Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Susanne Svanberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Svanberg
Издательство: Bookwire
Серия: Sophienlust
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980573
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umarmte sowohl Evi als auch Betti, die dadurch sehr verlegen wurde.

      »Nur Ihnen haben wir es zu verdanken, dass Erich sich zu der Operation entschloss«, rief Frau Haslinger. »Aber ich weiß, dass er vorhat, Ihnen das alles zu vergelten«, fügte sie hinzu und setzte eine verschwörerische Miene auf, während ihr Mann sie warnend ausstieß.

      Betti konnte nicht erraten, was Frau Haslinger ihr andeuten wollte. Sie versuchte es auch gar nicht.

      Falls Herr Gleisner ihr Geld anbieten wollte – nun, sie würde es zurückweisen.

      Dann trat Erich Gleisner aus dem Haus. Bei den früheren Begegnungen hatte Betti ihn nur als Behinderten gesehen, doch jetzt war er wiederhergestellt. Zwar ging er noch langsam und stützte sich auf einen Stock, aber die Unbeholfenheit und die Krücken waren verschwunden. Unversehens musste Betti daran denken, dass Evi ihren Vater im Zug schön genannt hatte. Das war natürlich ein kindlicher Ausdruck gewesen, doch es war nicht zu leugnen, dass es sich bei Erich Gleisner um einen sehr gut aussehenden Mann handelte. Betti fühlte, wie ihr Herz plötzlich klopfte.

      »Mein Vati ist wieder gesund! Er kann gehen!«, jauchzte Evi und warf sich in seine Arme.

      Betti kam langsam näher. Diesmal wurde sie von Evis Vater nicht ablehnend, sondern mit einer Zuvorkommenheit begrüßt, die sie ihm nie zugetraut hätte.

      »Ich muss wohl recht unleidlich gewesen sein«, meinte Erich Gleisner, als habe ich ihre Gedanken erraten.

      »O nein …« Betti errötete und schüttelte den Kopf.

      »O doch. Ich hoffe, dass Sie mir verzeihen. Ich war ein kranker Mann. Herr und Frau Haslinger haben auch große Geduld mit mir bewiesen. Es ist mir erst jetzt zu Bewusstsein gekommen, wie sehr ich ihnen zu danken habe.«

      Herr Haslinger wehrte ab. »Es war doch eine Selbstverständlichkeit, dass ich für dich eingesprungen bin«, meinte er. »Im umgekehrten Fall hättest du es ebenso gemacht. Nein, das Verdienst gebührt in erster Linie Betti, weil es ihr gelungen ist, dich von der Notwendigkeit der Operation zu überzeugen.«

      »Nein, nein …«, stotterte Betti.

      Evi bereitete ihrer Verlegenheit ein Ende, indem sie behauptete, fürchterlich hungrig zu sein.

      »Ja, komm nur, ich habe alles vorbereitet«, entsann sich Frau Haslinger ihrer Hausfrauenpflichten.

      Es gab ein üppiges Mahl, auf das sich Evi mit einem wahren Heißhunger stürzte.

      »Na, das sieht ja fast so aus, als ob du tagelang nichts gegessen hättest«, sagte Erich Gleisner scherzend, worauf Betti steif entgegnete: »Evi hat immer ausreichend zu essen bekommen.«

      Erich Gleisner lachte und sagte: »Meine Worte waren nicht als Vorwurf gegen Sie gemeint. Ich zweifle nicht daran, dass Sie Evi ausgezeichnet versorgt haben. Übrigens fällt mir auf, dass Sie selbst kaum einen Bissen zu sich nehmen.«

      Das stimmte. Bei ihrem ersten Abendessen im Forsthaus hatte ihr die abweisende Haltung Erich Gleisners den Appetit verdorben, und jetzt war es der drohende Abschied von Evi. Betti kam sich schlecht und egoistisch vor. Alle waren fröhlich und guter Dinge, nur sie konnte ihrer Niedergeschlagenheit nicht Herr werden.

      Evi war so ausgelassen und aufgeräumt, dass sie kaum zum Einschlafen zu bewegen war. Ihr Vater und Betti saßen neben ihrem Bett. Evi hatte sich bereits drei Gute-Nacht-Geschichten erzählen lassen, ohne dass ihr die Augen zugefallen wären.

      »Du musst doch müde sein, Kind«, sagte Erich Gleisner ein bisschen ratlos. »Es ist spät, und du warst stundenlang unterwegs.«

      »Ich werde mich auch niederlegen«, meinte Betti. »Vielleicht schläft Evi dann ein.«

      »Eigentlich wollte ich noch mit Ihnen sprechen«, sagte Erich Gleisner.

      »Heute noch?«, fragte Betti mit zitternder Stimme.

      »Ja, falls Sie nicht zu müde sind. Aber ich will es nicht länger aufschieben.«

      »Ich bin nicht müde«, murmelte Betti. »Aber Evi …«

      »Es macht mir nichts aus, allein zu bleiben«, meldete sich Evi. »Ich fürchte mich nicht, ich bin ja hier zu Hause. Geh nur mit Vati.«

      Betti gab Evi einen Gute-Nacht-Kuss und verließ das Zimmer mit schleppenden Schritten. Gleich würde der Augenblick kommen, da Evis Vater ihr mitteilen würde, dass sie überflüssig sei, weil er sich in Zukunft selbst um das Wohl seiner Tochter kümmern würde.

      Einstweilen machte er jedoch nur eine Bemerkung, die Betti nebensächlich zu sein schien: »Draußen ist es angenehm warm. Ich möchte gern mit Ihnen in den Garten gehen. Sind Sie einverstanden?«

      Betti hatte nichts gegen diesen Vorschlag einzuwenden. Es war ihr egal, an welchem Ort sie die schlimme Nachricht empfing. Im Garten war es dunkel. Falls sie nicht imstande sein würde, die Tränen zurückzuhalten, würde er sie wenigstens nicht sehen.

      Schweigend schlug Erich Gleisner den Weg zu der Gartengarnitur ein, von der aus er Betti damals beim Jäten des Blumenbeetes beobachtet hatte. Es war jedoch nicht so finster, wie Betti gehofft hatte. Der Vollmond tauchte den Garten in ein silbriges Licht.

      Als sie bei der Bank angekommen waren, nahm Erich, ohne ein einziges Wort zu äußern, Betti in die Arme und küsste sie. Betti war zu überrascht, um sich zu wehren. Sie erwiderte seinen Kuss sogar mit einer Leidenschaft, die Helmut Koster bisher an ihr vermisst hatte.

      Doch nach ein paar Sekunden kam sie zur Besinnung und stieß Erich heftig weg. Er taumelte, konnte sich aber gerade noch an dem Gartentischchen festhalten.

      »Du vergisst, dass ich immer noch ein halber Invalide bin«, murmelte er mit belegter Stimme.

      »Sie müssen verrückt sein!«, sagte Betti.

      »Verrückt? Nein, ich bin nicht verrückt. Ich liebe dich, Betti«, erklärte er ernst.

      »Wie können Sie es wagen, mir so etwas …, so etwas …« Betti war ihrer Stimme nicht mehr mächtig.

      »Wagen? Warum sollte ich es nicht wagen? Es ist doch nichts Schlechtes. Komm, Betti, setzen wir uns. Das lange Stehen strengt mich noch an.«

      Betti gehorchte, setzte sich jedoch nicht zu ihm auf die Bank, sondern auf den Sessel, der am weitesten von ihm entfernt stand.

      »Es ist kein Wunder, dass du mich für verrückt hältst. Ich hätte zuerst reden sollen«, meinte er reuig. »Ich liebe dich, und mein größter Wunsch ist es, dich zu heiraten.«

      »Aber das …, das …«

      »Überrascht dich das etwa? Ich musste meine Gefühle bisher im Zaum halten. Solange ich ein Krüppel ohne Zukunftsaussicht war, durfte ich dich nicht belästigen. Aber jetzt hat sich das geändert. Übrigens ist das hauptsächlich dein Verdienst. Wenn du mich nicht überredet hättest …«

      »Das habe ich nun schon oft genug gehört.« Betti hatte das Lob, mit dem sie überschüttet wurde, herzlich satt. Sie befand sich in einem Zustand, in dem sie kaum noch wusste, was sie sagte oder tat. Erich Gleisner hatte ihr soeben einen Heiratsantrag gemacht, und offensichtlich meinte er es ernst. Was sollte sie antworten, ohne ihn zu verletzen?«

      »Ich habe gedacht, dass auch du mich gern hast«, fing er von Neuem an. »Aber vielleicht war das nur Einbildung.«

      O Gott, warum ließ er sie denn nicht in Frieden? Ja, ja, ich liebe dich auch, hätte sie ihm am liebsten zugerufen. Aber das durfte sie nicht.

      »Dann war es also ein Irrtum meinerseits«, sagte er schließlich tonlos. »Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich zu entschuldigen.«

      »Nein«, hauchte Betti. »Es war kein Irrtum. Ich …« Sie seufzte resigniert.

      »Dann liebst du mich also doch?«, rief er.

      »Ja.«

      Er stand auf, ging zu ihr und beugte sich über sie. »Warum sagst du das so zaghaft, so, als ob es dich nicht freuen würde? Meinst du, ich denke noch immer an