Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband). Andreas Brandhorst. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Brandhorst
Издательство: Bookwire
Серия: Perry Rhodan-Taschenbuch
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845331966
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höher ziehe. Nicht schon wieder einen Macken in ihrer Haut, denk' ich mir. Nicht, wenn sie gerade so schön glänzt wie die von 'nem Mädchen.

      »Na also, geht doch!«, ruft Shon und glotzt runter. Ich lass' Prinzessin langsam über der Burg kreisen. Die dunklen Umrisse der Tring kriechen überall auf ihr rum. Shon macht Fotos und kritzelt wie ein Wilder in sein Notizbuch. Er beachtet mich gar nicht mehr.

      'ne halbe Stunde vergeht. 'ne Stunde. Irgendwann wird's mir zu blöd. »Sind wir bald fertig?«, frag' ich. Vielleicht sollt' ich ja 'nen Eimer über der Burg platzen lassen, denk' ich mir. Mal sehen, wie das Wanderrobbenfett den Tring schmeckt. Hätte immer noch 'nen Eimer für die Kuppler übrig ...

      »Du hast Recht, Yun. Ich verliere mich wieder in meinen Büchern.« Er klappt das Notizbuch zu. »Genug der Fernobservation. Zeit für etwas teilnehmende Beobachtung, was?« Er klatscht mir wie 'nem alten Kumpel auf die Schulter und lacht. Und ich? Ich lach' mit und tu so, als hätt' ich wenigstens für 'ne Hand voll Schnee verstanden, was er gemeint hat.

      »Siehst du dort hinten die Senke im Eis, Yun? Lass uns dort landen.«

      Ich ahn' Uncoldes. Aber Kneifen kommt nicht in Frage. Nicht vor 'nem Terraner. Und außerdem will ich ja wissen, was Shon vorhat. Ich geb' Stoff und steuer' einen weiten Bogen, 'n paar Dutzend Kilometer, damit die Tring unseren Anflug nicht mitkriegen. Dann schleichen wir uns in die Senke, Prinzessin immer schön eng dran am Boden, als wollt' sie ihn abknutschen.

      »Gut gemacht«, sagt Shon. »Ich bin gleich wieder da.« Er kämpft sich nach hinten. Ziemliches Gefummel. Mit dem Jet-Triebwerk und Shons Gepäck ist es fies eng geworden. Ich hör' ihn Rummachen. Einmal flucht er schlimmer als jeder Kuppler. Dann kommt er wieder zurück. Komplett nackt.

      »Was ist? Noch nie einen Nackten gesehen?«

      »Doch ... n-natürlich ...«, stamml' ich. Den Rest, was ich sagen will, schluck' ich runter. Klar hab' ich Nackte gesehen. Ist praktisch das Erste, was passiert, wenn man draußen im Eis jemanden trifft. Man zieht sich aus und fällt übereinander her. Geht nichts über warme nackte Haut an nackter warmer Haut, wenn dich wochenlang nur der eisige Wind gestreichelt hat. Aber die Nackten sind Vierte, manchmal auch Zweite oder Dritte. Ein nackter Terraner ... hab' im Leben noch nie so was Hässliches wie Shon gesehen. 'ne Art laufendes Skelett. Kein Gramm Fett unter der Haut und überall Narben und Falten. Drahtig, okay, kein Geschlabber, aber allein die Vorstellung, sich dran zu reiben ...

      DOLSON: Sicher eine hypothetische Vorstellung. Du und Shon habt nicht ...?

      YUN: Nein. Hat sich zum Glück nicht ergeben. Aber nach ein paar Wochen oder Monaten im Eis ... du würdest dich wundern, zu was Menschen fähig sind. [Zuckt mit den Achseln.] Darf ich dir eine Frage stellen?

      DOLSON: Natürlich.

      YUN: Aber du musst mir versprechen, dass du nicht wütend wirst. Versprochen? So wie ich vorhin.

      DOLSON: [Zögert.] Also gut. Ich verspreche es.

      YUN: Sind alle Terraner so hässlich, wenn man sie auszieht?

      DOLSON: Wie bitte?

      YUN: Ist doch keine so schwere Frage.

      DOLSON: Hm, ich weiß nicht. Es gibt natürlich hässliche Menschen. Aber ob alle Terraner ...

      YUN: Gut, dann machen wir's einfacher. Was ist mit dir?

      DOLSON: Mit mir? Das ... nun, ich bilde mir ein ...

      YUN: He, kein Grund zu stottern. [Grinst.] Ich sag' dir was. Wieso ziehst du dich nicht aus, und ich sag' dir, ob du hässlich bist? Dann hast du's – wie sagt ihr Terraner? – amtlich.

      DOLSON: W-was? Ich ...

      YUN: Na los! Es geht um die Ehre der Terraner. Oder hast du Schiss, so'n kleiner Flakie wie ich würde dir was weggucken?

      DOLSON: [Wedelt nervös mit den Armen.] Yun ... ich ... du musst verstehen...

      YUN: [Wirft sich vom Stuhl und rollt lachend über den Boden.] Mann! Du hast es mir abgekauft! Hättest dich glatt ausgezogen, was?

      DOLSON: Yun! Hör sofort damit auf! Yun!

      YUN: [Setzt sich auf.] He, war nur 'n Witz, Mann!

      DOLSON: Ein ziemlich geschmackloser. Was fällt dir ein?

      YUN: Ts, Shon war colder als du. [Rutscht zurück auf den Stuhl.] Hat immer 'nen guten Witz vertragen. Na ja, kann nicht jeder Terraner so gut drauf sein wie Shon, was?

      DOLSON: Yun, mach das nie wieder.

      YUN: He, warum so ernst? Es war ein W-I-T-Z!

      DOLSON: Hast du gehört: Mach das nie wieder. Oder ...

      YUN: Oder?

      DOLSON: Das wirst du sehen.

      YUN: Oh, jetzt machst du mir aber Angst. Was wollt ihr mir denn antun?

      DOLSON: Gar nichts. Überhaupt nichts. Aber denk an Shon. Deinen Freund Shon. Er braucht dich. Und was machst du? Geschmacklose Witze. Was ist, wenn Shon verurteilt wird, weil du nicht mal für eine Schippe Schnee bei der Sache bleiben kannst?

      YUN: Ach, komm. Das ist doch ...

      DOLSON: ... übertrieben? Wir werden sehen. Ich wollte nicht in deiner Haut stecken, wenn ...

      YUN: [Windet sich auf dem Stuhl.] He, ich hab doch gesagt, es war nur ein Witz!

      DOLSON: Ob Shon darüber lachen würde?

      YUN: [Sagt nichts, seine Augen werden feucht.]

      DOLSON: Siehst du, wir verstehen uns doch. Können wir jetzt weitermachen?

      YUN: [Nickt.]

      DOLSON: Shon Leehan hat sich also ausgezogen. Wozu?

      YUN: Na, wegen der Tring. Die Tring reißen dir alles vom Körper. Also hat er einfach nichts mitgenommen, was sie ihm nehmen können. Gar nicht so blöd. Bloß ...

      »Schön«, sag' ich. »Und wie willst du das überleben? Draußen sind 15 Grad unter null.« Ein lauer Tag. Aber Kuppler und Terraner jammern immer über die Kälte. Und in dem Moment hab' ich auch verstanden, wieso: Sie frieren die ganze Zeit. Mit solchen Klappergestellen von Körper, wie Shon es einen hat, geht es gar nicht anders.

      »Ich will ja nicht lange raus. Eine Stunde oder zwei höchstens.«

      »Nackt hältst du keine zehn Minuten durch!«

      »Nackt und nackt ist nicht dasselbe. Komm mit!« Er schlüpft raus und rennt ans Heck zu den Eimern mit dem Fett. Als ich bei ihm bin, hat er schon einen aufgedreht, und der Gestank verpestet die schöne, klare Eisluft. Shon schaufelt mit der Hand Fett aus dem Eimer, klatscht es sich auf den Bauch und fängt an, es zu verreiben. Das ist das Colde an Wanderrobbenfett. Egal, wie kalt es wird, es gefriert nie zu Klumpen. Es wird 'nen Tick zäher, mehr nicht. Zum Streichen reicht es immer. An Shon klebt es wie 'ne zweite Haut.

      Und genau das hat er gewollt. Eine zweite, isolierende Haut. Wenn er schon keine Fettschicht unter der Haut hat, wollte er wenigstens eine über ihr. Clever, der Typ.

      Ruckzuck glänzt Shon von Kopf bis Fuß fettig und bibbert vor sich hin. Er muss sich bewegen, wenn er nicht erfrieren will. Wärme erzeugen, die die Fettschicht konservieren kann. Shon versucht es mit Fluchen. »Dieses Fett ist schlimmer als eine Arkonbombe! Ich muss bis ans andere Ende des Systems stinken. Widerlich! Aber trotzdem gute Idee von dir, Yun. Das wird die Tring auf Distanz halten. Hoffe nur, dass sie nicht davonrennen, sobald sie Wind von mir bekommen.«

      Jetzt kapier' ich. Er denkt, ich hätt' das Wanderrobbenfett mit Absicht ausgesucht. Ich überleg' noch, ob ich ihn aufklären soll, was auf Flake als monstermäßiger Witz durchgeht, als er schon weiterquatscht. »Du beobachtest mich aus der Ferne, Yun. Falls die Tring zudringlich werden ... nun, es ist deine Entscheidung. Ich weiß, wie sehr du an Prinzessin hängst. Ich will nicht, dass du sie für mich aufs Spiel setzt. Hau mich raus, wenn du glaubst, dass du eine Chance hast. Wenn nicht, mach's gut!«

      Und damit stapft er los.