Texten fürs Web: Planen, schreiben, multimedial erzählen. Stefan Heijnk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefan Heijnk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783969100103
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oder? Wenn Sie (…) jedoch eine gewisse Variabilität hinzufügen – zum Beispiel, indem wie durch Zauberhand bei jedem Öffnen ein anderer Leckerbissen in Ihrem Kühlschrank auftaucht –, kommt im Handumdrehen Faszination ins Spiel. Variable Belohnungen sind eines der machtvollsten Werkzeuge, die Unternehmen einsetzen, um Nutzer an den Haken zu bekommen.« Hier geht es also um Wow-Effekte.

      In der letzten Phase muss der Nutzer schließlich ein bisschen arbeiten, er muss investieren – mit Zeit, Daten, Mühe, sozialem Kapital oder Geld. Es geht nicht darum, dass nur flott das Portemonnaie geöffnet wird: »Vielmehr impliziert die Investition eine Handlung, die den Service für die nächste Runde verbessert: Freunde einladen, Vorlieben angeben, virtuelle Guthaben einrichten (…).« Das Produkt wird mit Persönlichem angereichert und auf diese Weise immer wertvoller. Wer dann beispielsweise die Herausforderungen des nächsten Levels in einem Online-Game erahnt und sich deshalb neues Zubehör zulegt, der wird es schon bald auch einsetzen wollen. Vor allem: immer wieder einsetzen wollen. Und: Wenn sich das Zubehör als nützlich erweist, wird noch mehr Zubehör gewollt. Es können also permanent neue Auslöser angeboten werden, die dazu führen, dass immer neues Zubehör gewollt ist. Der Kreis schließt sich.

       Dreh- und Angelpunkt: Content mit Haftkraft

      Den Bogen vom Hakenmodell zum Web-Publishing zu schlagen ist relativ einfach. Auch hier dreht sich letztlich alles um diese eine Frage: Mit welchen Inhalten können wir, kann ich unsere oder meine Zielgruppe begeistern und binden? Wie lässt sich per Content eine Haftkraft aufbauen, die gegen andere Möglichkeiten, Zeit zu verbringen, gewinnt?

      Leider gibt es keine einfache Antwort auf diese Frage, kein Patentrezept. Es kommt darauf an. Aber worauf genau? Auslöser sind im redaktionellen Tagesgeschäft im Überfluss vorhanden. Alles, was neu und relevant ist, kann ein Auslöser für Kontakt sein. Sicher ist: Inhaltliche Haftkraft entsteht nur dann, wenn die Qualität der Auslöser stimmt. Sie stößt Aktion an, sie ist Belohnung und Triebkraft für weitere Zeitinvestition. Im Zentrum jeder Content-Strategie steht deshalb immer das Nützlich-Sein für eine bestimmte Gruppe von Menschen. Helmut Markwort, Gründungs-Chefredakteur des Magazins Focus, hat für seine Redaktion einmal die Leitlinie festgelegt: »Fakten, Fakten, Fakten – und immer an die Leser denken«. Fürs digitale Publizieren würde ich das abwandeln in: »Nutzen, Nutzen, Nutzen – und immer an die User denken«. Überall, wo Inhalte fürs Web produziert werden, sollte diese Leitidee in großen Buchstaben an der Wand hängen. Nur über zielgruppengerechten Nutzwert entsteht Stickyness, also Haftkraft.

      Das Nützlich-Sein ist dabei breit gefächert zu denken. Nützlich sein kann nicht nur das Kochrezept für Pannacotta mit Minz-Pesto und Erdbeersauce oder eine Checkliste für vorbeugende Maßnahmen gegen Bettwanzen oder auch ein Ratgeber für die perfekte Rasenpflege im Schrebergarten. Nützlich kann im Prinzip alles sein: Witze sind nützlich als Lachstoff. Nachrichten sind nützlich zur politischen Meinungsbildung. Katzenvideos sind nützlich als Schmunzelzeitvertreib. Hauptsache ist, dass sich der Nutzwert der angebotenen Inhalte den Nutzern schnell und überzeugend erschließt. Als Content-Anbieter sollten Sie also immer glasklar vor Augen haben, wen Sie ansprechen wollen und warum. Das »Womit?« klärt sich dann fast von selbst. Halten wir an dieser Stelle deshalb fest: Für erfolgreiches Web-Publishing braucht es vor allem inhaltliche Qualität als Engagement-Auslöser, für eine Website insgesamt und für jede einzelne Seite.

       Wann ist Content attraktiv?

      Qualität allerdings ist ein schillernder Begriff und alles andere als leicht zu definieren. Es ist ähnlich wie mit der Schönheit: Sie liegt nicht nur, aber doch zu einem guten Teil im Auge des Betrachters. In der Journalistik beispielsweise gibt es in dieser Frage inzwischen den Konsens, dass die Debatte über Qualität faktisch nicht abgeschlossen werden kann. Nicht heute. Nicht morgen. Nie. Der Kommunikationswissenschaftler Stephan Ruß-Mohl hat dazu einmal formuliert, Qualität zu definieren sei so, als versuche man einen Pudding an die Wand zu nageln. Auf eine Standardformel müssen wir also verzichten.

      Auf der anderen Seite finden sich durchaus Faktoren, mit denen die Qualität eines Inhalts unabhängig von der jeweiligen Betrachterin eingestuft werden kann, zumindest näherungsweise. Die Zahl der Basiskriterien für die Qualität informierender Inhalte ist dabei relativ überschaubar: Das, was publiziert wird, sollte 1.) aktuell, 2.) faktisch richtig und 3.) relevant sein und zudem 4.) eine angemessene Form haben. In diesen vier Aspekten deutet sich bereits an, dass die individuell unterschiedlichen Erwartungen auf Nutzerseite immer schon im Qualitätsbegriff eingeschlossen sind – »relevant« bedeutet schließlich für jeden etwas anderes. Was für den einen relevant ist, kann für den anderen völlig uninteressant sein. Qualität ist also stets – auch – etwas Relatives. Ein Jugendlicher an einer Stadtteilschule wird eine Webseite der FAZ möglicherweise ganz anders beurteilen als eine berufstätige Erwachsene mit abgeschlossenem Hochschulstudium. Relevant ist ein bestimmter Inhalt also in aller Regel nie für alle Menschen, sondern immer nur für eine Teilgruppe. Auch die Frage, wann eine Form »angemessen« ist, lässt sich nicht für alle Menschen pauschal beantworten. Zudem sind die beiden Faktoren Aktualität und Richtigkeit negativ miteinander gekoppelt: Wenn es schnell gehen muss, unterlaufen halt auch schneller Fehler. Und umgekehrt gilt: Wer Fehler ausschließen will, braucht dazu mehr Zeit. Gut Ding will Weile haben. In der Content-Produktion fürs Echtzeitmedium WWW ist das allerdings oft unmöglich.

       Googles Qualitäts-Checkliste

      Die generellen Qualitätsmerkmale sind also nur bedingt hilfreich. Immerhin lässt sich ableiten: Sei flott. Sei korrekt. Sei nützlich. Und wähle eine passende Form. Um inhaltliche Qualität für praktische Planungen greifbarer einschätzen zu können, braucht es anwendungsnähere Merkmale. Nicht ganz zufällig finden sie sich bei Google. Der Suchmaschinenanbieter kümmert sich seit vielen Jahren darum, inhaltliche Qualität im Web zu fördern. Letztlich aus purem Eigeninteresse, denn qualitativ schwache Inhalte bedeuten minderrelevante Suchergebnisse als Auslöser – und das wäre nicht gut fürs Geschäft. Um Qualität erkennen zu können, braucht das Unternehmen zwingend eine eigene, möglichst genaue Vorstellung davon, was ein guter Inhalt ist, oder besser noch: wie inhaltliche Qualität festgestellt werden kann.

      Der Dreh, den die Google-Macher von Beginn an genutzt haben, um diese Frage treffsicher beantworten zu können, ist dabei ebenso simpel wie genial: Inhaltliche Qualität wird nicht absolut erfasst, weil das schlicht nicht geht. Erfasst wird vielmehr, wie die User sich im Kontakt mit einem Inhalt verhalten. Qualität wird also mittelbar festgestellt. Ausgewertet werden dazu vor allem Verweilzeiten und Engagement-Indikatoren. Google ist so gesehen in erster Linie eine Instanz, die Nutzerreaktionen erfasst. Alle maßgeblichen Rankingfaktoren beleuchten letztlich, ob es den Nutzern gefallen hat oder nicht.

      Vor ein paar Jahren hat Google im Zuge eines Algorithmus-Updates dazu einen Katalog mit 23 Fragen zur Qualitätsselbstkontrolle veröffentlicht. Dieser ist bis heute gültig und wird auf Sicht auch weiter gültig bleiben. Es lohnt sich, diesen Fragenkatalog zur eigenen Orientierung einzusetzen. Von Anfang an. Er sieht so aus:

      1 1.Würdest du den Informationen in diesem Artikel vertrauen?

      Bedeutet praktisch: Die Site sollte transparent kommunizieren, wer der Anbieter ist und wo beziehungsweise wie er im realen Leben erreicht werden kann. Alles, was Seriosität vermittelt und betont, ist Trumpf. Anschrift, Anfahrt-Informationen, Park-Informationen, Ansprechpartnernamen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Öffnungszeiten, Fotos des Geschäfts von innen und von außen sind Standard. Jeder Webnutzer weiß inzwischen, dass es im Zweifel besser ist, in einem Online-Shop einzukaufen, hinter dem ein echtes Ladengeschäft steckt. Dazu gehören auch Impressum, Datenschutz-Erklärung, eine »Wir über uns«-Seite, Testimonials, Informationen zur Firmengeschichte, Gütesiegel branchenbekannter Prüfstellen, eine angemessene Sprache, eine angemessene Bebilderung oder sinnvolle, inhaltlich plausible Verlinkungen zu einschlägigen Websites.

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