Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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ausgeschickt. Er sollte sich in die bewaldete Wildnis im Süden begeben, denn angeblich wohnte dort, zwei Tagesreisen entfernt, ein Heilkundiger, auf dessen Kunst Olgarich große Stücke hielt. Beliak war skeptisch hinsichtlich dieses Mannes, denn einer seiner Adh-Freunde, der auf einem benachbarten Hof angestellt war, hatte ihm berichtet, dass dort Vieh gestorben war, nachdem der Heilkundige den Tieren eine seiner Mixturen verabreicht hatte – was aber nie die Runde machte, da der Besitzer des Hofes befürchtete, alle Welt könnte annehmen, sein Vieh wäre an einer ansteckenden Krankheit verendet.

      Olgarich aber schwor auf die Dienste dieses Mannes, und als er die Geschichte von Gaerths Adh-Freund hörte, tippte er sich an seine stark nach vorn gewölbte Stirn. Sein Haupt war etwa um ein Drittel größer als das eines gewöhnlichen Menschen, und der vollkommen haarlose Hinterkopf glich einer anschwellenden Froschblase. Er wurde von pulsierenden Adern durchzogen, und als Gorian noch sehr klein gewesen war und zum ersten Mal von den Schicksalslinien gehört hatte, war sein erster Gedanke der, dass sie wohl auch derart untereinander verwoben sein mussten und sich immer wieder kreuzten wie die Adern auf Olgarichs Kopf.

      Weder der Orden noch die Priesterschaft erkannten die Zauberei der Zahlenmagier als Magie im eigentlichen Sinn an, und doch bedienten sich beide Gruppen ihrer Dienste. Zumeist aber wurden sie von Handelshäusern, Geldwechslern und Gutsbesitzern angestellt, denn niemand konnte so gut wirtschaften wie sie.

      „Mein Vater hat die Dienste von Heilkundigen und Ärzten immer gleichermaßen abgelehnt“, sagte Gorian an Olgarich gewandt.

      „Ja, nach dem Tod deiner Mutter hat er den heilenden Künsten ganz allgemein misstraut. Aber wir sollten seinen Willen in diesem Fall ignorieren, findest du nicht auch?“

      Gorian nickte. „Gut“, murmelte er. „Jedoch hege ich Zweifel, dass er mit den Mitteln dieser Künste überhaupt zu heilen ist.“

      „Wieso das?“

      „Weil ich glaube, dass alles mit der Verletzung an seiner Hand zu tun hat. Er hat sich die Erinnerungen des Gargoyle angeeignet, der vor kurzem von Schattenreitern über das Meer gebracht wurde, um mich zu töten.“

      Gorian kannte Olgarich, solange er sich entsinnen konnte, und daher vertraute er dem Zahlenmagier fast so sehr wie seinem Vater. Es gab keinen Grund, nicht mit ihm in aller Offenheit zu sprechen, so meinte er, denn wenn Nhorich recht hatte und früher oder später ein weiterer Angriff Morygors erfolgte, musste man sich darauf vorbereiten, und das galt auch für Olgarich und alle anderen, die auf dem Hof lebten.

      Der Zahlenmagier sah den Jungen nachdenklich an, und seine zumeist straff gespannte, deutlich geäderte Stirn legte sich auf einmal in tiefe Falten, die sogar das Muster der bläulichen Adern überdeckten. Genauso versuchte Morygor nach Gorians Vorstellung das alte Muster der Schicksalslinien durch ein neues zu ersetzen. Dass er selbst bei diesem Muster eine so entscheidende Rolle spielen sollte, war für Gorian nach wie vor ein verwirrender Gedanke.

      „Du meinst, man sollte lieber einen Meister des Ordens rufen oder gar einen Priester?“, fragte ihn Olgarich.

      „Das weiß ich nicht“, bekannte Gorian. „Vielleicht auch irgendeinen freischaffenden Magier, der nicht gerade deiner Zunft angehört.“

      Der Zahlenmagier lächelte. „Du meinst einen Magier, so wie ihn sich Priesterschaft und Orden vorstellen.“

      „Ja. Tut mir leid, das ist keineswegs gegen dich und deine ehrenwerte Kunst der Zahlenmagie gerichtet, aber ...“

      „Das habe ich auch nicht so verstanden“, fiel ihm Olgarich mit einem Lächeln ins Wort. Zahlenmagier waren für ihr nüchternes Wesen bekannt und nur schwer zu beleidigen. „Das Problem ist nur, dass dein Vater Magiern der Priesterschaft noch ablehnender gegenübersteht als Heilern und Ärzten, und hinsichtlich des Ordens hat er seit langem jeden Kontakt mit seinen Vertretern abgelehnt.“

      „Du meinst, sie würden ihm nicht helfen? Auch nicht in so einem Fall wie diesem?“

      „Das weiß ich nicht. Allerdings ...“

      „Ja?“

      „Es gab da jemanden, der ihn einmal besucht hat. Das war noch vor deiner Geburt. Sein Name war Thondaril, und er fiel mir gleich auf, weil er zwei Meisterringe des Ordens trug.“

      „Er war ein zweifacher Meister?“, fragte Gorian überrascht.

      Olgarich nickte. „Er muss sowohl ein Meister des Schwertes als auch der Magie gewesen sein.“

      Gorian wusste, dass der Orden in fünf Häuser unterteilt war, die Meister in den jeweiligen Talenten ausbildeten: Schwertmeister, Magiemeister, Schattenmeister, Heilmeister und Sehermeister – wobei die Heiler des Ordens großen Wert darauf legten, nicht mit den gemeinen Heilkundigen verglichen zu werden, da sich deren Methoden völlig von den ihren unterschieden. Normalerweise war es selbst bei großem Talent eine hohe Anforderung, allein einen dieser Meistertitel zu erringen. Oft gingen Jahre ins Land, bis die Ausbildung zufriedenstellend abgeschlossen war. So kam es nur sehr selten vor, dass ein Anwärter gleich in mehreren Häusern des Ordens die Ausbildung absolvierte und die Prüfungen bestand. Niemals aber war es jemandem gelungen, dies in allen fünf Häusern zu schaffen.

      „Dieser Thondaril ist also sehr begabt“, meinte Gorian.

      „Ich werde einen Boten zur nächsten Ordenskomtur schicken“, bot Olgarich an. „Aber wie die Wahrscheinlichkeit steht, dass die Nachricht dann richtig weitergeleitet wird und zum gewünschten Ergebnis führt, wage ich nicht zu kalkulieren.“

      „Was auch immer notwendig ist, soll getan werden“, entschied Gorian.

      In diesem Augenblick hörte er zum ersten Mal die Stimme. Sie war klar und deutlich in seinem Kopf. „Hilf Ar-Don ... Hilf ihm, und er wird dir helfen. Diene ihm, und er wird dir dienen und dir Antworten auf all deine Fragen ge...“

      Instinktiv hielt sich Gorian die Ohren zu.

      „Was ist mit dir?“, fragte der Zahlenmagier besorgt.

      Gorian sah den Mann mit dem gewaltigen Kopf an, öffnete halb den Mund und wollte etwas sagen. Aber er konnte nicht. Etwas hinderte ihn daran, dass er über das sprach, was er soeben in seinen Gedanken wahrgenommen hatte.

      ––––––––

      Der Arzt aus Twixlum war ein Medicus unterer Ordnung, aber in der Bevölkerung der Gegend sehr beliebt. Vor allem verstand er sich auf Geburten, und er wurde nicht müde zu betonen, dass Geburtshilfe wichtiger wäre als die Heilung von Krankheiten, denn die Geburt von Kindern wäre ein Geschenk des Verborgenen Gottes, eine Krankheit hingegen zumeist eine göttliche Strafe.

      Etwas Entscheidendes zu Nhorichs Gesundung konnte er zwar nicht beitragen, allerdings verstand er sich auf die Mischung von Salben, und er fertigte aus verschiedenen Zutaten eine an, die er anschließend auf die Wunde an Nhorichs Hand strich und die – so schien es - immerhin den Fluss von schwarzem Blut etwas reduzierte. Aber Gorian hatte seine Zweifel, ob dies wirklich auf die Salbe zurückzuführen war und nicht ohnehin eingetreten wäre.

      Schlimme Tage und Nächte vergingen, und Gorian war der schieren Verzweiflung nahe. Wenn er kurzzeitig einschlief, hörte er im Traum Ar-Dons wispernde Stimme, die ihn dazu bringen wollte, den Gargoyle auszugraben.

      Wie es scheint, war es doch sehr weise von meinem Vater, mir den Ort nicht zu verraten, an dem er die Überreste der kleinen Bestie vergraben hat, überlegte Gorian, und in diesem Moment bewunderte er Nhorich für seine Weitsicht.

      Als Gaerth mit dem Heiler aus dem Wald zurückkehrte, trug der Orxanier diesen auf den Schultern und lief dabei in einem Tempo, das durchzuhalten manchem Pferd schwergefallen wäre. Der Heiler hieß Embaris und war