Games | Game Design | Game Studies. Gundolf S. Freyermuth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gundolf S. Freyermuth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783862871766
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Januar 1927, drei Wochen nach der Gründung der BBC.36 Damit war Fußball in der tertiären Medialität angekommen. Die erste Fernsehübertragung, wiederum durch die BBC im noch experimentellen Sendebetrieb, wurde bereits ein Jahrzehnt später ausgestrahlt, im September 1937.37 In den Gründerjahren des Fernsehens, den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts, gingen – zumindest in Großbritannien und Kontinentaleuropa – Fußball und Fernsehen eine symbiotische Beziehung ein: Neben der Übertragung von Spiel- und Unterhaltungsshows sowie der Ausstrahlung von Spielfilmen trug Fußball entscheidend dazu bei, dass die Television zum neuen Leitmedium der Epoche aufstieg. Umgekehrt sorgte die Integrierung des Sports ins tertiäre Massenmedium durch Live-Über­tragungen, Meldungen in den Nachrichtensendungen und eigene Sportschauen dafür, dass Fußball von einem proletarischen Mitmachspiel britischer Provenienz zu einem globalen, alle Klassen begeisternden Spiel wurde, das die Mehrheit der Menschen primär als Zuschauer erlebte.

      QUARTÄRE MEDIALITÄT: VOM ZUSCHAUER ZUM SPIELER

      Im Zuge der Digitalisierung entstand dann eine weitere Medialität, die wiederum auf beiden Seiten des Kommunikationsprozesses Technik einsetzt, jedoch prinzipiell über Rückkanäle verfügt – ob dieses Potential zur Interaktion den Nutzern nun zur Verfügung gestellt wird oder nicht. Denn auch unter digitalen Produktions- und Distributionsbedingungen folgen die Hersteller linearer Audiovisionen in der Regel der Tradition des Kinofilms und den künstlerischen Prä­rogativen, die sich mit ihr verbinden. Unabhängig davon, ob sie in der Tat weiterhin im Kontext der tradierten Offline-Medien Kino und Fernsehen arbeiten oder bereits für Online-Medien, präsentieren sie ihrem Publikum eine Final-Cut-Version als geschlossenes Werk. Sie reservieren also die dem Transmedium in­härenten Interaktionsmöglichkeiten für sich selbst und ihren kreativen Umgang mit den Software-Dateien. Game Designer hingegen integrieren die Befähigung, mit Elementen der jeweiligen Audiovisionen zu interagieren, in das Interface der Spiele und offerieren darüber hinaus häufig auch einen Zugang, der tiefergehende Veränderungen des Spiels erlaubt, so genannte Mods, also Modifizierungen.

      Zum zweiten gelang auf Seiten der Rezeption eine Integration und drastische Steigerung der Rezeptionsweisen, die sich mit primärer, sekundärer und tertiärer Medialität verbinden. In der Virtualität lässt sich so erstmals dem Prinzip nach arbiträr zwischen fremdbestimmter, selbstbestimmter und interaktiver Nutzung medialer Artefakte wählen beziehungsweise wechseln. Damit scheint das digitale Transmedium einen historischen Um- oder auch Rückschwung im Hinblick auf das kulturell dominierende Verhalten gegenüber ästhetischen Artefakten einzuleiten.

      Die weitgehende Stillstellung des Publikums – im Theater, im Museum, im Kino, vor Radio und Fernseher – war bekanntlich eine Leistung industrieller Kultur. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurden Theatersäle zum Beispiel nicht abgedunkelt. Zeitgenössische Darstellungen und Beschreibungen dokumentieren, in welch hohem Maße das Publikum, das sich sehen und beobachten konnte und den Theaterbesuch als soziales Ereignis begriff, untereinander und auch mit den Schauspielern interagierte, etwa durch anfeuernde oder schmähende Zwischenrufe. Den kollektiven Tunnelblick, der vom lichtlosen Zuschauerraum auf die Bühne fallen muss, führte erst Richard Wagner in Bayreuth ein. Das Arrangement nahm als proto-cinematische Rezeptionsform so aus Gründen ästhetischer Sammlung die Abdunkelung vorweg, die wenig später der Film aus technischen Gründen erfordern sollte.