Beter, Mönche und Gelehrte. Marc Witzenbacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marc Witzenbacher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783766642592
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Impulse und wichtige Anstöße verdankt. Einige wenige haben die Theologie als regelrechte Lichtgestalten wesentlich geprägt und beeinflusst wie Augustinus oder Thomas von Aquin. Andere wirkten eher in der Stille, haben mit ihren Schriften aber zahllose Menschen tiefer in das Geheimnis des Glaubens einführen können. Dieses Kapitel stellt einige der Gelehrten und Theologen vor.

      Theologe zwischen Antike und Moderne: Augustinus

      Seinesgleichen habe es in der Antike und in der Kirchengeschichte nicht mehr gegeben, behauptete einst der Kirchenhistoriker Adolf von Harnack. Tatsächlich hat Augustinus von Hippo wie kaum ein zweiter die Geistesgeschichte des christlichen Abendlandes mitbestimmt. Er sei das große Licht der westlichen Welt gewesen, das die Intelligenz Europas geprägt habe, sagte Kardinal Newman über den glänzenden Rhetoriker und Theologen aus Nordafrika. In Augustinus sehen viele Forscher den letzten antiken und den ersten modernen Menschen, der das antike philosophische Gedankengut mit dem christlichen Glauben ins Gespräch und auch in Beziehung brachte. Gleichwohl war der Weg des Theologen und Kirchenlehrers doch recht steinig und weit, bis er zum Glauben fand und zu einem der wichtigsten Kirchenlehrer wurde.

      Durch die eigenen Schriften Augustins, insbesondere seine „Bekenntnisse“, weiß man vergleichsweise viel über das Leben und Denken des antiken Theologen. Er wurde im Gebiet des heutigen Algerien, in der kleinen Landstadt Thagaste, am 13. November 354 geboren. Seine Familie war angesehen in der Stadt. Augustins Mutter Monika war Christin und entstammte bereits einer christlichen Familie, der Vater Patricius hatte wohl keinen Zugang zum christlichen Glauben gefunden, bekämpfte ihn aber nicht. Der Vater war es, der für den aufgeweckten Augustinus eine große Karriere plante und dafür auch einige Opfer in Kauf nahm. Obwohl Patricius als Stadtrat von Thagaste nicht übermäßig wohlhabend war, investierte er gehörige Summen in eine profunde Ausbildung des Sohnes, um ihm eine Beamtenkarriere in der kaiserlichen Verwaltung zu sichern. Den Elementarunterricht erhielt Augustin in Thagaste selbst und fiel in diesen Jahren zunächst nicht durch besondere Leistungen auf. Griechisch schien ihm nicht zu liegen, und bis zum Schluss blieb ihm die Sprache fremd. Platon beispielsweise wird er selbst nie im Original gelesen haben. Er schulte sein Sprachvermögen vielmehr an Vergil, entwickelte eine große Liebe zum Theater und zu anderen lateinischen Dichtern. In der benachbarten Stadt Madaura setzte Augustin mit den Fächern Grammatik und Rhetorik seine Studien fort und entwickelte seine Talente. Im Alter von 16 Jahren kam er nach Karthago. Dorthin schickte ihn der ehrgeizige Vater, obwohl für die teuren Studien des Sohnes die Mittel doch knapp wurden und er zeitweise zurück ins Elternhaus kommen musste. An der Rhetorikschule der Hafenstadt Karthago machte sich Augustinus schnell einen Namen. Er kostete alle Vorzüge und auch das freizügige Leben der Studenten gehörig aus. Mehrere Affären werden ihm nachgesagt, bis er mit 18 Jahren ein festes Verhältnis mit einer Frau einging, der er schließlich 14 Jahre die Treue hielt. Aus dieser Verbindung ging der Sohn Adeodatus („von Gott geschenkt“) hervor, der allerdings im Alter von 16 Jahren starb.

      Immer wieder hatte die Mutter Monika versucht, ihren begabten Sohn vom christlichen Glauben zu überzeugen. Zeitweilig stand er auch auf Listen der Katechumenen, blieb dem Unterricht aber fern. Ihn faszinierte vielmehr die Welt der Manichäer, einer damals weit verbreiteten Sekte. Diese vorderasiatische Religion führte alles in der Welt auf den Kontrast zwischen Gut und Böse zurück. Sein Weg führte Augustinus weiter nach Rom, wo er als Rhetorikprofessor eine Anstellung fand, sich zunehmend von der Religion entfernte und sich mehr als areligiöser Skeptiker in der Tradition griechischer Philosophen sah. Im Jahr 384 wechselte Augustin die Hochschule und gelangte nach Mailand, wo er den bereits zu Lebzeiten legendären Bischof Ambrosius kennen lernte. Er besuchte dessen Gottesdienste und interessierte sich mehr und mehr für den Glauben. In einer Vision soll ihn schließlich ein Kind aufgefordert haben, zur Bibel zu greifen. Darin las er den Satz des Paulus: „Zieh an den Herrn Jesus Christus!“ Diese Vision führte ihm sein ganzes Leben vor Augen, das ihm plötzlich schäbig und unnütz vorkam. Jedenfalls ließ sich Augustin im Jahr 387 von Ambrosius taufen und machte anschließend einen radikalen Schnitt in seinem Leben. Er zog sich zurück und führte gemeinsam mit Freunden eine Art klösterliches Gemeinschaftsleben.

      Schließlich kehrten sie zusammen nach Nordafrika zurück. Doch mehrten sich die Stimmen seiner Freunde, sein Talent nicht in der Einsiedelei zu vergraben, sondern für den Dienst in der Kirche einzusetzen. So wurde Augustin 391 zum Priester geweiht. Vier Jahre später erreichte ihn der Ruf zum Bischof von Hippo. Bis zu seinem Tod im Jahr 430 wirkte er in dieser Stadt als anerkannter Hirte und genialer theologischer Lehrer. Er übernahm schnell die geistige Führung der Kirche in Nordafrika, ja der gesamten westlichen Kirche. Sicherlich kam ihm neben seinem scharfen Verstand sein rhetorisches Talent zugute, das er glänzend einsetzte, um selbst schwierige Sachverhalte einfach und verständlich sowie mitreißend darzustellen. Augustinus schrieb keine dogmatischen Traktate, sondern entwickelte in Dialogen oder wie in den „Bekenntnissen“ sogar in Gebeten seine theologischen Gedanken. Augustin verstand es, die philosophische Tradition sowie die Gedanken seiner Zeit in seine Theologie fruchtbar einzubeziehen. Für ihn ist der christliche Glaube prinzipiell mit den Mitteln des Verstandes nachzuvollziehen. „Liebe die Vernunft sehr!“, lautete seine Devise, die er in zahlreichen Briefen immer wieder äußerte. Gleichzeitig eröffnete er philosophischen Denkern Wege zur Bibel, die er in seinen Schriften stets mit einbezog.

      Mittler der Denkkulturen: Thomas von Aquin

      Auf dem Weg nach Paris geschah es. Es ging ganz schnell. Sein Bruder fackelte nicht lange, setzte Thomas auf ein Pferd und floh mit ihm während einer Rast auf der kaiserlichen Festung Acquapendente auf eine Burg der Familie nach Kampanien. Der Entschluss des Thomas, kurz zuvor in einen Bettelorden einzutreten, hatte die Familie erzürnt. Mit dieser Entführungsaktion meinte man, den Mönchsbruder wieder zur Räson zu bringen. Schließlich war sein Weg vorgezeichnet. Nicht, dass sich gegen sein Leben als Mönch Widerstand regte, diesen Weg hatte man für den fünfjährigen Thomas bereits vorgezeichnet, als man ihn in das berühmte Benediktinerkloster Monte Cassino übergab. Aber der Eintritt in den erst rund 30 Jahre alten Bettelorden der Dominikaner widersprach dem Stand der adeligen Familie, aus der Thomas von Aquin stammte. Mit dem Hausarrest, den man dem störrischen Thomas nun auferlegte, erreichte die Familie allerdings nichts. Nach mehr als einem Jahr blieb der Wille des Thomas ungebrochen, er konnte schließlich nach Neapel zurückkehren und sein Studium wieder aufnehmen. Anschließend reiste er erneut nach Paris.

      Eine abenteuerliche Episode, die der Geschichtsschreiber Ptolemäus von Lucca in seiner Kirchengeschichte beschreibt. Die genauen Angaben legen nahe, dass sich diese Szenen auch so abgespielt haben, schließlich war der Eintritt des adeligen Thomas von Aquin in den Prediger- und Bettelorden der Dominikaner eine kleine familiäre Revolution. Thomas war der dritte Sohn des Grafen Landulf, des Herrn von Aquino, einer kleinen Stadt, etwa 30 Kilometer von Neapel entfernt. Er wurde Anfang 1225 oder Ende 1224 auf der Schlossfestung Roccasecca geboren. Sein Vater Landulf wollte sich mit der Kirche gut stellen, denn das Auskommen mit allen politischen und gesellschaftlichen Mächten erwies sich als enorm wichtig für einen Lehnsherrn seines Standes. So entschied er sich, dem fünfjährigen Thomas eine Karriere als gelehrter Mönch im Kloster Monte Cassino zu verschaffen, und übergab ihn im Jahr 1230 dem einflussreichen Abt. Die Familie des Thomas allerdings geriet während des Einmarschs Friedrichs II. nach Italien zwischen die Fronten geistlicher und weltlicher Macht. Thomas musste das Kloster verlassen und wurde zum Studium nach Neapel geschickt, um dort an der Artistenfakultät ein akademisches Leben zu beginnen, dem letztlich erst sein Tod ein Ende setzte.

      Während des Studiums allerdings wechselte Thomas in den Dominikanerorden. Diese neuartigen Ordensleute waren 1231 nach Neapel gekommen und hatten dort wie überall, wo sie auftraten, eine enorme Anziehungskraft auf die jungen Leute ausgeübt. Sie brachen mit den herkömmlichen Privilegien, lebten in evangelischer Armut und predigten den einfachen Leuten das Evangelium. Diese neue Art zu denken faszinierte den außerordentlich klugen Thomas. Mit der Welt zu brechen und gleichzeitig ganz gegenwartsbezogen in ihr zu wirken, das war für Thomas die eigentliche Konsequenz der Inkarnation. Ganz eingebunden in die Kultur ihrer Zeit, versuchten die Dominikaner, Probleme ihrer Zeit im Licht der Botschaft aus der Ewigkeit zu lösen. Dabei nahm die Vernunft eine wichtige Rolle ein: Der Glaube führt die Vernunft zu sich selbst, ihre Aufgabe liegt letztlich im Verstehen des Glaubens. Die dominikanische