Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband). Andreas Brandhorst. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Brandhorst
Издательство: Bookwire
Серия: Perry Rhodan-Taschenbuch
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845331966
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gelernt, dass er sie ebenso wenig abstreifen konnte wie die Narbe auf seiner Wange. Beides würde ihn begleiten bis zu seinem letzten Tag.

      Und was Rhodans vermeintliche Schwäche anging ... Sie war seine Stärke, das eigentliche Geheimnis seines Überlebens über die Jahrtausende. Rhodan hatte nie aufgehört, die Dinge in Frage zu stellen, Selbstverständlichkeiten als vermeintlich zu entlarven. Menschen können niemals die Erde verlassen, hatte einst der gesunde Menschenverstand diktiert – Rhodan war zum Mond geflogen. Menschen können niemals in Frieden miteinander leben – Rhodan hatte den planetaren Atomkrieg verhindert, die Menschheit zu einer Nation, Terra, vereint. Rhodan würde es nie gelingen, die schal gewordene Würde eines der Ritter der Tiefe abzulegen, zu süß war die Verführung der kosmischen Mächte – Rhodan hatte es getan, so sehr es auch geschmerzt hatte. Die Kosmokraten würden sich niemals gegen die Menschheit wenden – Rhodan hatte die Hyperimpedanz vorausgeahnt und Terra gegen alle Widerstände einem schmerzhaften und teuren Vorbereitungsprozess unterzogen. Bull hätte die Reihe in Gedanken beliebig fortsetzen können, doch der Punkt, auf den sie hinauslief, würde derselbe bleiben: Die Essenz Rhodans war nicht seine Eigenschaft als Sofortumschalter, es war die Fähigkeit, auf der Stelle zu reagieren und dabei mit Weitblick und Augenmaß zu entscheiden. Die Voraussetzung dafür waren aber Perioden der Nachdenklichkeit. In ihnen ertastete sich Rhodan die Welt, bestimmte ihre Umrisse. Und, irgendwann später, im Moment der Entscheidung, fügten sich die Teile, die er in Gedankenarbeit ersonnen hatte, schlagartig zu einem großen Ganzen zusammen, und der Sofortumschalter, als den ihn die Menschen kannten, trat in Aktion.

      »Diese Fremden, Bully. Die Sache gefällt mir nicht«, sagte Rhodan schließlich.

      Bull zuckte die Achseln. »Niemandem gefällt es, mit anzusehen, wie vorgeblich intelligente Lebewesen einander abschlachten.«

      »Natürlich nicht. Und wir beide haben von dieser Art Schauspiel schon mehr als den Anteil eines gewöhnlichen Menschen mit ansehen müssen. Aber ...«

      »Aber?«

      Rhodan spielte für menschliche Augen aufbereitete Ortersequenzen der Schlacht ein, deren Zeuge sie geworden waren. »Das hier. Diese ungeheure Verbitterung lässt mich nicht los. Sie nehmen alles unter Feuer, beide Seiten. Beiboote, Rettungskapseln, Fragmente von Raumern, ja sogar einzelne Schiffbrüchige. Was für ein Hass muss zwischen den beiden Parteien herrschen, dass sie einander derart unstillbar nach Vernichtung trachten?«

      Bull nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Die überlange Lagerung hatte ihn bitter werden lassen. Nichts für den verwöhnten Gaumen, entschied er, aber besser bitteren Kaffee als keinen. »Wir kennen ihre Motive nicht«, sagte er. »Wir wissen nichts über diese Fremden, nicht einmal, wie sie aussehen. Die Schiffbrüchigen, die du erwähnt hast, sind nur eine Mutmaßung der Ortungspositronik.«

      »Eine Mutmaßung mit weit über neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit.«

      »Aber eben immer noch eine Interpretation von Orterdaten, keine handfesten Beweise, keine verkohlte Leiche, die wir aus dem Vakuum gefischt haben. Was ist, wenn wir uns mit unseren Vorstellungen verrannt haben? Vielleicht sind an Bord dieser Trümmerschiffe gar keine Lebewesen? Ihre Schiffe erinnern an die Fragmentraumer der Posbis. Wer weiß – es könnte sich ebenso gut um abtrünnige Posbifraktionen handeln, die einander bekriegen.«

      Rhodan schüttelte den Kopf. »Das, mein Freund, würde ich als eine Mutmaßung mit äußerst dürftiger Wahrscheinlichkeit bezeichnen.«

      »Ich auch. Aber worauf ich hinauswill, ist, dass wir nicht wissen, woran wir sind. Und dass wir deshalb gut beraten sind, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.«

      »Akzeptiert. Fest steht aber, dass die Fremden einander bis zum Letzten bekämpfen. Hier in Praesepe und an anderen Orten der Liga: In der Zwischenzeit sind bereits 21 Flotten auf den Plan getreten, elf von ihnen ist eine zweite Flotte gefolgt, offenbar mit dem Auftrag, die jeweils erste auszulöschen. Wenn du mich fragst, haben wir hier ein Muster vor Augen.«

      Bull fuhr sich mit der Hand durch das Stoppelhaar. »Das ist offensichtlich. Und unschön, richtiggehend hässlich sogar. Aber andersherum gesehen: Die Fremden scheren sich einen Dreck um uns. Es ist gut möglich, dass sie einander solange abschlachten, bis nichts mehr von ihnen übrig ist. Jedenfalls nichts, was uns gefährlich werden könnte. Nicht unser Problem, würde ich als Verteidigungsminister der Liga Freier Terraner urteilen, auch wenn es zynisch klingt.«

      »Das tut es. Und das ist es. Aber angenommen, die Fremden schlachten einander weiter ab: Was, wenn ein von Menschen bewohntes System zwischen die Fronten gerät? Die Feuerkraft dieser Fremden ist fulminant. Ein Planet, der in ihr Visier gerät, würde wie ein Luftballon zerplatzen.«

      Bull ließ den bitteren Geschmack des Kaffees, den er gerade geschlürft hatte, einen Augenblick lang auf die Zunge einwirken. Dann schluckte er ihn herunter. »Das, mein lieber Perry, führt uns auf das Gebiet von Mutmaßungen in der Preisklasse wie diejenige, dass uns jeden Augenblick der Himmel auf den Kopf fallen könnte.«

      »Natürlich. Es ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, oder?«

      »Nein, nicht unmöglich, aber ...« Ärger stieg in Bull auf. Auf Rhodan, der ihn mit seinen düsteren Gedanken angesteckt hatte, aber vor allem auf sich selbst. Wann würde er je lernen? Die Dinge schonungslos zu durchleuchten, die Welt so zu sehen, wie sie ist, und nicht so, wie man sie sich wünschte ... das tat weh. Höllisch weh. Wie eine gute Medizin, sagte er sich. Er dachte an Fran. Er wünschte, sie wäre bei ihm. Es wäre ihm leichter gefallen, die Medizin zu schlucken. »Aber selbst, wenn es dazu käme, wäre es kein Grund zur Verzweiflung. Wirf einen Blick auf die Sternenkarte, Perry. Praesepe ist der Hintern der Milchstraße, auch wenn die Oxtorner einen für den Satz empört in Stücke reißen würden, wenn er ihnen zu Ohren käme. Dieser Sternhaufen ist äußerst dünn besiedelt, um nicht zu sagen, eine unterentwickelte Wüste. Keine Wirtschaftszentren, keine nennenswerten Flottenstützpunkte, keine strategische Bedeutung. Im Nahbereich unseres gegenwärtigen Standorts gibt es nur eine einzige besiedelte Welt. Dieser Eisplanet, den Deshwan Jankoff erwähnt hat. Snowflake heißt er, glaube ich. Ein Meisterstück in schönfärberischer Namensgebung, so viel muss man dem Menschen lassen, der darauf gekommen ist. Aber in Wirklichkeit ist dieses Snowflake bestenfalls ein frostiger Pickel an diesem Hintern der Galaxis. Wer sollte sich darum auch nur für eine Schaufel voll Schnee kümmern?«

      »Ich weiß. Aber ...«

      »Kein Aber.« Bull hatte sich in Rage geredet. Es war seine Art mit dem düsteren Schatten umzugehen, den Rhodan über sie gelegt hatte. Wegreden, wegargumentieren. »Selbst wenn diese Fremden durch einen irrsinnig unwahrscheinlichen Zufall in das Flake-System gelangen sollten ... was dann? Ein Warnschuss mag schon genügen, um sie zu vertreiben. Wir haben es noch nicht ausprobiert. Und es ist ja nicht so, dass wir nicht austeilen könnten.« Er stampfte auf den Stahlboden der Kabine auf. »Hier, die IMDABAN! Das neueste Modell der SATURN-Klasse. Wir haben dreißig Transformgeschütze, eine kleine Flotte von kampfstarken Beibooten und eine erstklassige Mannschaft. Dagegen müssen diese Trümmerfritzen erst einmal ankommen.«

      »Du scheinst dir deiner Sache sehr sicher ...«

      »Ich weiß, was wir zu leisten imstande sind. Und die IMDABAN ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Wir haben über ein Dutzend Begleiteinheiten, kleinere Schiffe zugegeben, aber ebenfalls auf dem neuesten Stand. Und die oxtornische Heimatflotte, beinahe 500 Einheiten.« Bull hob abwehrend die Arme. »Ich gebe ja zu, die Oxtorner dürften technisch um einiges hinterherhinken. Aber in diesem einen Punkt gebe ich diesem Interimskommandanten mit seinem Totenschädel Recht: Waffenleistung ist nicht alles. In einer Raumschlacht kommt es nicht nur darauf an, wer in kürzester Zeit die meisten Watt in den Schirm des Gegners pumpen kann. Es kommt darauf an, wie man seine Waffen einsetzt. Und die Oxtorner sind geborene Kämpfer. Sie werden mit vollem Einsatz bei der Sache sein.«

      »Das habe ich bereits festgestellt.« Rhodan setzte die Tasse ab. Sie war noch fast voll.

      Bull bedachte den Freund mit einem missbilligenden Blick. Dafür hatte er die letzten drei Stunden das gesamte Schiff nach einer übersehenen Tüte Kaffee abgesucht – dabei ohne Unterbrechung im direkten Kontakt mit dem Flottenhauptquartier –, um schließlich, der Verzweiflung