„Das Haus in Höchst hat sogar mehrere Waisenkinder aufgenommen, von denen ich weiß“, unterbrach der Procurator. Er wies auf das Siegel. „Der Brief ist echt. In ihm bittet der Präzeptor darum, Kathrina aufzunehmen und in der Heilkunst zu unterweisen.“
„Was ist das für eine seltsame Bitte?“ Theobald blieb misstrauisch. „Warum unterweisen die Höchster das Weib nicht selbst?“
„Gründe sind nicht angegeben, und bei einer Bitte des Präzeptors sind sie auch nicht notwendig.“ Der Procurator faltete den Brief sorgsam zusammen. Keyra konnte sich denken, dass er seine Vermutungen hatte. Ein junger Mönch, der dem Mündel zu nahe getreten war, oder umgekehrt … Darüber wurde sicher nicht gesprochen. „Nun denn, willkommen im Antoniterkloster Roßdorf, Kathrina Brücher. Ich bin Procurator Adam Raid, das ist Vikar und Cellarius Theobald, mein Stellvertreter. Was ist Euch auf dem Weg hierher zugestoßen?“
Dass der Vikar ein Gesicht machte, als hätte er gerade in eine Zitrone gebissen, verschaffte Keyra eine gewisse Befriedigung. „Ich weiß es leider nicht. Ich kann mich an den Vorfall nicht erinnern, nicht einmal daran, wie ich ins Kloster gebracht wurde.“ Sie senkte den Blick. „Ich kann mich an nicht viel mehr als meinen Namen erinnern. Als ich den Brief in meiner Tasche gefunden habe, habe ich aber geahnt, dass er wichtig ist.“
„Hm …“ Adam strich sich über den kleinen Spitzbart, der ebenso wie sein Haupthaar schneeweiß war. Als er sich jetzt erhob, bemerkte Keyra, dass der schlanke Mann den Vikar um zwei Haupteslängen überragte. „Nun gut, die Erinnerung wird wiederkommen. Du wirst dich zunächst einen oder zwei Tage erholen und danach im Spital helfen.“
Oha – meine ‚Eltern‘ scheinen ganz schön großzügig gewesen zu sein.
„Martha wird sich um dich kümmern“, bestimmte Adam.
„Aber Procurator, das kann nicht Euer Ernst sein.“ Theobald knirschte mit den Zähnen. „Wenn dieses …. dieses Mädchen tatsächlich ein Mündel des Präzeptors ist, könnt Ihr es nicht diesem schlechten Einfluss aussetzen.“
Der Procurator atmete tief durch. Keyra war sicher, dass er am liebsten die Augen verdreht hätte. „Noch einmal: Martha ist eine gute Heilerin. Niemand sonst kennt sich so gut mit Heilkräutern aus. Solange es keinen ernsthaften Grund gibt, sie in Misskredit zu bringen, solltest du dich zurückhalten.“
Der Vikar beugte sich vertraulich vor. Dabei stützte er die rechte Hand auf die Tischplatte, an der ein goldener Ring funkelte: „Aber wenn ich es Euch doch sage – diese Hexe hat magische Kräfte. Schwangere Frauen kommen zu ihr und wenn sie gehen, sind sie nicht mehr schwanger. Sie ist eine Engelmacherin.“
„Das ist Schwätzerei.“ Adam winkte ab. „Schluss jetzt. Kathrina, geh zurück ins Hospital. Und du, Theobald, gehe in die Kirche, bete zehn Rosenkränze und denke dabei an das achte Gebot, das da lautet: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“
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