierung zahlte der Schu­le eine lächerliche Summe, damit sie dort aufgenommen werden. Ich war eines der Kinder, deren Eltern zahlen konnten, und dieses Geld wollten sie haben – selbst wenn das hieß, dass sie sich mit meinen Dildos, Heavy-Metal-Kassetten, Süßigkeiten, Schundmagazinen und schmutzigen Tonbandauf­nahmen herumschlagen muss­ten. Ich begann einzusehen, dass ich meinen eigenen freien Willen entwickeln musste, um dieser Lehranstalt zu entkommen. Zwei ­Mo­nate, nachdem ich in die zehnte Klasse versetzt worden war, setzte ich genau diesen Plan in die Tat um.

      3.: Teenie-Stümper

      »Ich kenne ein paar neue Tricks«, sagte die Katze mit dem Hut. »Viele gute Tricks. Ich werde sie dir zeigen. Deine Mutter wird nichts dagegen haben.«

      Dr. Seuss, »The Cat In The Hat«

      Ich lag auf meinem Bett, die Arme um den Hals verschränkt, darunter meine braunen, schulterlangen Haare, und lauschte dem Summen der Waschmaschine im Keller meines Elternhauses. Es war meine letzte Nacht in Canton, Ohio. Ich hatte beschlossen, sie allein zu verbringen, und so ließ ich die vergangenen drei Jahre, die ich auf der Public School verbracht hatte, an mir vorüberziehen. Für den Umzug nach Fort Lauderdale war alles ge­packt: Platten, Poster, Bücher, T-Shirts, Zeitschriften, Fotos, Liebesbriefe und Hassbriefe. Die christliche Erziehung hatte mich auf die Public School gut vor­bereitet. Sie hatte die Tabus definiert, mir das Verbotene direkt vor die Nase gehalten, nur einen Armbreit von mir entfernt, und auf diese Weise ein unstillbares Verlangen in mir geweckt. Als ich die Schule wechselte, hatte ich nur noch zugreifen müssen. Sex, Drogen, Rockmusik, das Okkulte: Danach musste ich nicht mehr suchen. Es hatte mich längst erreicht und mich in seinen Bann gezogen.

      Ich war immer der Überzeugung, dass das Individuum klug ist. Dumm ist nur die Masse. Und es gibt wenige Dinge, die einem das deutlicher vor Augen führen, als Kriege, organisierte Religion, Bürokratie und die High School, an der gnadenlos die schweigende Mehrheit regiert. Ich kann mich noch gut erinnern, wie alles, was ich während meiner ersten Tage an der Public School zu sehen bekam, nur Zweifel und eine niederschmetternde Unsicherheit in mir auslöste. Selbst ein einzelner Pickel reichte damals schon aus, um mein Leben aus dem Gleichgewicht zu bringen. Bis zu meinem letzten Schultag hatte ich kein Selbstvertrauen und keinen Selbstrespekt, ja nicht einmal eine blasse Ahnung, was Individualität eigentlich bedeuten könnte.

      Während dieser letzten Nacht in Canton wurde mir klar, dass Brian Warner im Sterben lag. Man hatte mir die Chance gegeben, noch einmal neu geboren zu werden, vielleicht zum Guten, vielleicht zum Schlechten, aber definitiv an einem anderen Ort. Hatte mich die High School verdorben? Oder hatte sie mich erleuchtet? Vielleicht stimmte beides, und Verdorbenheit und Er­leuch­tung waren voneinander nicht zu trennen.

      * * *

      Die Initiation des Wurms

      Nach meiner zweiten Woche in der Public School wusste ich, dass ich verloren war. Ich hatte gerade erst acht Tage in der neuen Klasse verbracht, da musste ich mich gleich wieder krankschreiben lassen, denn ich hatte eine allergische Reaktion auf ein Antibiotikum entwickelt, das ich gegen eine Grippe nahm. Meine Hände und Füße blähten sich wie Ballons auf, an meinem ganzen Hals breitete sich ein roter Ausschlag aus, und meine Lungen waren so angeschwollen, dass ich Schwierigkeiten hatte zu atmen. Später sagten mir die Ärzte, dass ich daran hätte sterben können.

      Zu diesem Zeitpunkt hatte ich an der Schule bereits einen Freund und einen Feind. Der Freund hieß Jennifer. Sie sah eigentlich ganz hübsch aus, aber leider hatte sie einen Fischkopf mit wulstigen Lippen, die durch ihre Zahnklammer noch mehr aufgeworfen wurden. Ich hatte sie im Schulbus kennen gelernt, und sie wurde meine erste »richtige« Freundin. Mein Feind war John Crowell, die Verkörperung von Vorstadt-Coolness schlechthin. Er war ein großer, dicklicher Hänger, der ständig in einer Overall-Jacke, einem Iron-Maiden-­T-Shirt und Bluejeans durch die Gegend lief. Aus der Hintertasche lugte ein Kamm mit einem riesigen Griff hervor, und sein Schritt saß ihm so eng, dass die Hose an den pikanten Stellen ausgebleicht war. Wenn er über das Schulgelände ging, traten sich die Kids gegenseitig auf die Füße, um ihm bloß nicht in die Quere zu kommen. Rein zufällig war er auch noch Jennifers Ex-Freund, was mich auf seiner Hassliste ganz weit nach oben katapultierte.

      Während der ersten Woche, die ich im Krankenhaus verbrachte, kam mich Jennifer fast jeden Tag besuchen. Ich überredete sie, mit mir in die kleine Kammer zu gehen (wo es dunkel war und sie meinen Ausschlag nicht sehen konnte), um mich dann erbarmungslos über sie herzumachen. Bis dahin war ich bei Frauen allerdings nicht sehr weit gekommen. Da war Jill Tucker, eine Pfarrerstochter mit blonden Haaren und schiefen Hasenzähnen, die ich auf dem Spielplatz an der christlichen Schule geküsst hatte. Aber das war in der vier­ten Klasse gewesen. Drei Jahre später verliebte ich mich fürchterlich unglücklich in Michelle Gill. Sie war ein süßes Mädchen mit einer schmalen, flachen Nase, braungelocktem Haar und einem großen Mund, der wie geschaffen dafür war, den Typen an der High School einen zu blasen. Meine Chancen bei ihr schwan­d­en sehr schnell, als wir eine Schulwanderung für wohltätige Zwecke unternahmen, während der sie versuchte, mir den Zungenkuss beizubringen. Weder verstand ich, was sie von mir wollte, noch hatte ich einen blassen Schim­mer, wie man das am besten anstellte, und so wurde ich, nachdem sie es überall herumerzählt hatte, zum allgemeinen Gespött der Schule.

      Obwohl mir jede Erfahrung fehlte, war ich entschlossen, in dieser Kammer mit Jennifer meine Jungfräulichkeit zu verlieren. Aber trotz aller Be­mühungen erlaubte sie mir nur, ihre flache Brust zu betatschen. Als ich nach einer Woche immer noch im Krankenhaus lag, war sie schon von mir gelangweilt und gab mir den Laufpass.

      Krankenhäuser und traumatische Erfahrungen mit Frauen, Sex und Genitalien waren mir zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als gut vertraut. Als ich vier war, schickte mich meine Mutter ins Krankenhaus, um meine Harnröhre vergrößern zu lassen. Sie war so eng, dass ich kaum richtig pinkeln konnte. Ich werde nie vergessen, wie der Arzt einen langen, rasiermesserscharfen Bohrer nahm und ihn durch meine Schwanzspitze in den Penis einführte. Noch Monate später hatte ich das Gefühl, als würde ich Benzin pissen.

      Eine Serie von Lungenentzündungen, die mir gleich drei lange Krankenhausaufenthalte bescherte, hatte mir die Grundschulzeit vermasselt. In der neunten Klasse landete ich schon wieder an diesem Ort. Wenige Stunden zuvor hatte ich mein Haar in Topform gebracht, meine ELO-Gürtelschnalle zusammenschnappen lassen und war in ein rosafarbenes Button-Down-Hemd geschlüpft. Nach längerer Abwesenheit wollte ich wieder mal einen Abstecher zur Rollschuhbahn machen. Ein Mädchen, dessen Namen ich längst vergessen habe, das mir aber durch ihr gekräuseltes Haar, ihre große Nase und ihre dick bemalten Augenbrauen in Erinnerung geblieben ist, fragte mich, ob ich mit ihr einen Paarlauf machen wollte. Als wir fertig waren, kam ein großer, schwarzer Typ mit dicken Brillengläsern, der hier in der Gegend unter dem Spitznamen Frog bekannt war, auf uns zu. Er drängte sie zur Seite und schlug mir, ohne ein Wort zu verlieren, fest und hart ins Gesicht. Ich brach zusammen, und er blickte auf mich herab und fauchte: »Du hast mit meiner Freundin getanzt.« Ich saß völlig benommen da, mit blutigem Mund und einer Vorderzahnreihe, die an einem roten Faden aus meinem Zahnfleisch heraushing. Wenn ich heute darüber nachdenke, dann gab es damals für mich eigentlich keinen Anlass, so verwundert zu tun. Was war ich nur für ein Weich­ei: An seiner Stelle hätte ich mir auch eins aufs Maul gegeben.

      Ich mochte das Mädchen nicht einmal, aber sie hätte mich beinahe um meine Sängerkarriere gebracht. In der Notaufnahme teilte man mir mit, dass ich einen bleibenden Schaden erlitten hatte. Bis auf den heutigen Tag leide ich unter einem TMJ-Syndrom (TMJ steht für »Temporomandibular Joint Syndrome«), einer Störung des Kiefergelenks, die bei mir ständig zu Kopfschmerzen und einem verspannten, entzündeten Kiefer führt. Stress und Drogen machen die Sache auch nicht besser.

      Irgendwie hat Frog meine Nummer