Data Science. Michael Zimmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Zimmer
Издательство: Bookwire
Серия: Edition TDWI
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783960885856
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       4.2Datenprodukte

       4.2.1Definition

      Daten treten in vielfältigen Formen auf. Ein elektronisches Thermometer produziert Daten, die die Temperatur repräsentieren, eine Digitalkamera produziert Daten, die ein Bild repräsentieren, in einem E-Commerce-Portal fallen Daten über einen Nutzer an. Die meisten Daten werden aus einem bestimmten Grund erhoben, allerdings werden nicht alle Daten zu einem Produkt weiterverarbeitet. Daten bekommen einen Produktcharakter, wenn aus ihnen ein Produkt erzeugt wird, das

      1 einen bestimmten Kundennutzen erzeugt/ein Kundenbedürfnis befriedigt,

      2 für mehr als einen Nutzer relevant ist,

      3 mit vorhersehbarer Qualität produziert wird/einen Produktionsprozess durchläuft,

      4 innerhalb eines Produktlebenszyklus gemanagt wird und

      5 einen Markt bedient.

      Diese Eigenschaften können in unterschiedlichen Geschäftsmodellen realisiert werden und wir unterscheiden daher drei Typen von Datenprodukten [Tempich 2017, Abb. 4–1]:

       Data as a ServiceDaten können dazu genutzt werden, direkten Umsatz zu generieren, also Anzahl Daten * Preis = Umsatz. Beispiele hierfür sind Anbieter, die bestimmte wertvolle Daten zur Verfügung stellen.

       Data-enhanced ProductsDaten können auch dazu genutzt werden, physische oder virtuelle Produkte anzureichern. In dem Fall entspricht die Änderung des Umsatzes des physischen Produkts dem Umsatz, der durch Daten erzielt wird.

       Data as InsightsDie Erkenntnisse aus Daten werden dazu genutzt, ein anderes Produkt besser zu vermarkten. Die Daten selbst werden nicht in der Kundeninteraktion transparent. Die Kunden des Produkts bleiben firmenintern.

       Abb. 4–1 Datenprodukttypen und dazugehörige Geschäftsmodelle

       4.2.2Beispiele für Datenprodukte

      Zur Illustration des Produktcharakters der unterschiedlichen Datenprodukttypen werden im Folgenden einige Beispiele aufgegriffen.

       Google Recaptcha

      Google Recaptcha1 ist ein Beispiel für Data-enhanced Products. Unter traditionellen Gesichtspunkten ist diese Produktentwicklung nicht sinnvoll. Die Websites, die Recaptcha benutzen, bezahlen kein Geld; die Nutzer bezahlen kein Geld, und es wird auch keine Werbung eingeblendet. Google stellt also ein Produkt zur Verfügung, ohne damit direkt Geld zu verdienen. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit: Recaptcha hat lange Zeit Fotos von Hausnummern durch Menschen verifizieren lassen. Es wurde ein Bild einer Google-Street-View-Aufnahme angezeigt und in den Fällen, in denen der Algorithmus die Hausnummer nur mit einer bestimmten, zu kleinen Wahrscheinlichkeit richtig erkannt hat, wird der Nutzer über Recaptcha zur Eingabe und damit Korrektur der Algorithmus-Einschätzung herangezogen. Wiederholt man diesen Vorgang mit mehreren Menschen, wird die korrekte Nummer mit großer Wahrscheinlichkeit identifiziert. Recaptcha verbessert also den Dienst »Google Maps«, wodurch die Nutzung von Google Maps steigt und damit die Möglichkeit für Google, über Maps Werbung auszuspielen und damit Geld zu verdienen. Recaptcha ist damit nicht nur ein gutes Beispiel für ein Datenprodukt, sondern auch für die Gestaltung eines zweiseitigen Markts (vgl. Abb. 4–2; [Rochet & Tirole 2003]).

       Tesla Autopilot

      Ein weiteres Beispiel für Data-enhanced Products sind die Fahrzeuge von Tesla und hier insbesondere der Autopilot.2 Zu Beginn wurde dieser »kostenlos« als Feature allen Tesla-Fahrern zur Verfügung gestellt. Durch die Nutzung des Autopiloten konnte Tesla lernen, in welchen Situationen der Mensch in die Entscheidung des Autopiloten eingegriffen hat. Diese Situationen werden zur Verbesserung genutzt, damit der Autopilot mit immer mehr Situationen des Straßenverkehrs umgehen kann. Die Unfälle, die auf Basis einer unsachgemäßen Nutzung des Dienstes passiert sind, deuten allerdings auf besondere Herausforderungen bei der Definition und Ausgestaltung des Wertversprechens hin.

       Deutsche Post: AddressFactory

      Die AddressFactory3 der Deutschen Post ist ein Beispiel für ein Data-as-a-Service-Datenprodukt. Firmen können ihre Adressdaten mit denen der Deutschen Post abgleichen und dadurch eine höhere Datenqualität in ihren eigenen Adressbeständen erreichen.

       Medienagenturen: Allokation der Werbebudgets

      Ein Beispiel für die Nutzung von Data as Insight – verbunden mit einem dazugehörigen Geschäftsmodell – ist das Angebot vieler Medienagenturen, das Management der Werbeetats zu übernehmen. Auf Basis von Werbeeffizienzkriterien werden die einzelnen Kanäle, zum Beispiel Online, TV, Zeitschriften, in unterschiedlich starkem Maß bespielt und die Werbebotschaften angepasst. Daten werden hier dazu genutzt, ein bestehendes Werbebudget optimal einzusetzen.

      Abb. 4–2Datenprodukte werden in zweiseitigen Märkten angeboten.

       4.2.3Herausforderungen des Produktmanagements für Datenprodukte

      Wenn man sich aus Produktmanagementsicht mit Datenprodukten auseinandersetzt, müssen verschiedene Aspekte des Produktmanagements neu gedacht werden, wie nachfolgende Beispiele zeigen (siehe auch [Davenport & Kudyba 2016]):

      1 Dazu zählt zunächst die Frage: Wer sind die Kunden, für wen wird das Produkt gebaut? Dabei kann der zahlende Kunde ein ganz anderer sein als der Hauptnutzer.

      2 Warum nutzt der Kunde das Produkt und welches Wertversprechen motiviert ihn, es zu nutzen? Nicht alle Wertversprechen von Daten führen auch zu einer Zahlungsbereitschaft.

      3 Für welche Datenprodukte ist ein Kunde bereit, Geld zu bezahlen? Dies steht natürlich in direktem Zusammenhang mit dem Wertversprechen.

      4 Insbesondere für die Fälle, in denen der Kunde nicht bereit ist, für die Nutzung zu bezahlen, gilt es herauszufinden, für welche Datenprodukte der Kunde bereit ist, den Anbieter auf andere Art (z.B. Nutzung) zu entlohnen?

      5 Wie stellt man die Vollständigkeit des Angebots sicher und gewährleistet, dass die Nutzung durch den Kunden tatsächlich zu einer Verbesserung des Angebots führen kann?

       4.3Digitale Produktentwicklung

      Das hier vorgestellte Vorgehensmodell zur Entwicklung von Datenprodukten bedient sich an verschiedenen Stellen bei etablierten Vorgehensweisen aus der digitalen Produktentwicklung. Im Folgenden geben wir einen Einblick in die wesentlichen Ansätze und begründen, warum die Erstellung von Datenprodukten an einigen Stellen eine besondere und veränderte Methodik erfordert.

       4.3.1Produktmanagement

      Das Produktmanagement (PM) ist eine etablierte Disziplin, die sich in der Regel um die generelle strategische und technische Ausrichtung