Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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zerhackt haben, lange bevor wir diesen verfluchten Tempel erreichen“, maulte Beliak.

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      Sie liefen durch den Wald, und Gorian achtete nun darauf, die Führung zu behalten. Er spürte seine Beine und Füße kaum noch, und zeitweilig hatte er das Gefühl, nur noch zu den allernötigsten Gedanken fähig zu sein, denn eine bleierne Schwere machte sich schleichend in ihm breit. Er wurde immer müder, aber sie konnten sich allenfalls kurze Pausen erlauben, zu dicht waren ihnen die Verfolger auf den Fersen. Und davon abgesehen mussten sie damit rechnen, auf weitere Patrouillen der Frostkrieger zu stoßen.

      Während einer der kurzen Pausen, die sie einlegten und in denen Beliak von den Wassergeistern eines anderen Bachs Neuigkeiten zu erfahren versuchte, was sie ihm allerdings verweigerten, versuchte sich Gorian mit Magie zu kräftigen. Sein Vater hatte ihm ein paar entsprechende Übungen beigebracht und ihm Zauberformeln gelehrt, welche die Müdigkeit zumindest für eine Weile zurückdrängten. Aber auch hinsichtlich dieser Disziplin war Gorian noch weit von einer bescheidenen Meisterschaft entfernt.

      Seit der Orden der Alten Kraft gegen Morygors Schergen kämpfte, sannen die Schwertmeister verstärkt nach Möglichkeiten, die Macht des Schlafes über den Menschen zu brechen. Schließlich bestand einer der entscheidenden Vorteile, welche die untoten Frostkrieger auf dem Schlachtfeld hatten, darin, dass sie nie ermüdeten. Und so hatten die Ordensmeister in diese Richtung Experimente mit verschiedenen Formen der Magie angestellt. Einige hatten Substanzen zu sich genommen, die das Bedürfnis nach Schlaf zurückdrängen sollten, während andere dieses Ziel mit geistigen Konzentrationsübungen erreichen wollten. Auch waren beide Methoden miteinander kombiniert worden, allerdings ohne einen wirklich durchschlagenden Erfolg zu erzielen.

      Zumindest keinen Erfolg, der ohne teils fatale Nebenwirkungen gewesen wäre. Gorian erinnerte sich daran, was ihm sein Vater darüber erzählt hatte, dass etwa diejenigen, die diese Substanzen zu sich genommen hatten, sich allmählich verändert hatten. Die Betreffenden waren geradezu bösartig geworden und gleichgültig gegenüber den hohen Idealen des Ordens. Als man die Gefahr erkannt hatte, waren die Versuche zwar eingeschränkt worden, man hatte sie aber nie völlig aufgegeben.

      Für Nhorich war dies ein Grund von vielen gewesen, sich vom Orden abzuwenden. Den Schlaf völlig zu bannen war offensichtlich nur zu einem sehr hohen Preis möglich, auch dann, wenn dafür lediglich geistige Übungen angewendet wurden.

      Dennoch hatte Nhorich seinem Sohn gezeigt, wie man die Alte Kraft dafür einsetzen konnte, ihn aber eindringlich ermahnt, dies nur in allergrößter Not und für eine begrenzte Zeit zu tun. „Diejenigen, die den Schlaf zu lange zurückgedrängt hatten, wurden, wie sich zeigte, leichter zu Opfern magischer Einflüsterungen und Manipulationen“, echoten Nhorichs Worte in Gorians Erinnerungen wider. „Manche wurden gar zu Verrätern – und einige von ihnen sind es noch und wandeln weiterhin unerkannt unter den angesehenen Meistern der fünf Häuser.“

      War das der Grund, dass sich Ar-Dons Stimme wieder mit dieser Vehemenz bei ihm meldete? Schwächten der Schlafentzug und die Ermüdung Gorian auch geistig so sehr, dass der Gargoyle den Moment für einen erneuten Manipulationsversuch für vielversprechend hielt?

      Na warte!, durchfuhr es Gorian zornig, denn der Gedanke, durch ein fremdes Wesen auf irgendeine Weise beeinflusst zu werden, entfachte Wut in ihm. So schwach, wie du glaubst, bin ich nicht! Schließlich bin ich am Tag des herabstürzenden Sternenmetalls geboren worden, und selbst Morygor hat vor dem Verlauf meiner Schicksalslinie so viel Angst, dass er einen der Frostgötter ausgesendet hat, mich zu töten!

      „Oh, du Narr! Du armer, verbohrter Narr! Wenn du glaubst, dich dem Frostreich ohne meine Hilfe widersetzen zu können, irrst du dich gewaltig! Selbstüberschätzung - ah, das war auch unser Fehler!“

      „Unser?“, gab Gorian in Gedanken zurück. Eigentlich widerstrebte es ihm, auf dieser Ebene mit Ar-Dons Geist zu kommunizieren, denn immerhin war der Gargoyle gegen seinen Willen in sein Inneres eingedrungen, und er empfand die Gedanken dieses Wesens als etwas, das dort nicht hingehörte.

      „Ar-Don... Meister Domrich... Ich bin viele“, lautete die Antwort. „Viele, die dir helfen wollen. Viele, die dir den rechten Weg weisen können...“

      Und auf einmal erschien mit überwältigender Kraft ein Bild des Tempels der alten Götter vor Gorians innerem Auge – allerdings sah er ihn aus einer Perspektive, wie er ihn bei seinem ersten und einzigen Besuch auf jener Lichtung nicht zu Gesicht bekommen hatte. Es musste sich um die Rückseite des Tempels handeln, und Gorian gewahrte eine Öffnung im verfallenden Mauerwerk, etwa so groß wie ein menschlicher Kopf, bei der allerdings nicht zu erkennen war, ob dort irgendwann einmal Steine herausgeschlagen worden waren oder ob sie von den Erbauern des Tempels so angelegt worden war.

      Als Gorian den Tempel zusammen mit seinem Vater vor ungefähr sechs Jahren zum ersten Mal betreten hatte, um die Schwerter Sternenklinge und Schattenstich aus ihrem Versteck zu holen, hatte Gorian die Öffnung nicht bemerkt. Offenbar war dies der Blickwinkel, den Ar-Don von seinem Grab aus auf den Tempel hatte.

      Vater muss seine Bruchstücke tatsächlich ganz in der Nähe des Bauwerks vergraben haben, erkannte Gorian. Und zwar in einem Abstand, der nicht mehr als fünfzig Schritte beträgt.

      Und offenbar konnte Ar-Don den normalerweise unsichtbaren Tempel sehen – sofern das der richtige Ausdruck war, denn sehr wahrscheinlich nahm Ar-Don seine Umgebung – zumal in seinem momentanen Zustand – in erster Linie mit magischen Sinnen und nicht mit Augen und Ohren wahr.

      Gorian blieb stehen. Hatte dieses Wesen ihn etwa bereits erfolgreich beeinflusst? War ihm der Tempel der alten Götter nur deswegen als aussichtsreichste Möglichkeit erschienen, sich zumindest für den Augenblick vor den Schergen des Frostreichs zu verbergen, weil Ar-Don ihm das eingeflüstert hatte?

      „Hey, was ist los?“, drang Beliaks Stimme in seine Gedanken. „Den Weg vergessen?“

      „Nein ...“

      „Was dann?“

      Ein Krächzen ertönte aus einer der Baumkronen. Eine Eiskrähe hatte sich dort unbemerkt niedergelassen und blickte die beiden Flüchtenden mit ihren albinohaften roten Augen unverwandt an.

      „Verflucht und zugenäht, bei allen Dämonen des glühenden Tiefen-Untererdreichs!“, entfuhr es Beliak, der seine Axt mit beiden Händen fester umfasste, obwohl ihm klar war, dass er mit dieser Waffe nichts gegen diesen Kundschafter des Frostreichs ausrichten konnte. Es war gleichgültig, ob es sich bei diesem Krähenvogel um eines jener Bestien handelte, die sie im Dorf angegriffen hatten und daraufhin von den Wassergeistern in eisige Starre versetzt worden waren, oder um ein anderes Tier, das im Auftrag des bärengestaltigen Frogyrr auf Erkundungsflug war – nun mussten sie damit rechnen, in Kürze wieder angegriffen zu werden.

      Der Vogel breitete die Flügel aus, sein Krächzen klang triumphierend, beinahe wie höhnisches Gelächter. Dann stob er davon.

      Gorian überlegte nicht lange. Er riss den Rächer aus dem Gürtel und schleuderte ihn so, wie sein Vater es ihm beigebracht hatte. Der Kraftschrei, den er dazu ausstieß, war kurz, aber durchdringend, und seine Augen wurden für einen Moment vollkommen schwarz.

      Der Dolch traf den Vogel, der ein letztes Mal kreischte und dann zu Boden fiel, während die Waffe in Gorians Hand zurückkehrte. Krähenblut troff von der Klinge.

      Eiskrähen waren im Gegensatz zu den Frostkriegern nicht untot, sondern ursprüngliche Bewohner der nördlichen Länder, denen Morygor und die Eisgötter ihren Willen aufzwangen, offenbar weil sie geistig leicht zu beeinflussen waren.

      „Alle Achtung, du wirst immer zielsicherer“, lobte Beliak. „Dein Vater wäre zweifellos stolz auf dich – aber ich fürchte,