Big Ideas. Das Politik-Buch. John Farndon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: John Farndon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783831082599
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1300 Aegidius Romanus betont die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit in einer bürgerlichen Gesellschaft.

      1651 Thomas Hobbes spricht sich für einen Sozialvertrag aus, damit die Menschen nicht im anarchischen Naturzustand leben müssen.

      Das antike Griechenland war kein Nationalstaat, wie wir ihn heute kennen, sondern eine Ansammlung unabhängiger Regionalstaaten mit städtischen Zentren. Jeder Stadtstaat oder jede Polis hatte eine eigene Verfassung: In Makedonien beispielsweise herrschte ein König, während es andernorts, insbesondere in Athen, eine Demokratie gab, bei der zumindest einige der Bürger an der Regierung beteiligt waren.

      Aristoteles, der in Makedonien aufwuchs und in Athen studierte, war mit der Vorstellung der Polis und ihren verschiedenen Ausprägungen vertraut. Sein analytisches Denken ermöglichte es ihm, die Vorzüge des Stadtstaates zu untersuchen.

      Eine Zeitlang lebte Aristoteles in Ionien, wo er Tiere und Pflanzen klassifizierte. Später wendete er seine Fähigkeiten im Kategorisieren auf Ethik und Politik an. Anders als sein Mentor Platon glaubte Aristoteles, Wissen würde durch Beobachtung erworben, weniger durch Schlussfolgern. Er meinte daher, die Wissenschaft der Politik sollte auf empirischen Daten beruhen.

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       Von Natur aus sozial

      Aristoteles bemerkte, dass Menschen eine natürliche Tendenz haben, soziale Einheiten zu bilden: Einzelne tun sich zusammen, um Haushalte zu bilden, aus Haushalten entstehen Dörfer und Dörfer bilden Städte. So wie manche Tiere in Kolonien oder Herden leben, sind Menschen von Natur aus sozial. »Der Mensch ist von Natur aus ein soziales, politisches Wesen«, sagte Aristoteles und meint damit, dass es in der Natur des Menschen liegt, in einer Gemeinschaft zu leben. Eine natürliche Tendenz zur politischen Aktivität im modernen Wortsinn nahm er jedoch nicht an.

      Der Gedanke, dass wir dazu neigen, in großen Gemeinschaften zu leben, mag heute wenig erhellend wirken. Doch damit stellte Aristoteles ausdrücklich fest, dass die Polis genauso eine Schöpfung der Natur ist wie ein Ameisenhaufen. Für ihn war es unvorstellbar, dass Menschen auf andere Weise leben könnten. Er sieht die Gesellschaft nicht als künstliche Einrichtung, die uns einem weniger zivilisierten Zustand entreißt. Jeder, der außerhalb der Polis lebt, so glaubte er, sei nicht menschlich – er müsse entweder dem Menschen überlegen sein (also ein Gott) oder ihm unterlegen (also ein Tier).

       Das gute Leben

      Dass Aristoteles die Polis für natürlich hält, passt zu seinen Vorstellungen von Ethik und Politik des Stadtstaates. Durch das Studium der Natur hat er für sich die Erkenntnis gewonnen, dass alles, was existiert, einen Zweck oder ein Ziel hat. Für die Menschen besteht dieser Zweck darin, ein »gutes Leben« zu führen. Das heißt für Aristoteles: Sie sollen nach den Tugenden wie Gerechtigkeit, Güte und Schönheit streben. Die Polis soll es ermöglichen, im Einklang mit diesen Tugenden zu leben. Die alten Griechen sahen die Struktur des Staates, in der die Menschen zusammenleben und ihre Freiheit als Bürger geschützt wird, als den passenden Rahmen dafür.

      Aristoteles identifizierte verschiedene Arten der Polis. Er stellte fest, dass der Mensch sich durch die Macht der Vernunft und die Fähigkeit der Sprache von anderen Wesen unterscheidet. Dies ermöglicht es ihm in einzigartiger Weise, soziale Gruppen zu bilden. Innerhalb der Gemeinschaft einer Polis entwickeln die Bürger eine Organisation, die für Sicherheit, wirtschaftliche Stabilität und Gerechtigkeit sorgt. Und das geschieht nicht in aufgezwungener Weise durch einen Sozialvertrag, sondern weil es in der Natur der Menschen liegt, so zu handeln.

      Aristoteles sah verschiedene Möglichkeiten, das Leben in der Polis zu gestalten – dabei ging es nicht darum, dass die Menschen zusammenleben können (das tun sie von Natur aus), sondern dass sie gut leben können. Wie gut ihnen das gelingt, hängt von der Regierungsform ab, die sie wählen.

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      Im antiken Athen diskutierten die Bürger politische Angelegenheiten auf einem Hügel namens Pnyx. Aristoteles sah es als notwendig für eine gesunde Gemeinschaft an, dass die Bürger aktiv an der Regierung teilnahmen.

      »Das Gesetz ist die Ordnung und das gute Gesetz ist die gute Ordnung.«

       Aristoteles

       Staatsformen

      Aristoteles beschäftigte sich umfassend mit der natürlichen Welt. Für seine späteren Werke, vor allem die Politik, übertrug er die Methoden, die er dabei zur Klassifikation verwendet hatte, auf die Analyse von Staatsformen. Während Platon theoretisch argumentiert hatte, wenn es um die ideale Regierungsform ging, untersuchte Aristoteles bestehende Staaten auf ihre Stärken und Schwächen. Dazu stellte er zwei einfache Fragen: Wer regiert und in wessen Sinn regiert er?

      Seine Antwort auf die erste Frage war, dass es im Grunde drei verschiedene Herrschaftsformen gibt: durch den Einzelnen, durch einige wenige oder durch die Vielen. Und seine Antwort auf die zweite Frage lautet so: Herrschaft kann entweder im Interesse der Gesamtbevölkerung stattfinden, das ist die gute oder wahre Form der Regierung. Oder aber sie geschieht im Eigeninteresse der Herrschenden, das ist eine entartete Form der Regierung.

      Insgesamt identifiziert Aristoteles sechs Staatsformen. In der Monarchie herrscht ein Einzelner im Interesse aller; die Herrschaft des Einzelnen im Eigeninteresse ist die Tyrannis. Die Aristokratie (für die Griechen die Gruppe der Besten, nicht unbedingt ein Erbadel) sah er als die Herrschaft einiger weniger zum Wohle aller; die Oligarchie oder Herrschaft einiger weniger im Eigeninteresse ist die dazugehörige »verfälschte« Form. Schließlich ist die Politie die Herrschaft der Vielen zum Wohle aller. Aristoteles sah in der Demokratie die entartete Form der Politie, weil sie in der Praxis dazu führt, dass im Interesse der Vielen geherrscht wird und nicht im Interesse jedes Einzelnen.

      Aristoteles war der Ansicht, dass das Eigeninteresse, das den unvollkommenen Regierungsformen innewohnt, zu Ungleichheit und Ungerechtigkeit führt. Das wiederum bringt einen Mangel an Stabilität mit sich, was die Rolle des Staates und seine Fähigkeit, das tugendhafte Leben zu befördern, gefährdet. In der Praxis fielen die Stadtstaaten, die Aristoteles untersuchte, nicht immer in eine Kategorie, sondern wiesen Merkmale verschiedener Staatsformen auf.

      Obwohl Aristoteles die Polis als einen einzigen »Organismus« betrachtete, von dem die Bürger nur ein Teil sind, hat er auch die Rolle des Einzelnen im Stadtstaat untersucht. Dabei betonte er wieder die natürliche Neigung des Menschen zur sozialen Interaktion und definierte den Bürger als jemanden, der an der Struktur der bürgerlichen Gesellschaft teilhat – nicht nur durch Wahlen, sondern aktiv durch sein Handeln. Wenn die Teilhabe innerhalb einer »guten« Regierungsform stattfindet (Monarchie, Aristokratie oder Politie), verstärkt dies die Möglichkeiten des Bürgers, ein tugendhaftes Leben zu führen. In einer mangelhaften Staatsform (Tyrannis, Oligarchie oder Demokratie) hingegen bekommt es der Bürger mit dem Eigeninteresse des Herrschers oder der herrschenden Klasse zu tun – mit dem Streben nach Macht des Tyrannen, dem Streben nach Reichtum der Oligarchen oder dem Streben nach Freiheit der Demokraten. Von allen möglichen Staatsformen, so schlussfolgert Aristoteles, biete die Politie die besten Bedingungen, um ein gutes Leben zu führen.

      »Die Grundlage des demokratischen Staates ist die Freiheit.«

       Aristoteles

       Die sechs Staatsformen nach Aristoteles

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      Obwohl Aristoteles die Demokratie für unvollkommen hielt, setzte er sie hinter der Politie an zweite Stelle. Sie sei besser