Please Kill Me. Gillian McCain. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gillian McCain
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454236
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vorher noch nie einen Mann gesehen, der einen Patronengurt trägt. Sogar die Mädchen trugen so ein Teil. Und meinten es vollkommen ernst!

      Wayne Kramer: Eines Tages lief ich auf unser Haus zu und ich hörte nur KABUMM! Und kurz darauf dieses Sirenengeheul nur ein paar Häuserblocks entfernt. In diesem Augenblick kam John Sinclairs Freund Pun auf seinem Fahr­rad angefahren und umarmte seine Freundin Genie auf zünftig revolutionäre Art.

      Pun war ein harter Bursche. Er war gerade wegen Drogenbesitz aus dem Knast entlassen worden und war auch sonst ziemlich ruppig. Pun benutzte stän­dig diese Linke­Flügel­und aktuelle Ersatzpolitik­Rhetorik. Er wurde der Ver­teidigungsminister der White Panther Party.

      Ich fragte Pun: „Was hast du da gerade in die Luft gejagt?“ Er flüsterte:„Die CIA.“

      „Mach nur weiter so! Alle Macht dem Volk!“

      Er hatte eine Bombe in das Rekrutierungsbüro der CIA in der University of Michigan geschmissen. Getötet wurde niemand. Die Bombe hatte nur ein Loch im Bürgersteig und viele verstörte Leute zurückgelassen.

      Iggy Pop: John Sinclair sagte immer: „Man muss sich mit den Leuten zusam­mentun!“ Es war immer dasselbe. AAAACH, DIE LEUTE? O Mann, was soll der Scheiß? Hau bloß ab mit so einem Blödsinn! Die Leute scheißen drauf.

      Aber Sinclair sagte dauernd: „Wir wollen die Jugend politisieren!“ Doch die Kids sagten bloß: „WIE BITTE? Gib mir lieber was zu Kiffen.“ Ihnen ging das am Arsch vorbei. So sah das nämlich in Wirklichkeit aus.

      John Sinclair: Lumpenhippies. So sahen unsere Leute aus. So war die White Panther Party. Wir waren das Sprachrohr der Lumpenhippies, genauso, wie die Blank Panther Party das Sprachrohr des Lumpenproletariats war – besser gesagt: das Sprachrohr der Arbeiterklasse ohne Arbeit.

      Meine Texte, die ich damals verfasste, waren haargenau auf die Lumpen­hippies zugeschnitten, bis zu dem Punkt, wo meine Arbeit von den etwas bele­seneren Arschlöchern, die aus dem SDS kamen, lächerlich gemacht wurde. In deren Augen waren wir die letzten Hampelmänner.

      Iggy Pop: In puncto Selbstironie gingen MC5 sogar noch einen Schritt weiter. Sie waren nämlich eine Parodie. Sie führten sich nämlich auf wie schwarze Schlägertypen mit Gitarre. In Detroit war es der Traum der weißen Kids, ein schwarzer Schlägertyp mit Gitarre zu sein und auch wie einer zu spielen.

      Die Stooges waren ja genauso – ein ziemlich niederträchtiges Pack, das aber sehr gut miteinander umging. Ich kann nicht beurteilen, wie politisch engagiert MC5 tatsächlich waren, aber möglicherweise habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Mich interessierte viel mehr, ob sie ihre Erdnussbutter mit mir teilen würden.

      Ja.

      Und manchmal musste ich drei oder vier Kilometer zu Fuß zum Trans­Love­Haus latschen, um mir dort ein Sandwich zu organisieren, und da habe ich nie zu hören bekommen: „Lass die Finger von unseren Sandwiches.“ Und ihre Freundinnen haben mir sogar meine Hosen geflickt.

      Das waren wirklich sehr angenehme Zeitgenossen – ein Haufen netter Menschen, deren Gesellschaft man sehr schätzte und die das örtliche Rekru­tierungsbüro der CIA in die Luft sprengten.

      Danny Fields: Ich weiß nicht, was die erwartet haben oder gegen wen sie sich zur Wehr setzen mussten, aber sie hatten für jeden Scheiß einen Minister. Einen Propagandaminister und einen Verteidigungsminister. Natürlich haben sie sich deshalb White Panther Party genannt, weil all ihre Vorbilder, sowohl in politi­scher wie auch musikalischer Hinsicht, radikale schwarze Politiker und Musiker waren. Bobby Seale und Huey Newton und Eldridge Cleaver waren ihre politi­schen, Albert Ayler, Sun Ra und Pharoah Sanders ihre musikalischen Helden.

      Man konnte das als eine vom Mittleren Westen geprägte Anarchieversion bezeichnen. Reißt die Mauern ein, verbannt die Regierung aus unserem Leben, raucht viel Dope, habt viel Sex und macht viel Krach.

      Wayne Kramer: Der offiziellen Parteilinie der Black Panther Party in Oakland zufolge waren wir „psychedelische Clowns“. Ihrer Meinung nach waren wir Idioten, mit denen sie absolut nichts zu tun haben wollten. Aber wir sind mit dem Black­Panther­Ableger in Ann Arbor bestens ausgekommen. Das waren Typen aus der Nachbarschaft, die immer zu uns kamen, um sich die Zeit zu ver­treiben und mit uns Schießen zu üben.

      Wir hatten alle diese M1 und Pistolen und Gewehre mit abgesägtem Lauf und sind immer in den Wald hinter das Haus gegangen und haben auf alles geballert, was uns in die Quere kam. Zack, zack, peng, peng, peng, bumm, bumm, bumm.

      Danach haben wir immer dieses Gesöff getrunken, das die Black Panthers als „Bitter Motherfucker“ bezeichnet haben. Es bestand aus einer halben Fla­sche Rose’s Lime Juice, die in eine Flasche billigen Portwein gekippt wurde. Wir hockten zusammen, haben Grass geraucht und dieses Zeug gesoffen und mit unseren Gewehren rumgeballert. Ich glaube, wir haben gedacht, eines Tages kommt es zu einem Kampf mit denen an der Macht, wenn wir uns mit diesen Schweinen eine Schießerei liefern.

      Vielleicht würden wir eines Tages auch umzingelt und nach draußen brül­len: „WIR WERDEN UNS NIEMALS ERGEBEN, BULLE, IST DAS KLAR? KKR! KKR! KKR! NIMM DAS, DU SCHWEIN! POW­POW­POW! ALLE MACHT DEM VOLK! KKR­KKR­KKR! DAS HIER IST FÜR DICH, DU UNTERDRÜCKERSCHWEIN!“

      Danny Fields: Natürlich haben die MC5 an dem Abend, als ich ihr Konzert besucht habe, den Grande Ballroom bis auf den letzten Platz gefüllt. Ihre Auf­machung war sensationell. Sie trugen alle Satin – und wirbelten wie die Derwi­sche umher. Es war ein grandioser Auftritt, aber sie haben die Grenzen des Rock ’n’ Roll trotzdem nicht gesprengt. Sie spielten einen angenehmen, bluesigen Rock ’n’ Roll. Da gab es nichts zu meckern. Ihre Energie war unbeschreiblich, und Wayne Kramer, geschäftstüchtig, wie er war, musste irgendwas gemerkt haben, denn am nächsten Tag sagte er zu mir: „Wenn dir unsere Musik gefallen hat, dann wird dir auch unsere Bruderband Iggy and the Stooges gefallen.“

      Ich glaube, er konnte meine eigenen musikalischen Vorlieben intuitiv ergründen. Also bin ich eines Sonntags, es war der 22. September 1968, auf den Cam­pus der University of Michigan gegangen, weil Iggy and the Stooges dort für die Studentenvereinigung ein Konzert gegeben haben. Was ich dort auf der Bühne gesehen habe, war einfach umwerfend. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der sich so bewegen und tanzen kann wie Iggy. Ich hatte noch nie erlebt, dass ein ein­ziger Mensch mit einer derart explosiven Energie geladen ist. Er war von der Musik getrieben, wie nur richtige Tänzer von Musik getrieben sein können.

      Das war die Musik, auf die ich mein ganzes Leben gewartet hatte.

      Iggy Pop: Wir waren fast am Ende unserer Show, und ich lief einfach nur auf der Bühne rum. Ich trug dieses Umstandskleid und hatte ein weiß geschmink­tes Gesicht und machte ziemlich unanständige Sachen, wie zum Beispiel auf die Leute spucken.

      Danny Fields: Ich ging auf Iggy zu, als er gerade die Bühne verließ, und sagte: „Ich bin von Elektra Records.“ Er sagte nur: „Yeah?“

      Er glaubte mir nicht. Er dachte wohl, ich wäre einer von diesen Hausmeis­tern oder sonst ein Idiot, weil vorher noch nie jemand zu Iggy gesagt hat: „Ich komme von einer Plattenfirma.“ Also sagte Iggy zu mir:„Dann solltest du mei­nen Manager kennen lernen.“ Das war der Beginn unserer Beziehung.

      Iggy Pop: Dieser Typ, dieser Danny Fields, sagte also zu mir: „Du bist ein Star!“ Das war fast wie im Kino. Er sagte, er würde für Elektra arbeiten. Ich hatte aber viel eher geglaubt, er wäre der Hausmeister, der den Dreck wegputzt. Ich glaubte ihm einfach nicht und dachte nur: Hey, Mann, lass mich bloß in Ruhe.

      Danny Fields: An diesem Montagmorgen rief ich in New York an. Ich war in der Küche von MC5. John Sinclair und Jim Silver, der Manager der Stooges, waren ebenfalls in der Küche, während ich mit Jac Holzman in New York tele­fonierte und ihm sagte: „Ich bin in Ann Arbor und habe mir diese MC5 ange­hört. Ich habe dir bereits von ihnen erzählt. Die werden noch ganz groß raus­kommen. Sie haben Samstagabend viertausend Eintrittskarten verkauft, das Publikum war völlig aus dem Häuschen, und die Leute standen bis auf die Straße. Außerdem sind sie die professionellste und spontanste Gruppe, die ich je gesehen habe.“

      Und dann fügte