Mizzi nickte. »Ja, es ist wegen Rainer.«
Daraufhin atmete ihr Großvater tief durch.
»Wenn… wenn du bis morgen bleiben könntest«, sagte er. »Heut’ abend ist sonst außer mir niemand in der Küche…!«
»Ist schon recht, Großvater«, sagte Mizzi, »morgen gegen den Mittag fahr’ ich dann.«
»Aber wiederkommen tust schon, oder?«
»Sicher komm’ ich wieder«, antwortete Mizzi, »aber es kann ein paar Tage dauern…!«
*
Mizzi hatte schon längst aufgelegt, da hielt Rainer Bald den Hörer immer noch in der Hand. Die Worte Biggis gingen ihm durch den Kopf, daß Mizzi ihn im Grund genommen nicht abgelehnt habe, sondern in ihn verliebt sei.
Als Biggi ihre Sachen abgeholt hatte, hatte sie wissen wollen, was er wegen Mizzi unternommen habe.
»Denk dran«, hatte sie gesagt, »keinem wird das Glück geschenkt, ein bissel was muß jeder dafür tun. Auch dir, dem es fast in den Schoß fällt, aber eben nur fast…!«
Rainer sah auf die Uhr. In drei Stunden konnte er im Allgäu sein. Er hatte zwar einen beruflichen Termin, aber den platzen zu lassen, bereitete ihm im Moment keinerlei Probleme.
Binnen weniger Sekunden faßte er den Entschluß, ins Allgäu zu fahren. Zuerst wollte er noch im Bergerhof anrufen, um ein Zimmer zu bestellen, aber das schenkte er sich. Minuten später war er unterwegs.
Als er drei Stunden später in Immenstadt auf die Straße einbog, die über Sonthofen nach Oberstdorf führte, hatte er ein gutes Gefühl. Doch schon wenige Kilometer weiter änderte sich das und er zweifelte wieder.
»Was ist los mit dir?« fragte er sich leise. »So bist du doch sonst nie gewesen. Du liebst ein Mädchen, was ist daran so außergewöhnlich?«
Es war gegen zweiundzwanzig Uhr, als er im Bergerhof ankam, wo Heidi große Augen machte.
»Du bist wieder da?« fragte sie.
Rainer nickte. »Ja, und ich müßt’ noch mal ein Zimmer haben.«
»Das ist kein Problem«, sagte Heidi, »aber was ist passiert?«
Rainer grinste. »Das will ich dir sagen, ich bin bis über beide Ohren verliebt.«
»Mizzi…?«
Rainer nickte. »Ich kann hin und her denken, alle Gedanken enden bei ihr. Ich werd’ jetzt zu ihr hinausfahren und die Sache klären. Wenn ich morgen zum Frühstück nicht da bin, schick mir die Rechnung nach Stuttgart, dann bin ich endgültig abgeblitzt.«
Die Bergerhof-Heidi lächelte. »Die Mizzi wird dich mit offenen Armen empfangen, da bin ich ganz sicher. Sie ist ein wunderbares Madel.«
Rainer nickte. »Das ist sie.« Gleich darauf war er unterwegs zur Lohmühle.
»Wer grad’ da war, rätst du nie«, sagte Heidi, als sie in die Küche zu Luise kam.
»So…?« erwiderte die lächelnd. »Willst dich wieder mal mit mir messen?«
»Wer war hier?« Heidi sah ihre Schwiegermutter fragend an.
»Was gilt’s denn diesmal?« erwiderte sie. »Wenn ich zurückdenk’, dann krieg’ ich noch ein Wochenende in München, ein absolut nobles Essen bei…«, jetzt lächelte Luise. »Ich könnt’ das Essen ja auch in den ›Werdenfelser Stuben‹ wählen. Ich erinnere mich, daß ich da freie Wahl hab’.«
»Wieso betonst du das so?«
»Weil mir inzwischen eingefallen ist, wer eben da war.«
»Wer…?«
»Zuerst will ich wissen, um was es geht.«
»Ich servier’ dir eine Woche lang das Frühstück dort, wo du es haben willst.«
Luise dachte kurz nach, dann nickte sie zufrieden. »Das ist in Ordnung. Also, es gilt. Wenn ich es weiß, servierst du mir das Frühstück, wenn nicht, dann servier ich dir das Frühstück.«
Heidi lachte. »Gut. Also, wer war da?«
»Es kann nur Rainer Bald gewesen sein«, antwortete Luise. »Nur er hat dein Erstaunen derart deutlich machen können. War er’s?«
Heidi preßte einen Augenblick die Lippen aufeinander. »Es ist nicht zu fassen. Ja er war’s. Wie bist du nur auf ihn gekommen?«
»Als ich drüber nachgedacht hab’, wo ich ein Essen gut hab’, da ist mir zuerst der Haubner-Clemens eingefallen, und im gleichen Moment die Mizzi. Von ihr die Verknüpfung zu Rainer zu finden, ist ja wohl net besonders schwer…!«
Während Heidi und Luise sich darüber unterhielten, wer demnächst wem das Frühstück zu servieren hatte, fuhr Rainer in Richtung Weißbachtal, an dessen Ende die Lohmühle lag.
Als Rainer seinen Wagen auf dem Parkplatz abstellte, schmerzte ihn sein Herz und es begann heftiger als sonst zu schlagen.
Es waren fast noch alle Tische besetzt, und die Bedienung verzog ein wenig das Gesicht, als sie ihn sah.
»Es gibt nur mehr Kleinigkeiten«, sagte der Kellner, »es ist schon ein bissel spät…!«
»Was könnt’ ich denn haben?« wollte Rainer wissen.
»Ich werd’ mal fragen«, erwiderte der Kellner und wollte in Richtung Küche verschwinden.
»Einen Moment bitte…!«
»Ja?«
Rainer stand auf. »Ich geh’ selbst fragen. Die Mizzi ist doch auch da, oder?«
»Ja, die Mizzi ist da.«
»Danke.« Rainer lächelte und ging in Richtung Küche.
Ambros Kramer sah Rainer, als der einen Moment im Türrahmen zögerte und er reagierte sofort.
»Mizzi…?«
»Ja?« Das zierliche Mädchen sah sich nach ihrem Großvater um.
»Kannst mal grad’ herkommen?«
Während Mizzi zu ihrem Großvater ging, gab der Rainer ein Zeichen.
»Was ist?« Mizzi sah ihren Großvater fragend an.
»Ich geb’ dir für den Rest des Abends frei«, sagte der.
»Wie bitte?« Mizzi zog die Augenbrauen zusammen. »Verulken mußt mich net grad.«
»Hallo, Mizzi…!« Rainer stand zwei Meter hinter ihr mitten in der Küche.
Mizzi wurde blaß und drehte sich dann in Zeitlupe um.
»Rainer…!«
»Hallo, Mizzi.«
»Wo kommst du denn her?«
»Gradwegs aus Stuttgart«, antwortete Rainer Bald. »Ich hab’ mich gleich nach unserem Telefongespräch in den Wagen gesetzt.«
»Aber… aber dein Notizbuch ist nicht hier.«
»Wegen des Notizbuchs komme ich nicht.«
»Weswegen kommst du dann?«
»Ich komme wegen dir.«
»Wegen mir?« Mizzis Stimme klang plötzlich noch leiser als vorher.
Rainer trat einen Schritt auf sie zu und nickte. »Ja, wegen dir.«
»Wieso kommst wegen mir?«
»Weil… weil ich dich lieb hab’«, antwortete Rainer. »Eigentlich hab’ ich dich schon supernett gefunden, als ich dich damals zum ersten Mal auch hier in der Küche gesehen hab’. Aber dann hast du mir deutlich zu verstehen gegeben, daß du nicht wünschst, daß ich mich dir irgendwie nähere.«
Mizzi