Afra, die mit den beiden First Ladys des Landfrauenvereins ebenfalls den Platz überquerte, sah sofort das neue Dirndl. »Ja, mei, das ist das teuerste, das du bei Nannerl Graubner finden kannst!«
»Und das schönste«, stellte Therese Kornhuber – nicht ganz neidlos – fest. »Ich wollte es anprobieren, aber leider hatte Nannerl meine Größe nicht vorrätig, und zum Schneidern blieb dann nicht mehr die Zeit.«
Ihre beiden Freundinnen schauten kurz auf Thereses stattliche Figur, warfen sich dann einen vielsagenden Blick zu, sagten aber nichts.
»Und dann diese schwarze Katze! Wie macht die Zugereiste das nur, dass ihr das Viecherl auf Schritt und Tritt folgt? Das grenzt doch schon an Zauberei«, sinnierte Elvira Draxler.
»Das ist schon merkwürdig«, stimmte Afra zu. »Und wisst ihr, was ich noch merkwürdig finde? Dass dieser Til Tilsner gerade jetzt eine Autopanne hatte, direkt vor ihrem Geschäft! Und das, wo doch sein neues Buch verkauft werden soll.«
»Was willst du denn damit sagen?«
»Nichts will ich damit sagen! Ich meine ja nur: rote Haare, schwarze Katze, günstige Zufälle …«, der Rest des Satzes blieb in der Luft hängen.
»Afra, jetzt wirst spinnert!«, stellte die bodenständige Therese fest. »Wir sollten uns weniger Gedanken um diese Elisabeth Faber machen und lieber unsere Augen offenhalten, ob wir den Tilsner auf dem Fest sehen. Nicht umsonst hat der Landfrauenverein einen Tisch auf der Terrasse von seinem Hotel reserviert.«
Sofort waren die beiden anderen Damen beim Thema Prominenz und ließen noch einmal ihre Erfahrungen vom Auftritt des gefeierten Sängers Florian König in Bergmoosbach an sich vorüber ziehen. Bester Stimmung kam das Trio im Steg-Haus an und setzte sich an den Tisch mit der besten Aussicht.
Inzwischen war Elli in der Wohnung ihrer Freundin Anna verschwunden, die über der gegenüber liegenden Apotheke wohnte. Die beiden Frauen begrüßten sich fröhlich, und Dante und Betty, die beiden niedlichen Katzenkinder, waren sofort in ein aufregendes Fang-das-Wollknäuel-Spiel vertieft.
»Du siehst toll aus!«, sagte Anna mit aufrichtiger Bewunderung.
»Du auch!«, antwortete Elli. »Sebastian wird Augen machen.«
»Das hoffe ich!« Anna zupfte sich noch einige Haarsträhnchen aus dem weichen Nackenknoten und befestigte eine wunderschöne, echte Rosenblüte, die betörend duftete.
»Mhm, das ist ja eine Viktoria Luise«, stellte Elli fest und schnupperte hingerissen an dem Blütenkelch. »Der Duft ist wirklich traumhaft.«
»Sebastian hat mir den Rosenstock zum letzten Geburtstag geschenkt«, sagte Anna zärtlich. »Er meinte, diese Rosensorte passt genau zu mir.«
»Der Mann hat ein gutes Auge!« Elli blinzelte ihr verschwörerisch zu.
Die junge Hebamme trug kein Dirndl, sondern ein Sommerkleid mit dünnen Trägern, die sich über ihrem schmalen Rücken kreuzten. Der zarte Stoff hatte genau den gleichen Farbton wie ihre grünen Augen. Die prächtige Rosenblüte, apricot- und roséfarben, setzte einen wunderschönen Akzent in ihre dunklen Haare.
»So, ihr Süßen, ihr spielt und kuschelt zusammen, bis wir nach Hause kommen«, verabschiedeten sich die beiden Freundinnen von den Kätzchen und gingen gemeinsam zum Doktorhaus hinauf, wo sie von der Familie Seefeld erwartet wurden.
Benedikt öffnete ihnen die Tür und begrüßte sie mit einem charmanten Lächeln. »Es ist eine Ehre für meinen Sohn und mich, mit vier so schönen Damen auf das Lichterfest gehen zu können«, sagte er galant.
Emilia kicherte und stupste ihren Großvater spielerisch in die Seite, aber Traudels Herz machte bei seinen Worten einen kleinen Satz. Auch sie trug ein neues Dirndl, es war pfauenblau und hatte eine grüne Seidenschürze. Benedikt hatte stumm gelächelt, als sie heute Abend in die Stube trat, und ihre Hand geküsst, und sie hatte gewusst, dass sie heute Abend seine Königin sein würde.
Sebastian Seefeld im hellen Sommeranzug reichte Anna und Emilia seine Arme. »Meine Damen, wenn ich bitten darf?« Traudel und Elli hakten sich bei dem Senior der Familie ein, und dann ging es in Begleitung des ausgelassenen Nolan hinunter an den Sternwolkensee.
Dort waren viele Plätze bereits besetzt, aber man saß nicht nur auf den Terrassen der angrenzenden Restaurants. Rund um den See waren Tische, Stühle und Bänke aufgestellt worden, und Leute breiteten ihre Picknickdecken aus. Sebastian Seefeld hatte zwei Tische reserviert, die nahe dem Seeufer unter einer mächtigen Kastanie standen. Von den Ästen hingen an weißen Bändern Lampions und kleine, gläserne Windlichter herab, die in der Dunkelheit angezündet werden sollten.
»Es sieht jetzt schon wunderschön aus!«, sagte Elli begeistert.
»Du siehst wunderschön ist«, sagte eine wohlbekannte tiefe Männerstimme neben ihr.
»Henning!« Elisabeth entfaltete mit beiden Händen die raschelnde Schürze und drehte sich mit schwingendem Rocksaum einmal im Kreis. »Das ist keine Kunst, wenn man ein solches Kleid trägt. Danke für dein wunderschönes Geschenk, Henning!« Wie von selbst fanden ihre Hände den Weg auf seine Schultern, sie hob ihm ihr Gesicht entgegen und küsste ihn auf beide Wangen. »Das war sehr aufmerksam von dir.«
»Ich wollte dir so gern eine Freude machen!«
Elli stellte ihren geschiedenen Mann der Familie Seefeld vor, und das Paar setzte sich an einen der reservierten Tische. Gerti, Benedikts langjährige Praxishelferin, schlenderte Hand in Hand mit ihrer wiedergefundenen Tanzstundenliebe Korbinian Wamsler vorbei, und auch sie setzten sich zu der fröhlichen Runde.
Traudel tauschte einen stillen Blick mit Gerti. Doktor Benedikt Seefeld war über viele Jahre der heimliche Schwarm seiner Sprechstundenhilfe gewesen, und es hatte immer eine unterschwellige, leise Konkurrenz zwischen den beiden Frauen bestanden. Im Haus war Traudel die wichtige Frau gewesen, im Praxisalltag Gerti. Jetzt war Gertis Leben, neben ihrer Arbeit für den jungen Doktor Sebastian, erfüllt von ihrer späten Liebe zu Korbinian. Sie war sichtlich aufgeblüht an der Seite des warmherzigen, älteren Mannes.
Emilia trug an diesem Abend weiße Jeans, die ihre endlosen Beine betonten, und eine weiße Tunika, die mit zarten, grauen Federn bedruckt war. Eine einzige Feder nur war leuchtend rot, und in ihr langes, dunkles Haar hatte das junge Mädchen eine hauchfeine Perlenschnur und eine echte rote Vogelfeder eingeflochten. Sebastian schaute seine schöne Tochter voller Stolz und Vaterliebe an. Wie erwachsen Emilia geworden war! Nur noch wenige Jahre, und sie würde das heimische Nest verlassen und in ihr eigenes Leben aufbrechen … Er unterdrückte einen Seufzer.
Jetzt kam Markus Mittner, Emilias Freund, und wurde von dem jungen Mädchen liebevoll begrüßt. »Papa, ich bin dann mal bei den Mittners drüben; bis später, meine Lieben!«, rief sie in die Runde und verschwand Hand in Hand mit ihrem Freund zu der Picknickdecke, auf der Markus’ große Familie Platz genommen hatte. Markus setzte sich auf einen Baumstumpf und zog die lachende Emilia auf seinen Schoß.
Sebastian fühlte Traudels Hand auf seinem Arm, und er begegnete dem verständnisvollen Blick ihrer warmen, dunklen Augen. »Es geht so schnell, dass die Kinder groß werden, gell?«, sagte sie leise.
Der junge Landdoktor hob sein Glas und ließ es sachte gegen das seiner geliebten Ersatzmutter klingen. »Auf das Großwerden und das Behütetbleiben!«, antwortete er lächelnd.
Henning hatte die kleine Szene beobachtet und wandte sich Elisabeth zu. »Du hast hier sehr sympathische Freunde gefunden.«
Elli nickte lächelnd. »Ja, das habe ich und ich bin dankbar dafür.«
Ihr Ex-Mann musterte sie freundlich. »Es liegt an dir, Elli. Mit dir ist man einfach gern befreundet. Das war schon immer so; erinnerst du dich an früher? Wie gern alle zu uns gekommen sind? Wie viele schöne Einladungen wir gegeben haben?«
»Wir?«, antwortete Elli ruhig. »Die Einladungen hast du mir überlassen, die Vorbereitungen, die Einkäufe und alles