The Who - Maximum Rock I. Christoph Geisselhart. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Geisselhart
Издательство: Bookwire
Серия: The Who Triologie
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454151
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erhielt auch für eine weniger zeitaufwendige Beschäftigung mit den Beachcombers keine Freigabe von seiner Gattin.

      So kam es, dass das Quintett eine Suchanzeige in der Lokalzeitung aufgab und die örtliche Conservative Hall anmietete, um sich aus einer Reihe von Aspiranten, die sich auf die Annonce hin gemeldet hatten, den richtigen auszusuchen.

      Unter den sechs oder sieben jungen Männern, die mit ihren Drumkits zum Vorspielen erschienen waren, war auch ein mondgesichtiger Junge, der peinlicherweise von seinem Vater begleitet wurde. „Wir sind eine Männerband“, erklärten die Beachcombers dem nichtsdestotrotz euphorischen Teenie. „Du bist zu jung. Du würdest zu den Örtlichkeiten, an denen wir auftreten, nicht mal Zutritt kriegen.­ Komm in ein paar Jahren wieder.“

      Doch Keith Moon ließ sich nicht abwimmeln. Er wartete ab, bis der erste Drummer, der optisch den Ansprüchen der Gruppe zusagte, sein Schlagzeug in der Halle aufgebaut hatte – der Band gegenüber, damit man sich gegen­seitig­ genau begutachten konnte. Nach den ersten Takten war klar, dass man nicht zusammenpasste.

      Danach sahen die Beachcombers, dass sich der Knabe und sein Vater nicht vom Platz gerührt hatten. Die Prozedur wiederholte sich, Keith wurde aufgefordert, in einigen Jahren wieder zu kommen, während der nächste Drummer sein Instrumentarium installierte, beim Probespielen dann vergeblich versuchte, mit der Band Schritt zu halten, und schließlich abzog. Keith blieb weiter vor Ort. Vater Moon sagte: „Wir sind den ganzen Weg hergekommen, da könnt ihr es ihn wenig­stens mal probieren lassen.“

      „Er ist nicht alt genug fürs Autofahren“, wandte einer der Beachcombers ein. „In einer Profiband braucht man ein Auto.“

      „Kein Problem“, meinte Vater Moon, „ich fahre ihn. Ich kann euch alle ­fahren.­ Ich habe einen Transporter.“

      Das war nun allerdings das letzte, was sich die Mitglieder der Beachcombers, alle schon über zwanzig, gewünscht hätten: einen besorgten Daddy, der bei ihren Auftritten in Armeeklubs, Kneipen und verrauchten Tanzhallen ihren halbwüchsigen Drummer eskortierte. Doch als sich der letzte neben Moon verbliebene Kandidat ebenfalls als untauglich erwies, ließen sich die Musiker erweichen und gaben Keith seine Chance.

      Er baute sein glitzerndes silberblaues Schlagzeug, immerhin ein professionelles Premier, so schnell auf, dass alle staunten. Vor allem aber baute er es nicht der Band gegenüber auf wie alle Konkurrenten zuvor, sondern hinter der Band, als würde er schon dazu gehören.

      Mut hatte der Kleine, das musste man ihm lassen. Mal sehen, was er so draufhatte. Norman Mitchener schlug eine Rock’n’Roll-Nummer vor, die ein Bürschlein in Keiths Alter wohl kennen mochte, und zählte die Vier vor: „Es war, als würde eine Bombe hinter uns explodieren“, erzählt John Schollar, nach all den Jahren immer noch verblüfft. „Wir konnten kaum glauben, wie viel Lärm von diesem Knirps hinter den Trommeln ausging.“

      Die Gruppe rockte mit Keith durch den ersten Standard, durch den zweiten, den dritten, Chuck Berry, Elvis, Buddy Holly, die neueste Shadows-Single – Keith kannte alles. „Er sagte, ja, klar, kenne ich, und dann legte er los, vollkommen sicher und ohne zu patzen“, wundert sich Tony, der Bassist.

      Und Norman, der Bandleader, bestätigt: „Er war gut, und er war laut. Sein Spiel war irgendwie etwas Besonderes. Vor allem wie er die Snaredrum bearbeitete, sehr hart, sehr treibend.“

      „Wir kamen zu dem Schluss, dass er der Beste war“, sagt Ron. Und das war’s.

      Vater Moon fragte, ob er das Schlagzeug mit nach Hause nehmen sollte; aber die Musiker meinten, sie würden Keith später selbst heimbringen, und nach einer ausgiebigen Probe stand endgültig fest, dass Keith bei einer der bekanntesten Profi­bands von Nord-London die Schlagzeugstöcke übernehmen sollte.

      Die vielen Übungsstunden zuhause, mit Carlo, mit den Escorts und den Strangers­ hatten sich endlich ausgezahlt. Keith war in einer Band angekommen, die regelmäßig auftrat und ein eigenes Publikum hatte. Gleichwohl hatten alle Beachcombers gute Jobs und praktizierten ihr Musikerleben nur nach Feierabend. Ron Chenery, der Älteste, arbeitete als Ingenieur, die anderen drei waren Bauzeichner in der Ausbildung. Mit seinen sechzehn Jahren war Keith wieder einmal mit Abstand der Jüngste; aber die gefestigten Beachcombers stabilisierten auch sein Leben. Er behielt den Job bei British Gypsum länger als erwartet, bis in die Anfangszeit mit den Who sogar, und stieg zu einem ordentlichen Außendienstmitarbeiter auf.

      Wie bei allen Bands, in denen Keith mitspielte, wurde er auch für die Beachcombers bald so etwas wie das Maskottchen. Seine Kollegen konnten kaum fassen,­ wieviel Energie in diesem kleinen Kerl steckte. Es schien, als sei sein Leben eine bloße Verlängerung seines Schlagzeugspiels – genauso vital, unberechenbar, explosiv­ und kommunikativ. Ständig schnitt er Grimassen, blödelte, hüpfte, sprudelte, flitzte umher, und seine Neugier war sprichwörtlich. Wenn jemand einen Schrank aufmachte, stand er schon da und wollte wissen, was sich darin befand.

      Ron, der Sänger, war es schließlich, der Keith mit einem neuen Spitznamen ausstattete: „Schaut ihn euch an, wie ein verrücktes Wiesel.“

      Ein Wiesel in einem goldenen Anzug. Die Beachcombers traten in kupfer­braunen Anzügen auf, die sie bei Cecil Gee, dem Ausstatter der Stars, gekauft ­hatten. Der rausgeworfene Schlagzeuger hatte seinen Anzug unglücklicherweise mitgenommen. Doch als sich die Frage nach der Bühnenkleidung des Drummers stellte,­ verkündete der kleine Keith, das sei nun wirklich kein Problem: „Ich habe einen Anzug, der hervorragend zu euren passt. Und er ist auch von Cecil Gee.“

      Als Keith zur ersten Probe in seinem Goldlamé-Anzug aufkreuzte, blieb den vier Älteren die Spucke weg. Schon ihre Anzüge kamen ihnen ein wenig dick aufgetragen vor; aber gegen das Männlein im goldenen Gewand verblasste alles.

      Wenn man sich Gruppenfotos anschaut, wird sofort klar, warum Keith, der Kleinste und Jüngste, der Neue und zudem auf der Bühne immer der Hinterste,­ der zwischen Trommeln und Becken kaum sichtbar war, warum „Wease“, wie ihn fortan seine Bandkollegen nur noch nannten, keine Scheu zeigte, diesen unmöglichen güldenen Anzug mit Stolz und Begeisterung zu tragen. Es war einfach die beste und augenfälligste Lösung, sich von allen abzuheben und immer und ­überall, wo The Beachcombers auftraten, unter Garantie zum Mittelpunkt des Geschehens zu werden.

      Da Keith diesen Anspruch natürlich auch abseits der Bühne erfüllen wollte, durften sich die Beachcombers, ähnlich wie zuvor die Escorts und die Strangers, über die verrückteste Zeit ihres Lebens freuen.

      Zu Keiths wirkungsvollsten Streichen gehörten die Auftritte im Bauch eines Kulissenpferds. Keith hatte das lebensgroße und sehr echt aussehende Bühnentier aus Pappmaché nach einem Auftritt in der Wembley Arena umgehend adoptiert. Er kletterte hinein und trottete auf die Straße, um in einen Doppeldeckerbus einzusteigen, was der Fahrer gerade noch verhindern konnte, obwohl Keith mit Recht und zum Vergnügen der Passagiere darauf bestand, dass nirgendwo geschrieben­ stehe, Pferden sei der Zutritt verboten.

      Fortan tauchte das Pferd so ziemlich überall auf, wo die Beachcombers spielten, allerdings nie auf der Bühne. Nach der Show in Restaurants, im Offiziersklub des US-Stützpunkts, bei Partys, in Büros von Touragenten – keiner war davor gefeit, mit einem menschlichen Pferd Bekanntschaft zu machen, sobald er in die Nähe der Band geriet.

      Nachdem sie einmal bei einer Probe für die BBC-Radioshow Saturday Club durchgefallen waren und ihre Ausrüstung deprimiert zusammenpackten, schrie Keith: „Das Pferd!“ Und alle folgten ihm, der als Führer im Bauch eines wandelnden Theaterbilds voranging, zunächst zum Langham Hotel, wo das künstliche Huftier erfolglos um ein Zimmer bat, dann weiter zu den öffentlichen Toiletten, zwischen pinkelnden Gentlemen hindurch, und bis hin zum Piccadilly Circus, wo sich die Touristen in ihrer Erwartung, exzentrische Engländer zu erleben, zweifels­ohne bestätigt fühlen durften …

      „Wenn er in diesem Ding steckte“, erinnert sich John Schollar, „war er nicht mehr Keith Moon. Er verhielt sich dann wie ein Pferd.“

      Keith, der Schauspieler und Komödiant, war, im Gegensatz zu Keith, dem Trommler, tatsächlich ein reines Naturtalent. Für diese Art von Auftritten brauchte­ er nichts, was er nicht schon besaß: Witz, Mut, Lust an der Zuschaustellung und Neugier auf die Reaktionen