Grasbäume (Gemälde von John Skinner Prout)
Er besaß kein Geld mehr zum Kauf eines neuen, kräftigen Reittiers – so mietete er auf der ersten Stockman-Farm einen billigen Klepper, der nur so ungefähr von den wilden Stockmans zugeritten worden war. Zweimal warf der Gaul seinen neuen Reiter ab – aber endlich lenkte ihn Leichhardt wieder den Cunningham-Pass hinauf zu neuen Forschungsabenteuern.
So weit gegen Nordwesten war vor Leichhardt noch kein Weißer gekommen. Er ritt auf dieser letzten Erkundung vor der Rückkehr nach Sydney über 90 Meilen (145 Kilometer) bis an die nördliche Schleife des Condamine River.
In seinem erhaltenen Forschungsbericht schrieb der Reisende: »… Die grasbedeckten, baumlosen und nur ganz schütter mit offenem Wald bedeckten Höhenwellen ergeben in der Zukunft ein Weideland von Millionen Morgen Ausdehnung, sobald dieses Land kartiert und vermessen ist. Dieses hochgelegene Land ist der Schafzucht besonders günstig …«
Alle seine bisherigen Forschungsreisen in das Innere Australiens hatte Ludwig Leichhardt ohne einen Auftrag durchgeführt. Es hatte ihn ja auch Sir Mitchel trotz eines empfehlenden Schreibens aus London nicht als Landvermesser in seinen Dienst genommen.
Aber ein rätselhaft glühender, unablässig vorandrängender Antrieb ließ Ludwig Leichhardt nicht mehr los. Ein Bekenntnis, das er bisher noch zurückgehalten hatte, das aber für seine Zukunft das wichtigste werden sollte, schrieb er in einem seiner Briefe an die Freunde in London: »… Je mehr Erfahrungen ich auf meinen Forschungsritten an die Grenzen des Unbekannten sammelte, desto stärker wuchs mein Wunsch, die ganz große, die wirkliche Forschungsreise vom Süden der Moreton-Bay bis an die Nordküste Australiens zu unternehmen, durch die Tausende Meilen Land, die auf der Karte Australiens bis heute noch als mächtiger weißer Fleck eingezeichnet sind. Entweder gelingt mir der Durchbruch, oder über meine Forschungsreise durch Inner-Australien legt sich Schweigen – umkehren werde ich nicht mehr …!«
Einige Wochen lang hielt sich Ludwig Leichhardt noch bei seinem treuen Freund und Förderer Walker Scott auf der Farm von Glenton auf. Da nun sein Plan einer großen Forschungsreise feststand, reiste er zu Anfang des Jahres 1844 wieder nach Sydney zurück.
VORBEREITUNG ZUR GROSSEN REISE
Ludwig Leichhardt konnte nach seiner Rückkehr von Moreton-Bay nach Sydney bald feststellen, dass die Idee einer Land-Expedition bis nach Port Essington an der Nordküste Australiens die Aufmerksamkeit sehr vieler Menschen gewonnen hatte und diese immer stärker beschäftigte. Es schrieben mehrmals auch die Zeitungen darüber und ergingen sich in phantastischen Vermutungen über das Abenteuerliche, aber auch über den wirtschaftlichen Wert eines solchen Unternehmens für die Zukunft. Auch die gesetzgebenden Körperschaften setzten diese Frage auf die Tagesordnung ihrer Beratungen. Der Chef der Landvermessung, Sir Thomas Mitchel, schlug die Subventionierung einer solchen Expedition mit 1000 Pfund Sterling vor, um ihre Ausrüstung rasch voranzutreiben.
In diese noch allgemeinen Beratungen brachte die Meldung aus dem Staatssekretariat für Kolonien, dass auch ein Kapitän Sturt von Adelaide in Südaustralien aus die Vorbereitungen für eine Forschungsreise quer durch den Kontinent nach Norden treffe, eine neue Aufregung. Das gab den letzten Anstoß für Leichhardt, gestützt auf seine zweijährigen Erfahrungen über die Schwierigkeiten des Reisens in gebirgigen und – wie zu erwarten war – oft auch wasserlosen Gegenden, nun sofort diese Reise zu wagen. Allerdings musste noch die Bedingung der öffentlichen Unterstützung bei den zur Ausrüstung nötigen Kosten erfüllt werden. Es mussten ebenso erst die richtigen Begleiter gefunden werden, die sich freiwillig und ohne besondere Entlohnung dem Unternehmen anschließen und auch geduldig manchen Mangel der Ernährung während der Reise auf sich nehmen würden.
Während der Aussprachen Leichhardts mit seinen Bekannten in Brisbane und der Umgebung hatte sich allgemein die Meinung herauskristallisiert, dass dieser Reiseplan durchaus real ausführbar wäre. In Sydney jedoch erhob sich anfangs gegen eine Reise unter der Leitung Ludwig Leichhardts eine ziemlich heftige Opposition. Andere wieder bedauerten, dass sich Leichhardt nicht einen näher liegenden Wirkungskreis innerhalb der Grenzen von Neu-Südwales schaffen wollte – die Aussicht auf eine leitende Stellung im öffentlichen Dienst dieser Provinz erschien nun durchaus gegeben.
Viele aber sahen offen dieses Unternehmen als eine Tollheit und Folge eines blinden Enthusiasmus an, der nur durch eine vernunftwidrige Ruhmsucht genährt wurde, die sich als ein Hang für die Wissenschaften ausgab. Und die größten Gegner rieten davon ab, weil sie ein solches Unternehmen für einen glatten Selbstmord hielten, der verhindert werden müsse.
In seinen späteren Aufzeichnungen schilderte Ludwig Leichhardt die damalige Situation, ihr Hin und Her zwischen Ablehnung und Zustimmung, wörtlich:
»… Ich war für die Schwierigkeiten der Reise nichts weniger als blind. Im Gegenteil! Und ich hoffe, meine Leser werden glauben, dass ich es aufrichtig meine: Ich dachte, diese würden mannigfach und groß – in der Tat größer, als sie sich wirklich auswiesen. Aber während meiner in der letzten Zeit unternommenen Exkursionen in dem Squatting-District hatte ich mich so an ein vergleichsweise wildes Leben gewöhnt und die Gewohnheiten der Ureinwohner so genau beobachtet, dass ich mich versichert hielt, die einzigen wahrhaften Schwierigkeiten, auf die ich stoßen könnte, würden nur einen lokalen Charakter haben. Ich war überzeugt, dass ich bei vorsichtigem Verfahren … imstande sein würde, meine Begleiter auf einem grasbewachsenen und wohlbewässerten Wege zu führen … Und ich hielt mich versichert, dass die Reise … mit unserer Ankunft in Port Essington endigen müsse. Durch dieses Bewusstsein gehoben … begann ich meine Vorbereitung, welche, soweit es meine eigenen schwachen Mittel und die Beiträge wohlwollender Freunde gestatteten, ziemlich bald bis zum 13. August 1844 vollendet waren …«
Ludwig Leichhardt besaß fast keine eigenen Mittel. Deshalb musste er auf manche nützliche Instrumente wie Barometer und Kochapparat verzichten. Seine einzigen Hilfsmittel waren: ein Sextant, ein Chronometer, ein Handkompass, ein kleines Thermometer und Arrowsmiths Landkarte des »Continents von Neu-Holland« (Australien).
Die schwierigste Aufgabe aber war die Auswahl von fünf Begleitern, deren Zahl wegen der geringen Mittel auf keinen Fall überschritten werden sollte. Da nun der Plan öffentlich bekannt geworden war, offerierten viele junge Leute ihre Dienste, die meisten wohl in der Erwartung eines großen Abenteuers. Leichhardt wählte und schwankte lange, bis er sich endgültig entschieden hatte.
Es soll seiner eigenen Niederschrift gefolgt werden:
»Als ich Sydney verließ, waren meine Begleiter James Calvert, John Roper, John Murphy, ein Jüngling von ungefähr 16 Jahren, William Phillips, ein Krongefangener (entlassener Häftling) und Harry Brown, ein Eingeborener vom Newcastle-Stamm …«
Über die Seefahrt bis nach Brisbane schrieb Leichhardt später:
»Wir verließen Sydney in der Nacht des 13. August, um mit dem Dampfer ›Sovereign‹ unter Kapitän Cape nach Moreton-Bay zu gehen. Es macht mir viel Vergnügen, die uneigennützige Freundlichkeit von ›Hunter’s River-Dampfschiffahrts-Compagnie‹ zu bestätigen, die mir für meine Gesellschaft, unser Gepäck und dreizehn Pferde freie Fahrt bewilligte. Die Überfahrt dauerte ungewöhnlich lange. Anstatt in drei Tagen in Brisbane anzukommen, waren wir eine Woche zur See, sodass meine Pferde Mangel an Futter und Wasser litten.
… In Brisbane angekommen, wurden wir mit der größten Freundlichkeit von unseren Freunden, den ›Squatters‹, aufgenommen. Diese und die Einwohner von Brisbane überhäuften mich mit freundlichen Beiträgen so sehr, dass ich mich genötigt sah, vieles abzulehnen oder zurückzulassen. So musste ich auf den Vorteil manches erwünschten Artikels wegen der beschränkten Transportmittel verzichten …«
Hier boten sich aber auch neue Teilnehmer der Expedition an. Leichhardt entschloss sich schließlich, noch vier Teilnehmer zu chartern. Seine Vorräte waren so sehr angewachsen,