Nach ebenfalls drei Minuten in der Endstufe würde die Geschwindigkeit mit 150.454 Kilometern pro Sekunde knapp über dem Mindestwert liegen. Bis zum Eintauchpunkt in den Hyperraum hatten beide Schiffe dann eine Entfernung von 25.686.193 Kilometern zurückgelegt.
Die Anzeigen veränderten sich im Sekundentakt:
19.014 km/sec ... 19.294 km/sec ... 19.574 km/sec ...
»Energieortung!«, meldete Cita Aringa.
Mehrere Hologramme zeigten grellen Feuerschein. Aus einem winzigen Punkt heraus entstand gedankenschnell ein expandierender Glutball, dessen Ausläufer nach der JOURNEE griffen.
Alarm gellte durch das Schiff.
Rhodan sah noch, dass der Rumpf des Frachters aufgerissen wurde, dann schossen ihm Tränen in die Augen, obwohl die Automatik das Bild abblendete.
»Kastuns?«, brüllte jemand. »Verdammt, wieso ...?«
»Keine Ortung!«, widersprach Cita Aringa.
Zim November, der den Spürkreuzer unter der SERT-Haube mit seiner Gedankenkraft steuerte, hatte blitzschnell reagiert und alle Verbindungen zu dem Frachter gekappt. In spitzem Winkel entfernte sich die JOURNEE von der ILKIN.
»Keine Feindeinwirkung!«, meldete die Plophoserin von den Ortungen. Gleichzeitig entstand das Hologramm der Frachterkommandantin von neuem.
»Explosion einer Speicherbank!«, rief Laretha Mongath. »Das hat uns gerade noch gefehlt.«
»Schwere Schäden?«
Die Tefroderin starrte Rhodan an. Sie wollte antworten, wurde aber unterbrochen und wandte sich halb aus dem Erfassungsbereich der Optik ab. Sekunden später stabilisierte sich ihr dreidimensionales Abbild wieder.
»Vakuumeinbruch«, sagte sie schroff. »Zum Glück kein Atombrand. Alle betroffenen Sektoren sind abgeschottet.«
»Tote oder Verletzte?«
Die untersetzt-kräftige Tefroderin zuckte mit den Achseln. »In den entsprechenden Sektoren befanden sich keine Flüchtlinge«, antwortete sie. »Zum Glück. Ob Crew-Mitglieder zu Schaden gekommen sind ...« Abermals wurde sie abgelenkt. Perry Rhodan sah sie aufatmen, dann wandte sie sich wieder ihm zu. »Keine Vermissten. Es ist wie ein Wunder. Aber jetzt? Ich weiß nicht, ob wir unter diesen Umständen einen neuen Versuch wagen dürfen. Was ist mit der JOURNEE?«
»Keine Schäden«, sagte Coa Sebastian, die terranische Kommandantin des Spürkreuzers. Sie wirkte kühl und zurückhaltend wie immer und ließ sich nicht die leiseste menschliche Regung anmerken. Ihre Fachkompetenz war nie umstritten gewesen, doch hinter vorgehaltener Hand schrieben nicht gerade wenige Besatzungsmitglieder Coa das Gefühlsleben eines Roboters zu. »Unser größtes Problem wird der erneute Zeitverlust. Wir müssen nach der Explosionsursache suchen.«
»Materialermüdung«, antwortete die Frachterkommandantin. »Der Intervallbeschuss hat offenbar mehr als nur die vordergründig sichtbaren Schäden verursacht.«
»Wir starten einen zweiten Versuch«, bestimmte Perry Rhodan und kam damit Coa Sebastian zuvor. »Notfalls legen wir auf der ILKIN alle Energieversorger lahm. Zwei, drei Stunden ohne Lebenserhaltungssystem werden keine unüberwindbaren Probleme hervorrufen.«
»Jedenfalls keine größeren, als wir sie schon haben«, antwortete die Tefroderin.
Zwei Stunden später stand fest, dass keiner der Hochenergie-Anker oder Traktorstrahlen die Explosion ausgelöst hatte. Mehrere Decks der ILKIN waren aufgerissen worden. Das Schiff hatte Ladung verloren, aber wie durch ein Wunder waren die Flüchtlinge einer neuen Katastrophe entronnen. Die inneren Sicherheitsschotten hatten mehr als 300 verletzte Flüchtlinge vor dem Tod bewahrt.
Vorübergehend zog Perry Rhodan in Erwägung, die Überlebenden von Cyrdan auf die JOURNEE zu übernehmen, doch der Zeitaufwand dafür war schwer zu kalkulieren, von den Platzproblemen ganz zu schweigen. Zudem sträubten sich die Mediziner gegen den Transport Dutzender Schwerstverletzter.
Ununterbrochen tasteten die Ortungen des Spürkreuzers durch den Raum. Sie verzeichneten nichts Ungewöhnliches.
Die Ruhe vor dem Sturm, konstatierte Rhodan. Er spürte eine wachsende Ungeduld. Viel zu lange hing die JOURNEE schon zwischen den Sternen fest. Kiriaades letzter Hilferuf war dringender als zuvor gewesen.
Es gab keinen Weg zurück in die Milchstraße, nicht einmal eine Funkverbindung. Was immer geschah, die JOURNEE war von der Heimat abgeschnitten. Aber was konnte ein einziges Schiff gegen eine Übermacht von Angreifern ausrichten? Rhodan ballte die Fäuste. Er war fest entschlossen, dem Rätsel der Invasionstruppen auf den Grund zugehen. Doch dazu brauchte er Hilfe. Die Tefroder hatten schon nach den ersten Überfällen genug mit sich selbst zu tun. Sie hatten in Andromeda rund 25.000 Welten besiedelt, und ihre Raumflotten unterstanden dem gemeinsamen Oberkommando auf Tefrod. Viel mehr hatte Rhodan nicht in Erfahrung bringen können, auch aktuelle Zahlen waren ihm nicht bekannt. Er schätzte die militärische Streitmacht der Lemurer-Nachkommen jedoch auf rund 210.000 Schiffe unterschiedlichster Größenordnung, und im zivilen Bereich verfügten sie wohl über annähernd die doppelte Zahl.
Neben den Tefrodern waren die Wasserstoff atmenden Maahks die zweite führende Großmacht. Andromeda war ihre Heimat geworden, aus der sie vor rund 50.000 Jahren vertrieben worden waren. Heute hatten die Maahks sich wieder auf 15.000 Welten mit Wasserstoff-Methan-Ammoniak-Atmosphäre niedergelassen. Die Positionen vieler dieser Planeten waren den anderen Völkern unbekannt. Hinzu kamen einige Tausend Stützpunkte und reine Industriestandorte, die zum Teil auf Monden und ausgehöhlten Asteroiden angelegt waren.
Es mochte ein Trauma ihrer Vergangenheit sein, dass die Maahks die Völkergemeinschaft in Andromeda eher mieden. Große Kriege gehörten der Geschichte an, doch es gab nur wenige kulturelle und soziale Berührungspunkte, nicht zuletzt bedingt durch den unterschiedlichen Metabolismus.
Die Maahks verfügten ebenfalls über eine beachtliche Zahl schlagkräftiger Raumschiffe. Im militärischen Bereich konnten rund 250.000 Kampfraumer jederzeit einem einzigen Oberkommando unterstellt werden.
Im Gegensatz zu den anderen Völkern galten Maahks nicht als Individualisten; ihr Leben wurde vielmehr von nüchtern-logischem Pragmatismus bestimmt. Die emotionslose Logik drückte sich schon im hierarchischen Namenssystem aus, basierend auf einer mit Nummern bezeichneten Rangordnung.
Träge tropfte die Zeit dahin.
Rhodan hätte viel dafür gegeben, die erzwungene Aufenthaltsdauer zu verkürzen. Aber ein Weiterflug der JOURNEE hätte bedeutet, den Tod vieler Verletzter billigend in Kauf zu nehmen, selbst wenn er ein Spezialistenteam auf dem Frachter zurückließ. Die Tefroder an Bord der ILKIN brauchten Hilfe, und er konnte sie nicht im Stich lassen. Auch nicht, wenn er damit die eigene Position schwächte.
20 Minuten inzwischen ... Düster hing die ILKIN neben dem weit kleineren terranischen Spürkreuzer, ein Koloss, in dessen Flanken der Gegner tiefe Wunden geschlagen hatte. Klein wie Ameisen erschienen die Techniker der JOURNEE, die mit einfachen Mitteln versuchten, die nach der Explosion beschädigten Innenstrukturen zu stabilisieren.
Mit versteinerter Miene nahm Perry Rhodan die Meldung zur Kenntnis, dass zwei weitere schwerstverletzte Tefroder gestorben waren. Den Bemühungen der Ärzte, verstärkt durch Medoroboter von Bord der JOURNEE, waren deutliche Grenzen gesetzt.
Die Hologramme zeigten die üppige Sternenpracht Andromedas. Rhodan fragte sich, welches Ziel die Angreifer verfolgten, die es geschafft hatten, eine ganze Galaxis mit einem undurchdringlichen Zeitfeld abzuriegeln.
Wer waren die Unbekannten?
Was beabsichtigten sie?
Tief atmete