Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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und fügte hinzu: „Diese Schwertmeister hier hätten ein würdiges Begräbnis verdient, wie es ihnen seit hundert Jahren verwehrt wurde – seit sie gezwungen wurden, Morygor als Schattenkrieger zu dienen, der durch die verbotene Magie, der er sich bedient, schon seit langem selbst ein untotes Monstrum ist. Wie sonst könnte er sich an einem Ort wie der Frostfeste wohlfühlen.“ Er sah Gorian an, und der Junge erwiderte den Blick seines Vaters. „Alle, die in den Einflussbereich Morygors geraten, verändern sich; sie werden zu Wesen, die nicht lebendig und nicht tot sind – oder zu Schatten. Ohne freien Willen, ohne Liebe, ohne Gewissen – Marionetten des Bösen, die der Herr der Frostfeste an seinen unsichtbaren Fäden führt.“

      „So wie dieser Gargoyle – Ar-Don?“, fragte Gorian.

      „So ähnlich – aber Ar-Dons Geschichte hat ein paar Besonderheiten“

      „Was für Besonderheiten?“

      „Später.“

      „Nein, ich will es jetzt erfahren! Ich weiß, dass es irgendetwas mit mir zu tun hat. Ich weiß, dass es einen Grund dafür geben muss, dass Morygor ausgerechnet mich töten will und dazu eine Bestie wie diesen Gargoyle aussandte! Und wahrscheinlich könnte es jederzeit wieder geschehen.“

      „Nein“, widersprach Nhorich, „in den nächsten Jahren wird sehr wahrscheinlich nichts in dieser Richtung geschehen, nachdem dieser Versuch, dich zu töten, gescheitert ist. Dieser Moment, da dein Tod Morygor nützen würde, ist ungenutzt verstrichen.“

      „Wer war Domrich?“

      „Nicht hier, mein Sohn, und nicht jetzt.“

      „Wann dann?“

      „Ich werde morgen mit dir ausreiten. Und dann werde ich dir alles erzählen. Alles, was du wissen musst.“

      ––––––––

      Am nächsten Tag sattelten sie die Pferde. Das Wetter war wieder milder geworden. Zwar stand das Wasser teils noch knöcheltief auf den Wiesen, aber nirgends lag mehr Schnee, und selbst der Dunst über dem Meer hatte sich verzogen. Zeitweilig schien sogar die Sonne, und fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Frostreich einen plötzlichen Vorstoß sehr weit in den Süden unternommen und sich seine Kälte danach wieder aus diesem Landstrich zurückgezogen hatte.

      Gorian und sein Vater waren lange unterwegs. Die Pferde dampften förmlich. Am frühen Nachmittag erreichten sie ein Waldstück irgendwo in dem unwegsamen Gebiet im Landesinneren zwischen Twixlum und der Mündung des Seg und nördlich der Straße zur Brücke von Segantia, über die der südlichere Weg nach Estrigge führte.

      Die ganze Zeit über wartete Gorian darauf, dass sein Vater ihn in die Geheimnisse einweihen würde, die hinter all den seltsamen Geschehnissen steckten. Aber Nhorich schwieg.

      Schließlich gelangten sie in einen Teil des Waldes, der sehr dicht und dunkel war. Die Bäume, die an dieser Stelle wuchsen, waren von seltsam verwachsener Art. Viele sahen aus, als wären sie von Blitzen gespalten worden, und das mehrfach in ihrer Wachstumsgeschichte. Farnähnliche Gewächse, wie Gorian sie noch nie zuvor gesehen hatte, ragten bis zu den Baumkronen empor, und höchst fremdartige Tierschreie erfüllten den Wald. Obwohl Gorian ausgedehnte Streifzüge in der Umgebung unternommen hatte, war er dabei nie in diese Gegend gelangt.

      Sein Pferd scheute mehrfach, so als fürchtete es sich davor, weiter in dieses Gebiet vorzudringen, und nachdem es sich auf die Hinterhand gestellt und Gorian beinahe abgeworfen hatte, sah sich Nhorich gezwungen, das Tier mit einer magischen Formel unter Kontrolle zu bringen.

      „Die Schwertmeister beruhigen damit ihre Schlachtrösser, bevor sie in den Kampf ziehen“, erklärte er seinem Sohn. „Du wirst diese Formel auch lernen, wenn du möchtest.“

      „Ich will alles lernen, was es zu lernen gibt“, erwiderte Gorian forsch.

      „Du wirst noch erkennen, dass manches Wissen zum falschen Zeitpunkt eher schadet als nützt.“

      „Aber ist nicht Unwissenheit der größte Feind?“

      Ein Lächeln huschte über Nhorichs Gesicht. „Du hast in den Axiomen der Ordensmeister gelesen“, stellte er fest.

      „Das Buch war bei den Sachen auf dem Speicher.“

      Etwas später erreichten sie eine Lichtung. An deren Rand wucherte das Gras hoch empor, aber in ihrer Mitte schien die Vegetation eine Fläche in Form eines Quadrats zu meiden. Dunkle, lehmige Erde war dort zu sehen. Die Vögel, die von den umliegenden Bäumen aus auf die Lichtung flatterten und dort landeten, um am Boden nach Würmern zu picken, hielten sich von diesem Quadrat ebenso fern wie die Pflanzenwelt und versuchten ihr Glück nur in den Bereichen, die von Gras bewachsen waren.

      „Als hätte dort ein Gebäude gestanden“, entfuhr es Gorian, ohne dass er lange darüber nachgedacht hätte.

      „Du meinst die freie Fläche in der Mitte?“, vergewisserte sich Nhorich.

      „Wie könnte man sie übersehen?“

      „Das spricht für dein Talent, denn du siehst mehr, als es bei den meisten anderen der Fall wäre.“ Nhorich machte sein Pferd an einem Strauch fest und trat zu Gorian, der ebenfalls abgestiegen war. „Nun sieh, was dort wirklich ist“, sagte er, legte seinem Sohn die Hand über die Augen und murmelte einige Worte in alt-nemorischer Sprache.

      Als er die Hand wieder fortnahm, sah Gorian in der Mitte der Lichtung ein altes, verwittertes Gebäude aus Stein.

      „Ein Tempel der Alten Götter!“, entfuhr es Gorian. Die Architektur des Gebäudes ließ keinen Zweifel daran: Das Portal wurde gestützt von zwei steinernen Säulen, in denen tierhafte Gesichter gemeißelt waren, Bildnisse jener alten Götter, deren Namen nicht mehr ausgesprochen werden durften, seit der Glaube an den Verbogenen Gott zum alleinig gültigen Bekenntnis erklärt worden war. Trotzdem gab es immer noch viele, die ihnen große Macht zuschrieben.

      Zaubermacht.

      „Ich habe diesen Ort vor vielen Jahren entdeckt“, erklärte Nhorich. „Das war, bevor ich sechzehn und auf der Ordensburg als Schüler angenommen wurde wie mein Vater und mein Großvater. Damals erzählte ich niemandem von dieser Entdeckung. Und später, als ich mich längst mit dem Orden überworfen hatte, fand ich einiges über die Magie der Alten Götter heraus und stellte fest, dass dieser Ort ein hervorragendes Versteck ist. Ein Ort, an den man Dinge aufbewahren kann, die verborgen bleiben sollen – und zwar auch vor magisch begabten Sendboten wie den Schattenreitern oder dem Gargoyle, der dich zu töten versuchte.“

      „Hast du hier die beiden Schwerter versteckt, die du aus dem Himmelsmetall geschmiedet hast?“ Als er dies fragte, berührte Gorian unbewusst den Griff des Dolchs, den sein Vater ihm geschenkt hatte und den er ständig am Gürtel trug.

      Nhorich antwortete darauf nicht direkt. Aber das verhaltene Lächeln, das einen Herzschlag lang um seine Lippen spielte, war für Gorian ein Zeichen, dass es sich genau so verhielt. „Komm mit“, sagte Nhorich. „Es ist Zeit für dich.“

      „Zeit wofür?“

      „Um dich zu rüsten und vorzubereiten.“

      „Worauf?“

      „Auf die Begegnung mit der Finsternis, die du mit Finsternis bekämpfen wirst - eines Tages.“

      Gorian folgte seinem Vater zum Portal des verwitterten Gebäudes, dessen Stufen bereits brüchig waren. Doch bevor sie über die Schwelle traten, murmelte Nhorich eine alt-nemorische Formel, und ein bläulicher Blitz erfüllte daraufhin für einen kurzen Moment den Eingang. Offenbar befand sich vor ihnen ein magisches Kraftfeld, das nun nicht mehr den Zugang verwehrte.