Viele Feedbackprodukte fangen mit sehr einfachen Mitteln an. Zum Beispiel kann man mit simplen Aggregationen starten: Wie viele Menschen waren auf der Seite? Wer hat sich was angesehen? Sobald man den Feedbackmechanismus im Griff hat, kann man sich ausgefalleneren Methoden widmen.
Platform Mindset: Nutzung für verschiedene Produkte
Zum Schluss sei noch auf den Plattform-Gedanken hingewiesen. Transaktionsdaten, die in einem Dienst erzeugt werden, können hilfreich für einen weiteren Dienst sein oder sogar dessen Grundlage bilden. Die unterschiedlichen Produkte können sich damit gegenseitig helfen. Dafür ist ein zentraler Bestandteil, dass sich die Produktmanager der einzelnen Produkte regelmäßig austauschen. Inhaltlich sollten sie dabei über ihre spezifischen Herausforderungen sprechen und nach wechselseitigen Datenlösungen suchen. Technisch sollten sie an einem gemeinsamen Datenmodell arbeiten. Das heißt nicht, dass alle Daten von Anfang an in einem gemeinsamen Datenmodell integriert sein müssen. Datenobjekte, die einen gemeinsamen Wert darstellen, sollten allerdings kontinuierlich in ein gemeinsames Modell überführt werden [Pinto et al. 2004].
Da die Distribution von Daten quasi nichts kostet, hat der Anbieter von Datenprodukten die Freiheit, seinen Markt selbst zu modellieren – beispielsweise indem er wertvolle Daten verschenkt, damit er sich durch noch wertvollere Informationen über die Nutzung dieser Daten »bezahlen« lassen kann (vgl. [Rochet & Tirole 2003]). Wie beim Erfolgsfaktor Community schon angedeutet, ist nicht jeder Nutzer des Datenprodukts gleichzeitig auch ein Käufer. Manche Nutzer bekommen nur deswegen Zugriff auf ein Produkt, damit sie es verbessern und am Ende jemand für das verbesserte Produkt – oder ein Derivat des Produkts – Geld bezahlt. Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Gruppen, Nutzern und Käufern muss man modellieren und gegebenenfalls über den Lebenszyklus hinweg verändern. Manchmal kostet ein Produkt z.B. in der Einführungsphase nichts, wird aber später kostenpflichtig (z.B. der Tesla Autopilot). Oder der Nutzer selbst zahlt nichts, aber das Aggregat ist sehr wertvoll, wie das Beispiel von Foursquare zeigt [Glueck 2017]. Bei der Ausgestaltung dieser Modellierung hilft einem das Konzept der zweiseitigen Märkte aus der Volkswirtschaftslehre (vgl. Abb. 4–2). Eine nähere Betrachtung dieses Aspekts geht über die Zielsetzung dieses Artikels hinaus.
Abbildung 4–5 zeigt die unterschiedlichen Phasen und Schritte der Datenproduktentwicklung noch einmal im Überblick.
Abb. 4–5 Prozessüberblick für die Konzeption und Entwicklung von Datenprodukten
4.6Organisatorische Anforderungen
Aus den Empfehlungen für die Konzeption und Umsetzung von Datenprodukten ergibt sich eine Reihe an Anforderungen für die Organisation von Teams, die solche Datenprodukte umsetzen. Dazu zählen
die Möglichkeit, Feedback vom Kunden zu bekommen,
agile Inkremente des Produkts ausliefern zu können,
das Produkt im Team autark entwickeln zu können
und Einfluss auf die gesamte Interaktion während der Customer Journey nehmen zu können.
In der Regel wird ein Produktmanager dafür verantwortlich sein, das Wertversprechen, die Mess- und Gütekriterien zu definieren und Feedback vom Kunden bezogen auf den Produktnutzen einzuholen.
Der Produktmanager ist auch dafür verantwortlich, den Umfang eines Inkrements zu bestimmen. Ein Inkrement kann zum Beispiel durch das Hinzufügen neuer Datenquellen, einen neuen Algorithmus, eine Verbesserung des Feedbackmechanismus oder die größere Abdeckung der Customer Journey entstehen.
Damit das Team selbstbestimmt und autark das Produkt entwickeln kann, sollten die wesentlichen Fähigkeiten in dem Team vorhanden sein. Dazu zählen
Programmierkenntnisse im Front- und Backend-Umfeld zur Integration der Lösung in ein Gesamtsystem,
Data-Engineering-Kenntnisse, um Daten aus verschiedenen Systemen in einem zentralen System zu integrieren und aufzubereiten,
Data-Science-Kenntnisse, um die Daten analytisch bearbeiten zu können,
Plattformkenntnisse, um das entwickelte Produkt auch auf der produktiven Plattform zum Laufen zu bringen, sowie
UX/UI-Kenntnisse, um das Nutzererlebnis so zu gestalten, dass es die Erwartungshaltung des Kunden trifft.
Wichtig ist auch, dass das Team Einfluss auf die komplette Customer Journey nehmen kann. Dies erlaubt dem Team, Daten aus allen Schritten zu erfassen und dem Nutzer zu anderen Zeitpunkten widerzuspiegeln.
In größeren Kontexten wird ein Team oft nicht ausreichen, um alle Anforderungen abzudecken. Typischerweise werden Datenproduktteams mit anderen Teams zusammenarbeiten, um ein Gesamtprodukt zu erstellen oder weiterzuentwickeln. Insbesondere bei der Skalierung ist wichtig zu beachten, dass der Zugriff einzelner Produktteams auf die gesamte Datenlandschaft nicht eingeschränkt wird. Die dedizierte Betrachtung und Regelung der Datenschutzanforderungen bekommt hier ein besonderes Gewicht.
Neben den organisatorischen Anforderungen gibt es auch technische Anforderungen, um Datenprodukte effizient entwickeln zu können.
4.7Technische Anforderungen
Die Auflistung aller technischen Anforderungen an eine Plattform zur Entwicklung von Datenprodukten übersteigt den Rahmen dieses Kapitels. Dennoch ergibt sich aus der Art und Weise, wie Datenprodukte gebaut werden sollten, eine Reihe besonderer Anforderungen, die hier auf einem hohen Abstraktionsniveau explizit genannt werden sollen.
Dazu zählen,
Interaktionen vom Nutzer in Zusammenhang zu bringen,
unterschiedliche Darstellungen zu testen und zu vergleichen,
unterschiedliche Datenquellen zu integrieren und auf diese einheitlich zuzugreifen,
Interaktionen des Nutzers innerhalb kürzester Zeit auszuwerten,
Modelle schnell zu aktualisieren und dem Nutzer zur Verfügung zu stellen,
sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten zu verarbeiten,
kontinuierlich Testdaten zu generieren,
Algorithmen miteinander zu vergleichen und
auf viele Datenquellen zuzugreifen.
Diese Anforderungen werden in anderer Stelle im Buch zum Teil noch ausführlicher behandelt.
4.8Fazit
Die großen Plattformbetreiber Amazon, Google und Facebook in der westlichen Hemisphäre oder die entsprechenden Pendants Alibaba, Baidu und Tenent in der östlichen Hemisphäre nehmen ihren Ursprung in der erfolgreichen Etablierung eines Datenprodukts. Sie haben Daten als Kernelement des Wertversprechens verstanden und dieses dann sukzessive ausgebaut. Dazu haben sie auf der einen Seite immer mehr Daten integriert, aber auch einen immer größeren Teil der Customer Journey abgedeckt. Dadurch sind bei allen Unternehmen Datensammlungen entstanden, die nun auf vielfältige Art und Weise für weitere Produkte genutzt werden können.
In diesem Kapitel haben wir beschrieben, wie man Ideen für Datenprodukte systematisch ableiten kann. Wir haben gezeigt,