Please Kill Me. Gillian McCain. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gillian McCain
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454236
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wurde. Pete Townshend hat dazu etwas Gutes gesagt. Er sagte, dass es für einen klugen Menschen im Mittleren Westen ver­dammt hart sein muss, weil kein London oder New York City in der Nähe ist, um einen mit neuen Eindrücken zu versorgen, an dem man sich reiben kann und das einem jegliche Illusionen ausradiert …

      Ron Asheton: Iggy hörte die Doors zum ersten Mal, als sie im Yost Field House für die Studienabgänger der University of Michigan gespielt haben. Wir sind alle mitgefahren, aber Iggy war der Einzige, der reingelassen wurde, vielleicht, weil er mal an der University of Michigan studiert hat und noch seinen alten Studentenausweis besaß. Ich trieb mich draußen rum, weil ich die Band trotz­dem hören wollte. Morrison war sturzbesoffen, und die Kids schrien ständig nach „Light My Fire.“

      Morrison machte sich einen Spaß daraus, sie zu verarschen. Er sagte: „Der Mann aus Michigan!“, und imitierte einen Gorilla. Ich glaube, sie haben mit Bierflaschen nach ihm geworfen und schrien während des ganzen Konzerts immer wieder „Light My Fire“.

      Iggy Pop: Vor dem Gig im Yost Field House war ich eigentlich noch kein rich­tiger Fan der Doors, denn ihr musikalischer Ansatz war so grundlegend anders als der bei den Rockmusikern aus Detroit. Und die MC5 konnten die Doors nicht ausstehen. Fred Smith sagte immer: „Mein Gott, wie ich diese Mösen hasse.“

      Ich habe sie in dieser Turnhalle gesehen, und das Konzert muss so eine Art Schulball für all diese typisch amerikanischen Fettsäcke und ihre Mädchen gewesen sein. Wahrscheinlich waren sie nur gekommen, weil sie die Band sehen wollten, die „Light My Fire“ spielte.

      Die Band kam zuerst ohne Morrison auf die Bühne, und sie klangen wirk­lich wie die allerletzte Scheiße. Es klang schrecklich, noch schrecklicher als Mösen – wie alte Mösen nämlich, hahaha. Es klang hölzern und eklig und völ­lig unharmonisch – immer wieder spielten sie das Riff von „Soul Kitchen“, bis der Sänger endlich die Bühne betrat.

      Morrison torkelte zwar auf die Bühne, tat das aber auf eine sehr sinnliche Art. Er sah umwerfend aus. Ich musste sofort an Hedy Lamarr in Samson und Delilah denken, weil er seine Locken trug, als hätte ihn ein Hollywood­Friseur zurechtgemacht. Sein Haar schimmerte blauschwarz und war pomadisiert und glänzte. Er hatte prima Haare, das kann ich euch flüstern.

      Morrison hatte große, beinahe schwarze Augen, was an seinen enorm ver­größerten Pupillen lag. Er hatte offensichtlich irgendwelche Drogen genommen oder war einfach nur aufgeregt. Und er war wirklich gut angezogen mit seiner schwarzen Lederjacke und der Lederhose und den Filzstiefeln und dem Rüschen ­hemd. Er torkelte in Richtung Mikrofon, als wollte er sagen: „Ich werde schon noch singen, aber nicht sofort …“

      Und diese amerikanischen Durchschnittstypen werden sich bestimmt gedacht haben: „Was ist denn das für eine Möse?“

      Als Morrison seinen Mund zum Singen aufmachte, sang er mit einer Mösenstimme – einer Falsettstimme. Er sang wie Betty Boop und weigerte sich, in einer normalen Tonlage zu singen. Ich glaube, sie waren fast am Schluss des Songs angekommen und hörten ganz abrupt auf. Morrison schaute sich um, ging zum Gitarristen rüber und sagte: „Hey, Mann, spiel das hier …“

      Ich glaube, es war „Love Me Two Times“. Und es ging ab. Bis Morrison wie­der anfing, mit dieser Betty­Boop­Stimme zu singen. Im Großen und Ganzen ging das ganze Konzert in diesem Stil weiter. Ich war völlig aufgeregt. Mir gefiel dieser Antagonismus; mir gefiel, dass er sein Publikum nervte, ja, ja ja. Lauter Verbindungstypen, Footballspieler, die zukünftigen Führer von Amerika – Leute, die heutzutage die Rockstars von Amerika sind –, und Morrison nervte sie nicht nur, er zog sie gleichzeitig in seinen Bann. Ich sprang das junge Mäd­chen an, das ich mitgenommen hatte, und dachte: Das hier ist große Klasse.

      Der Gig dauerte nur fünfzehn oder zwanzig Minuten, weil sie Morrison von der Bühne zerren und ihn schnell in Sicherheit bringen mussten, da das Publi­kum kurz davor war, auf ihn loszugehen. Das hat mich schwer beeindruckt.

      In dem Augenblick dachte ich: „Mein Gott, wie furchtbar die sind, und die haben es in den amerikanischen Singlecharts auf Platz eins geschafft! Wenn der das kann, kann ich das auch. Und zwar auf der Stelle. Ich habe absolut keine Zeit zu verlieren.“

      Ron Asheton: Den ersten Gig hatten wir im Grande Ballroom. Ich sagte: „Ich finde, Dave Alexander sollte Bass spielen, ich spiele Gitarre, und mein Bruder sollte Schlagzeug spielen, auf was immer wir für ihn auftreiben werden.“

      Am Vorabend unseres Auftritts wussten wir nicht, was Iggy anziehen würde, aber er meinte nur: „Keine Panik, er werde schon irgendwas Passendes finden.“

      Als wir ihn abholten, hatte er ein altes weißes Nachthemd aus dem acht­zehnten Jahrhundert an, das ihm bis zu den Knöcheln ging. Er hatte sein Gesicht weiß geschminkt wie ein Pantomime und sich aus zusammengedreh­ter Alufolie eine Afroperücke gebastelt.

      Während der Fahrt zum Grande Ballroom haben wir ein paar Joints geraucht. Es war unser erster Auftritt, und wir waren furchtbar nervös. Dann fuhr plötzlich dieses Rowdypack direkt neben uns und versuchte, uns von der Straße zu drängen. Als wir beim Ballroom ankamen, waren wir alle mit den Ner­ven völlig fertig, und als wir aus dem Auto stiegen, fragte uns der schwarze Park­platzwächter:„Motherfucker, ist das ein Android oder was?“ Er bepisste sich fast vor Lachen.

      Scott Asheton: Iggy hatte sich die Augenbrauen abrasiert. Wir hatten einen Freund namens Jim Pop. Jim hatte durch irgendeine Nervenkrankheit all seine Haare verloren, inklusive seiner Augenbrauen. Nachdem Iggy seine Augen­brauen abrasiert hatte, nannten wir ihn nur noch Pop.

      An dem Abend herrschte im Ballroom eine Bullenhitze, und Iggy geriet mächtig ins Schwitzen. Von da an wusste er, wozu der Mensch Augenbrauen braucht. Am Schluss unseres Sets waren seine Augen von all dem Öl und Glit­zerkram total geschwollen.

      John Sinclair: Es war alles so verdammt realistisch, dass es einfach kaum zu glauben war. So etwas wie Iggy hatte man vorher noch nie erlebt. Es war nicht wie eine Band, es war nicht wie MC5, es war nicht wie Jeff Beck, es war einfach mit überhaupt nichts zu vergleichen. Es war auch kein Rock ’n’ Roll.

      Irgendwie erzeugte Iggy diesen mächtigen psychedelischen Sound für das, was er als Frontmann abzog. Die anderen Musiker waren buchstäblich nichts weiter als seine Marionetten. Sie haben einfach nur dieses wahnsinnige Gedröhne in Gang gesetzt, das waren keine richtigen Songs, sondern eher ziem­lich schräge Grooves – „Trancezustände“ nannte ich das. Das hatte viel mehr Ähnlichkeit mit nordafrikanischer Musik als mit Rock. Und dann tanzte Iggy durch die Gegend, dass man dachte, das ist Warten auf Godot fürs Ballett cho­reografiert. Er war nicht wie Roger Daltrey, falls ihr versteht, was ich meine.

      Ron Asheton: Wir haben ein paar Instrumente erfunden, auf denen wir bei unse­rem ersten Auftritt gespielt haben.Wir hatten einen Mixer, in den wir ein bisschen Wasser reingeschüttet hatten. Dann haben wir ein Mikrofon reingehängt und das Ding eingeschaltet. Wir haben das Teil ungefähr eine Viertelstunde laufen las­sen, bevor wir auf die Bühne gegangen sind. Es war ein irrer Sound, vor allem, weil er über die voll aufgedrehte Anlage kam. Dann hatten wir noch ein Wasch­brett mit Kontaktmikrofonen. Iggy zog Golfschuhe an und ist auf das Waschbrett gesprungen und darauf mit den Füßen herumgeschlurft. An den Zweihundertfünfzig Liter Ölfässern, auf denen Scotty trommelte, hatten wir ebenfalls Kon­taktmikrofone angebracht, und als Trommelschlägel benutzte er zwei Hämmer.

      Ich habe mir sogar den Staubsauger meiner Mutter ausgeliehen, weil der sich wie ein Flugzeugmotor anhörte. Den Sound von Düsenflugzeugen habe ich schon immer geliebt. WWWWWWRRRR!

      Scott Asheton: Die Leute wussten wirklich nicht, was sie davon halten soll­ten. John Sinclair, der Manager der MC5, stand einfach nur da und kriegte den Mund nicht wieder zu. Das war unser Masterplan: Mauern niederreißen und den Leuten die Scheiße aus dem Hirn blasen. Es anders zu machen als die ande­ren war das Einzige, was wir wollten.

      Es gab eine Menge Leute, die damit überhaupt nichts anfangen konnten, aber das waren letztlich die Leute, die dann doch bei jedem Auftritt auftauch­ten. Die schrien herum, weil sie eine Reaktion wollten, aber Iggy gab ihnen zu verstehen, dass sie sich verpissen sollten.

      Iggy