Big Ideas. Das Politik-Buch. John Farndon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: John Farndon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783831082599
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dass es der Mehrheit dazu an Vernunft fehle. Daraus folgt, dass nicht das Volk regieren sollte, sondern ein gerechter Monarch oder eine Aristokratie. Thomas von Aquin war jedoch bewusst, dass Bestechlichkeit eine Gefahr darstellen könnte, und trat daher für eine Form der gemischten Verfassung ein. Überraschenderweise verwarf er nicht die Möglichkeit eines legitimen, nicht christlichen Herrschers – obwohl er glaubte, dass der Staat existierte, um das christliche Leben zu befördern. Doch auch ein heidnischer Herrscher kann, so dachte er, in Übereinstimmung mit den menschlichen Gesetzen gerecht regieren, indem er den Bürgern erlaubt, ihre Vernunft zu entwickeln und daraus eine Moral abzuleiten. Wenn sie dann nach dem Naturgesetz lebten, würden sie am Ende zu einer christlichen Gesellschaft werden.

       Ein radikaler Denker

      Von unserem heutigen Standpunkt aus gesehen könnte der Eindruck entstehen, dass Thomas von Aquin lediglich die politischen Theorien des Aristoteles wiederentdeckt hat. Doch vor dem Hintergrund des mittelalterlichen Christentums sind seine Ansichten als radikale Veränderung im politischen Denken zu bewerten: Er hinterfragte die traditionelle Macht der römischkatholischen Kirche. Trotzdem wurden seine Ideen, dank seiner Gelehrsamkeit und seiner Frömmigkeit, bald von der etablierten Kirche akzeptiert und bilden bis heute die Grundlage für einen großen Teil der katholischen politischen Philosophie.

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      Thomas von Aquins Ansichten über die Voraussetzungen für einen gerechten Krieg (richtige Absicht, Autorität und gerechter Anlass) gelten noch heute und motivieren Kriegsgegner.

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      Die Vereinten Nationen wurden 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Absicht gegründet, den Weltfrieden zu erhalten und für jene Prinzipien einzutreten, die Thomas von Aquin »Naturgesetz« genannt hätte.

      Die Prinzipien für einen gerechten Krieg – richtige Absicht, Autorität des Herrschers und gerechte Sache – passen ganz klar zu Thomas von Aquins allgemeinen Vorstellungen von politischer Gerechtigkeit auf Grundlage des Naturrechts und des Prinzips der Vernunft, sie haben weniger mit dem göttlichen Recht zu tun. Mit seinen Ideen hat Thomas von Aquin viele spätere Theorien zum gerechten Krieg beeinflusst und seine Gedanken zum Naturgesetz wurden von Theologen und Juristen übernommen. Im Lauf der Jahrhunderte rückte das menschliche Gesetz und der damit verbundene Konflikt zwischen der Kirche und den weltlichen europäischen Mächten immer stärker in den Blick, weil immer mehr Nationalstaaten ihre Unabhängigkeit vom Papsttum forderten. image

       Thomas von Aquin

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      Thomas von Aquin, wurde in Roccasecca (Italien) geboren und in Monte Cassino und an der Universität von Neapel ausgebildet. Er sollte Benediktinermönch werden, doch 1244 trat er in den neuen Dominikanerorden ein. Ein Jahr später ging er nach Paris. Um 1259 unterrichtete er in Neapel, Orvieto und Santa Sabina; außerdem war er päpstlicher Berater in Rom.

      1269 wurde Thomas von Aquin nach Paris zurückgeschickt, vielleicht wegen eines Streites über die Verträglichkeit der Philosophien von Averroes und Aristoteles mit der christlichen Lehre. 1272 gründete er eine neue dominikanische Universität in Neapel. Hier führte eine mystische Erfahrung dazu, dass ihm alles, was er geschrieben hatte, »wie Stroh« vorkam. 1274 wurde er als Berater nach Lyon gerufen, doch er starb nach einem Unfall auf dem Weg dorthin.

       Hauptwerke

      1254–1256 Sentenzenkommentar

      um 1258–1260 Summa contra gentiles

      1267–1273 Summa theologica

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      POLITISCH LEBEN BEDEUTET, IN ÜBEREINSTIMMUNG MIT GUTEN GESETZEN ZU LEBEN

      AEGIDIUS ROMANUS (UM 1243–1316)

       IM KONTEXT

      IDEENLEHRE

       Konstitutionalismus

      SCHWERPUNKT

       Die Herrschaft des Gesetzes

      FRÜHER

      um 350 v. Chr. In seiner Politik sagt Aristoteles, der Mensch sei von Natur aus ein »politisches Wesen«.

      13. Jh. Thomas von Aquin verbindet die Vorstellungen des Aristoteles mit dem christlichen Denken.

      SPÄTER

      1328 Marsilius von Padua stellt sich in der Auseinandersetzung mit Papst Johannes XXII. auf die Seite der weltlichen Macht.

      um 1600 Francisco Suárez plädiert in Tractatus de legibus gegen das Gottesgnadentum der Könige.

      1651 Thomas Hobbes spricht sich im Leviathan für einen Gesellschaftsvertrag zum Schutz der Bürger aus.

      Die Lehren des griechischen Philosophen Aristoteles wurden von der Kirche im 13. Jahrhundert akzeptiert, vor allem wegen der Werke des Dominikanerpriesters Thomas von Aquin. Sein Protégé Aegidius Romanus schrieb wichtige Kommentare zu Aristoteles’ Werken und entwickelte die Vorstellung weiter, dass der Mensch ein »politisches Wesen« sei, ein Gemeinschaftswesen.

      Für Aegidius Romanus bedeutete »politisch leben«, als Teil einer Gesellschaft zu leben. Das sah er als notwendige Voraussetzung für ein tugendhaftes Leben an. Denn Zivilgesellschaften würden von Gesetzen regiert, die für die Moral ihrer Bürger sorgten. Er war der Auffassung, dass gute Gesetze Tugenden wie Gerechtigkeit durchsetzen sollten. Mitglied einer Gesellschaft zu sein und damit politisch zu leben, hieß für ihn, diesen Gesetzen zu folgen. Wer das nicht tat, lebte außerhalb der Gesellschaft. Ihm zufolge ist es die Herrschaft des Gesetzes, die das politische Leben von der Tyrannei unterscheidet, der Tyrann grenzt sich aus der Gesellschaft aus, indem er das Gesetz nicht anerkennt.

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      König Philipp IV. von Frankreich ließ die päpstliche Bulle Unam Sanctam verbrennen – sie sollte ihn zwingen, sich dem Papst zu unterwerfen. Für dieses Prinzip trat auch Aegidius Romanus ein.

      Aegidius Romanus glaubte, dass eine Erbmonarchie die beste Form sei, eine politische Gesellschaft zu regieren. Dennoch war seine Loyalität als Erzbischof zwischen Kirche und weltlicher Macht geteilt. Schließlich schlug er sich auf die Seite des Papstes und erklärte, Könige sollten sich der Kirche unterwerfen. image

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      DIE KIRCHE SOLLTE ES CHRISTUS GLEICHTUN UND IHRE WELTLICHE MACHT AUFGEBEN

      MARSILIUS VON PADUA (1275–1343)

       IM KONTEXT

      IDEENLEHRE

       Säkularismus

      SCHWERPUNKT

       Rolle der Kirche

      FRÜHER

      um