eines der subtilsten und garantiert wirksamsten beispiele dieser form von psychologischer kriegsführung im wahren sinne des wortes ist noch folgendes:
– türschloß »nachprüfen«: plötzlich dreht sich der Schlüssel in der tür, das ebenso bekannte wie hässliche und aufregende geräusch. da es aber außerhalb der essenszeiten ist (bei denen auch alles andere normale wie post etc. erledigt wird), sofort erhöhte alarmbereitschaft, starker adrenalinstoß: im besten falle könnte es ein unerwarteter (anwalts) besuch sein, zu rechnen ist aber meist mit irgendeiner normalerweise unangenehmen auseinansetzung mit anstaltsleitung oder deren adlati, und im negativsten fall stehen nach so einem schlüsselrumdrehn draußen acht mann vom bka und wollen »fingerabdrücke« unter zuhilfenahme von besenstangen, knien in weichteilen, haare ausreißen, kopf auf den boden schlagen und spitziges unter die fingernägel: wenn dir das zweimal passiert ist, ist der adrenalinstoß nicht mehr abzustellen, vor einiger zeit war dann auch mal wieder das bka da, ging zwar sofort wieder, aber als erinnerung reicht’s.
– offen willkürliche(s) demütigung/unterwerfungsritual:
nach einer beschwerde über ein an den arsch gefaßt werden beim abtasten und einem antrag, die abtasterei ganz wegzulassen: anordnung, jedesmal ganz ausziehen, und zwar zum einzelhofgang, der von vier mann überwacht wird, im hof des verwaltungsbaus stattfindet (also nebenbei von der halben belegschaft überwacht wird) und bei dem auch sämtliche drei türen währenddessen mindestens einmal überprüft werden, ob sie auch wirklich zu sind; außerdem sich die bewacher bei jeder runde an ein anderes fenster stellen, damit ich nicht berechnen kann, wo sie stehen, oder wenn ich sie am türfensterchen stehen sehe, (manchmal nicht rechtzeitig) wegtauchen – sich dazu vorher und nachher nackt ausziehen zu müssen, kommt in etwa dem verlangen gleich, in der hocke über den hof zu hüpfen und zu bellen
– ich lehne das natürlich ab und habe seitdem keinen hofgang mehr.
– ausziehen auch zum trennscheibenbesuch, der von lka und anstalt überwacht wird – inkonsequenterweise lehne ich die besuche nicht ab. ausziehen auch – ebenfalls vorher und nachher – bei ra-be-such im trennscheibenraum mit lochblech am fenster. kann ich nicht ablehnen.
– isolation:
ich hab noch keinen gefangenen außerhalb meiner zelle gesehen, gänge werden total evakuiert, kommt man vom einen in den anderen gang, rechtzeitig vorher stop, vorhut sichert die lage, verscheucht evtl. noch rumlaufende gefangene und erst wenn alles frei ist, kann ich kommen, selbst zur essensausgabe durch die klappe müssen die gefangenen inkl. hausarbeiter in die zellen.
– die nebenzelle wird ständig umgelegt (einmal, nachdem ich extra beim besuch erwähnt hatte, daß ich mit dem nebenmann geredet hatte, weil ich wußte, daß er noch ein paar tage dort hätte bleiben müssen, wurde er am selben abend noch verlegt), im hof kann ich welche spazieren gehen sehen – der ansatz eines versuchs, mit mir zu reden, wird mit abbruchsandrohung beantwortet, meine zelle ist ja auch gleich am anfang, wo auch die bewacher stehen.
– physische gewaltandrohung/übermachtdemonstration:
4 mann, meist aber 5 oder 6, spitze waren bis jetzt 8 – acht – mann vor der tür im evakuierten gang, sobald ich den kleinen zeh aus der zelle setze, die alarmstufe eins ins gesicht geschrieben. sprechfunkgeräte umgehängt, sofort einer vor, je einer neben und einer hinter mir.
– abtasten war dann meist auch von hinten, einer »sichert«, »strategisch plaziert«, den »fluchtweg« zum gang hin (20 meter weiter die nächste verschlossene tür). einer überwacht das ganze aus überblick habender position. in dieser marschordnung dann zum hof oder anwalt. jedesmal.
das habe ich in noch keinem anderen knast erlebt und weiß es auch aus keinem anderen, das höchste sind drei wächter.
die aggressivität und einen fast physischen angriff bedeutende wirkung einer solchen situation läßt sich praktisch kaum vermitteln und ist natürlich im kontext bzw. als gipfel alles bisher beschriebenen zu sehen, da ich es ablehne, mir unter solchen umständen morgens meine zwei schweigenden brote vom essenswagen zu holen oder diese heerscharen meine zelle penetrieren zu lassen; wenn ich post kriege, laß ich mir das zeugs jetzt alles durch die klappe geben, wenigstens kleine abgrenzungsdemonstration, zu der ich mich durch die überdeterminierte wachmannschaft gezwungen sehe, selbst dann kommen sie zu dritt, aber auch nicht, ohne zu evakuieren, und nicht ohne den obersten »dienstleiter«: als ich mal nachschlag wollte, mußte ich 10 minuten warten, bis der da war, die drei von der station konnten das nicht alleine, es gibt nur ein wort für das, was da läuft: krieg.
das ist auch der grund, wieso ich das geschrieben habe, denn es macht klar, daß es nicht um eine auseinandersetzung wackernagel/ frankenthal geht, sondern um die auseinandersetzung guerilla/staat, wovon das nicht mal der schärfste ausdruck ist, siehe hochsicherheitstrakt, aber als – mehrfach so bezeichneter – normalvollzug auf andere weise umso gefährlicher, da es sich viel schwieriger vermitteln läßt; das besondere an frankenthal ist, dass für die spezielle aufgabe der zerstörung wackernagel, weil er raf ist, kein extra programm entwickelt werden muß, sondern sie paßt nahtlos in das allgemeine programm rein wie kaum woanders, das vorhandene wird nur auf höchststufe gefahren.
als ich mal vom »sicherheitsinspektor« eine änderung verlangte, mindestens so, wie es in den anderen knästen auch sei, meinte er, es läge an mir, daß ich die situation so empfinden würde, wahrschein lich habe ein bruch (wolff heißt der typ) bei mir stattgefunden, dassei normal nach drei jahren knast. ich habe mich bedankt für die offenheit, mit der er einmal mehr den zweck des ganzen auf den begriff gebracht hat.
und nochmal: auch wenn das ganze hier nur etwas deutlicher als zum beispiel gegenüber dem fast als kurhotel erscheinenden düsseldorf ist (es entspricht z. b. dem, was woanders vorübergehend nach einem fluchtversuch oder tätlichen angriff auf wächter durchgezogen wird, bloß als dauereinrichtung), ist es doch nur ein beispiel, daß es bei allen auf leben und tod geht: nicht mehr und nicht weniger.
und es zeigt, daß es nur eine möglichkeit gibt, wenn wir hier nicht wie die fliegen verrecken wollen – und zwar egal ob lebenslang oder »nur« 15 Jahre –:
die zusammenlegung.
Widersprüche
Zur Diskussion um Begnadigung oder Amnestie von Gefangenen aus der Roten Armee Fraktion
Die Tatsache, dass der Bundespräsident erwägt, Angelika Speitel und Peter-Jürgen Boock zu begnadigen, ist sicherlich ein Zeichen dafür, dass die Hysterie der bundesrepublikanischen Gesellschaft gegenüber ihrer bisher fundamentalsten Opposition, der Roten Armee Fraktion, nach deren Scheitern abgeklungen ist. Warum, fragt man sich aber, ist für die Befürworter einer Begnadigung z. B. Boock der harmloseste Mensch auf der Welt, für ihre Gegner jedoch der raffinierteste und kaltblütigste Killer? Warum bricht mit einer Begnadigung für die einen gleich der Friede auf Erden aus, für die anderen geht die Welt unter? Warum ist diese Frage denn ohne aktuellen Anlass gerade jetzt ein zeitweilig tägliches Nachrichtenthema? Die irrationale Art und Weise, in der diese Diskussion geführt wird, lässt darauf schließen, dass nach wie vor einige zentrale Fragen tabuisiert werden. Und wenn man die Argumente der Befürworter und Gegner genauer untersucht, ergeben sich sogleich krasse Widersprüche:
* Die Gegner betonen, man könne keine Mörder begnadigen, der Rechtsstaat leide Schaden. Sofern sie im Bundestag sitzen, sind sich dieselben Personen nicht zu schade, fast schon im gleichen Atemzug dafür zu plädieren, die Entlassung von Mördern nach 3 Jahren gesetzlich festzulegen, wenn diese Mörder zudem Verräter sind – wie geplant im neuen Kronzeugengesetz. So dummdreist funktioniert Politik hierzulande.
Fragwürdig ist es jedoch, als Begründung für eine Begnadigung zu nennen, Speitel und Boock seien persönlich keine Morde nachgewiesen: