Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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Boden fiel.

      „Der Frost wurde mit Frost bekämpft“, stieß Gorian hervor.

      „Nein, das ist Unsinn!“, entgegnete Beliak. „Es war die eigene, den Frostgeschöpfen innewohnende Kälte, die sie hat erstarren lassen und die von den Wassergeistern nur genutzt wurde.“

      Gorian blickte auf den immer noch bis zur Hüfte im gefrorenen Boden steckenden Adh hinab. „Und dir können sie nicht helfen?“

      „Ein einfacher Wärmezauber statt dummes Gequatsche wäre jetzt nicht schlecht!“

      „Wärmezauber? Hör mal, ich bin kein Magiemeister, und alles, was mir mein Vater beigebracht hat, ist ...“

      „...diese so genannte Alte Kraft! Ich weiß! Lenk so viel davon wie möglich in den Boden, dann komme ich hier bestimmt raus! Schnell, bevor sich unsere Feinde wieder rühren können und erneut versuchen, uns umzubringen!“

      „Wie ...?“ Gorian sprach nicht weiter. Stattdessen erschien ihm auf einmal alles ganz selbstverständlich. Er nahm den Rächer und berührte damit den Boden, der so steinhart gefroren war wie nach einem monatelangen Frosteinbruch. Es war Magie in dieser gefrorenen Erde enthalten, wahrscheinlich sogar ziemlich reichlich. Und diese Kräfte musste er austreiben. Insofern war Beliaks Gedanke gar nicht so abwegig.

      Gorian sammelte die Alte Kraft. Viel war es nicht mehr, was er davon noch in sich spürte. Der Kampf mit den Geschöpfen des Frostreichs hatte ihn in jeder Hinsicht erschöpft. Auch und vor allem galt das für seine magischen Kräfte, ohne die er zweifellos nicht mehr am Leben gewesen wäre.

      Gorians Augen, die gerade erst ihre normale meergrüne Farbe zurückerhalten hatten, wurden wieder pechschwarz wie die Nacht. Ein Blitz zuckte aus dem Boden, die Klinge aus Sternenmetall entlang und dann Gorians Arm empor. Er fühlte, wie die Welle einer unheimlichen kalten Kraft ihn erfasste und bis ins Mark frösteln ließ. Der auf magische Weise erzeugte Bodenfrost löste sich so schnell auf, dass man zusehen konnte.

      Beliak schwang sich aus dem aufgeweichten Erdreich, griff nach Gorians rechten Arm und riss ihn hoch, sodass der Rächer nicht mehr den Boden berührte. „Nicht übertreiben“, mahnte er. „Schließlich willst du den magischen Frost ja nicht völlig in dich selbst lenken.“

      Gorian zitterte. Seine Lippen waren blau geworden, und er fühlte sich, als hätte er lange Zeit in einem Zuber mit Eiswasser zugebracht. Für einen Moment glaubte er schon, selbst zum Eisblock geworden zu sein.

      „Alles in Ordnung?“, fragte Beliak, doch Gorian war im Moment unfähig, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Er nickte nur.

      Sie verließen das Dorf. Gorian blickte noch einmal kurz zurück. Einer der Frostkrieger rollte sich auf dem Boden herum, war aber nach wie vor starr wie eine Statue. Dennoch, die Wirkung des Zaubers, der ihn außer Gefecht gesetzt hatte, schwand bereits.

      Bevor sie das Dorf endgültig verließen, um im Unterholz zu verschwinden, blieb Beliak noch einmal stehen. Gorian war ihm mit Mühe gefolgt. Die Kälte, die sich in ihm breitgemacht hatte, verflüchtigte sich nur allmählich, und er musste das Zittern noch immer willentlich unterdrücken, sodass ihm die Bewegungen schwerfielen.

      Beliak hob die Hände, fast wie bei einem Gebet oder einer rituellen Geste. Dazu sprach er ein paar Worte in der Sprache der Adhe.

      „Man muss denen, die einem geholfen haben, Dankbarkeit erweisen“, erklärte er Gorian anschließend.

      „Du meinst die Wassergeister?“

      „Ja.“

      „Wieso haben sie uns geholfen, den Dorfbewohnern aber nicht?“

      „Ist das nicht eher eine philosophische Frage? Wir sollten zusehen, dass wir überleben, und uns nicht mit so unbedeutenden Kleinigkeiten aufhalten. Allerdings ... Man sagt, dass die Wassergeister die Wege des Schicksals leichter zu erkennen vermögen als die meisten anderen Wesen. Liegt an der Ähnlichkeit der Schicksalslinien mit sich verzweigenden Flüssen, so heißt es in den Adhe-Überlieferungen.“

      „Und was hat das mit mir zu tun?“, fragte Gorian.

      „Die Wassergeister haben es mir nicht verraten, aber vielleicht sehen auch sie in dir jemanden, der in der Zukunft eine wichtige Rolle spielt, und sie haben uns deswegen geholfen, wer weiß.“

      ––––––––

      Gorian war sicher, den Tempel der Alten Götter von diesem Dorf aus problemlos finden zu können.

      „Vorwärts!“, rief Beliak, als Gorian ihm zu langsam lief. „Oder muss ein kleiner Mann wie ich einen zukünftigen Schwertmeister etwa auf den Schultern tragen?“ Der Adh lege ein ziemliches Tempo vor, das man ihm mit seinen kurzen Beinen gar nicht zutraute. Feixend fügte er hinzu: „Mal vorausgesetzt, du verfolgst immer noch deinen Plan, mit sechzehn Sommern dem Orden der Alten Kraft beizutreten.“

      Seltsamerweise war sich Gorian in diesem Punkt gar nicht mehr so sicher, wie er es noch vor Stunden gewesen war. Der Angriff der Schergen des Frostreichs hatte alles verändert – und vor allem auch der grausame Tod seines Vaters. Zuvor war Gorian wild entschlossen gewesen, sich vom Orden weiter ausbilden zu lassen, notfalls auch gegen Nhorichs Willen. Nun aber hatte er das Gefühl, ihm etwas schuldig zu sein, und er fragte sich, ob die Gründe, die seinen Vater dazu bewogen hatten, den Orden als verderbt anzusehen, nicht doch stichhaltiger waren, als er zunächst gedacht hatte. Andererseits – welche Macht außer dem Orden kam als Gegengewicht zu Morygor und seinem kalten Reich in Frage?

      Nun, die Entscheidung darüber stand noch nicht an. Im Augenblick ging es um Näherliegendes.

      Der Adh blieb stehen, weil sich der Weg durch den Wald gabelte. Sie befanden sich auf einem Trampelpfad, denn der alten Straße nach Segantia folgten sie schon lange nicht mehr, und den Weg zum Tempel kannte nur Gorian. Beliak sah ihn fragend an. „Und nun?“

      Gorian atmete tief durch.

      „Es ist noch nicht zu spät, Gorian. Lass dir helfen“, wisperte Ar-Dons Stimme wieder in Gorians Gedanken. Der Gargoyle schien seine Versuche, ihn zu beeinflussen, einfach nicht aufgeben zu wollen. „Du brauchst mich, um zu überleben. Deine Verfolger werden bald aus ihrer Erstarrung erwachen und sich dann wieder an deine Fersen heften ...“

      Dass Ar-Don offenbar durch seine Augen sehen und alles wahrnehmen konnte, was ihm widerfuhr, beunruhigte Gorian zunehmend. Achte darauf, wessen Gedanken du Einlass in deine Seele gewährst! So lautete eines der Axiome des Ordens der Alten Kraft, das sich auf spezielle Übungen bezog, die eine geistige Beeinflussung durch Magie verhindern sollten.

      Als Gorian diese Zeilen zum ersten Mal gelesen hatte, waren sie ihm rätselhaft erschienen, kryptische Weisheiten aus einer vergangenen Zeit, deren Bedeutung niemandem mehr wirklich klar zu sein schien. Nun aber glaubte Gorian zu begreifen, was damit gemeint war.

      Er selbst war es, der es zugelassen hatte, dass der Geist des Gargoyle zu ihm sprach. Vielleicht, weil er zu schwach gewesen war, um diesen Einfluss von Anfang an abzuwehren. Vielleicht aber auch, weil er dieser Stimme insgeheim recht geben musste. Zumindest zu einem Teil.

      Es war, als würde der Gargoyle auch all seine Gedanken lesen, denn wie um Gorians letzte Überlegungen zu bestätigen, sagte er: „Ohne mich wirst du es nicht schaffen, Gorian. Das weißt du im Grunde selbst, und deswegen schenkst du mir dein inneres Ohr, deswegen lauschst du aufmerksam jedem einzelnen meiner Gedanken, und deswegen sind wir uns inzwischen so nahe, dass ich alles sehe, alles empfinde, alles erleide, was dir geschieht und zustößt. Ich führe dich. Und ich rette dich. Aber du musst es zulassen!“

      Gorian streckte den Arm aus. „In diese Richtung!“, bestimmte er.