»Das ist logisch«, erwiderte der Doktor. »Darum bin ich auch so froh, auf der Höhe meiner Wünsche! Seit langer Zeit wartete ich auf eine solche Gelegenheit voll Sehnsucht, eine solche Reise zu machen. Nun, mit Ihnen, Kommandant …«
»Gestatten Sie …« sagte Shandon.
»Mit Ihnen«, fuhr Clawbonny fort, ohne ihn zu hören, »werden wir gewiss weit fahren, und keinen Fußbreit weichen.«
»Aber …« versetzte Shandon.
»Denn Sie haben schon Proben abgelegt, Kommandant, und ich weiß, was Sie geleistet haben. Ah! Sie sind ein stolzer Seemann!«
»Wollen Sie die Güte haben …«
»Nein, ich will Ihre Kühnheit, Ihre Tapferkeit und Geschicklichkeit nicht einen Augenblick in Zweifel gezogen haben, nicht einmal von Ihnen! Der Kapitän, der Sie zu seinem Stellvertreter gewählt hat, versteht sich darauf, dafür bürg’ ich!«
»Aber darum handelt sich’s nicht«, sagte Shandon ungeduldig.
»Und warum handelt sich’s denn? Sie lassen mich lange schmachten.«
»Sie lassen mich ja nicht reden, zum Henker! Sagen Sie mir nur freundlicherweise, Doktor, wie sind Sie dazu gebracht worden, an der Expedition des Forward teilzunehmen?«
»Nur durch einen Brief, den ich hier Ihnen vorweise; er ist sehr lakonisch, aber hinreichend!«
Mit diesen Worten überreichte er Shandon das Schreiben, welches also lautete:
»Inverneß, den 22. Januar 1860.
An den Doktor Clawbonny, Liverpool.
Wenn der Doktor Clawbonny sich für eine lange dauernde Expedition auf dem Forward einschiffen will, kann er sich dem Kommandanten Richard Shandon vorstellen, welcher dafür instruiert ist.
Der Kapitän des Forward.
K. Z.«
»Der Brief ist diesen Vormittag angekommen, und ich bin schon bereit, an Bord des Forward zu gehen.«
»Aber doch«, fuhr Shandon fort, »wissen Sie, Doktor, worin der Zweck dieser Reise besteht?«
»Durchaus nicht; aber was liegt daran? Gehe ich nur irgendwohin. Man nennt mich einen Gelehrten; der bin ich nicht, Kommandant, ich weiß nichts, und wenn ich einige Bücher schrieb, die Absatz finden, so tat ich nicht wohl daran, das Publikum ist wohl so gütig, sie zu kaufen. Ich weiß nichts, sag’ ich Ihnen; nur das weiß ich, dass ich nichts weiß. Nun bietet man mir an, meine Kenntnisse zu vervollständigen, oder, besser gesagt, mir erst Kenntnisse zu erwerben in Medizin, Chirurgie, Geschichte, Geografie, Botanik, Mineralogie, Konchyliologie,1 Geodäsie,2 Chemie, Physik, Mechanik, Hydrografie. Nun, ich nahm’s an und versichere Sie, dass ich mich nicht bitten lasse!«
»So wissen Sie also nicht«, fuhr Shandon verdrießlich fort, »wohin der Forward gehen soll?«
»O ja, Kommandant, er fährt dahin, wo es etwas zu lernen, zu entdecken, sich zu belehren, zu vergleichen gibt, wo man andere Sitten, andere Länder, andere Völker trifft, um sie bei ihren Verrichtungen zu studieren; er fährt, mit einem Wort, dahin, wo ich noch niemals gewesen bin.«
»Aber spezieller?« rief Shandon.
»Spezieller«, erwiderte der Doktor, »ich hörte sagen, er fahre in die Nordmeere. Gut, ich bin es zufrieden nach Norden!«
»Sie kennen doch«, fragte Shandon, »den Kapitän des Schiffes?«
»Im mindesten nicht! Aber, Sie dürfen mir’s glauben, ’s ist ein wackerer Mann!«
Als der Kommandant und der Doktor zu Birkenhead ausgestiegen waren, machte jener diesen mit der Sachlage bekannt, und dieses Geheimnis entzündete die Fantasie des Doktors. Beim Anblick der Brigg war er über die Maßen erfreut. Seit diesem Tag wich er Shandon nicht von der Seite und besuchte jeden Morgen den Rumpf des Forward.
Auch wurde er besonders beauftragt, die Einrichtung der Pharmazie an Bord zu überwachen.
Denn dieser Clawbonny war Arzt, und sogar ein guter Arzt, aber mit wenig Praxis. Im fünfundzwanzigsten Jahre ein Doktor wie alle anderen, war er im vierzigsten ein echter Gelehrter; sehr gekannt in der ganzen Stadt, wurde er ein einflussreiches Mitglied der literarischen und philosophischen Gesellschaft zu Liverpool. Sein kleines Vermögen gestattete ihm, unentgeltlich Rat zu erteilen, der darum nicht minder Wert hatte; geliebt, wie es einem ausnehmend liebenswürdigen Mann gebührte, fügte er nie jemand ein Leid zu, nicht einmal sich selber; lebhaft und redselig, wenn man will, aber das Herz in der Hand, reichte er diese jedermann.
Als sich in der Stadt das Gerücht von seiner Aufnahme an Bord des Forward verbreitete, boten seine Freunde alles auf, ihn zurückzuhalten; aber das bestärkte ihn nur umso mehr in seinem Vorhaben. Wenn aber der Doktor irgendwo Wurzel gefasst hatte, gehörte viel dazu, um ihn wieder von diesem Boden auszureißen!
Von diesem Tage an nahmen die Vermutungen und Befürchtungen in steigendem Maße zu; aber das hinderte nicht, dass der Forward am 5. Februar 1860 vom Stapel lief. Zwei Monate später war er zum Auslaufen bereit.
Am 15. Februar, wie das Schreiben des Kapitäns angekündigt hatte, wurde auf der Eisenbahn von Edinburgh nach Liverpool ein Hund dänischer Rasse an Richard Shandon überschickt.
Das Tier schien tückisch, scheu, selbst ein wenig schlimm, mit einem eigentümlichen Blick. Auf seinem kupfernen Halsband war die Inschrift Forward. Der Kommandant wies ihm sogleich an Bord seine Stätte an und meldete den Empfang unter den angegebenen Buchstaben an Livorno.
So war also bis auf den Kapitän die Bemannung vollständig. Sie bestand aus:
1. K. Z., Kapitän;
2. Richard Shandon, Kommandant;
3. James Wall, dritter Offizier;
4. Doktor Clawbonny;
5. Johnson, Rüstmeister;
6. Simpson, Harpunier;
7. Bell, Zimmermann;
8. Prunton, erster Maschinist;
9. Plover, zweiter Maschinist;
10. Strong (Neger), Koch;
11. Foker, Eismeister;
12. Wolsten, Waffenschmied;
13. Bolton, Matrose;