Am 8. Mai um sechs Uhr früh fuhr der Forward mit vollen Segeln ab und verlor bald Uppernawik mit seinen hässlichen Stangengerüsten, woran dem Ufer entlang Eingeweide von Robben und Bauchstücke von Damhirschen hingen, aus dem Gesicht.
Der Wind wehte aus Süd-Ost, und die Temperatur stieg wieder auf zweiunddreißig Grad (-0° hundertteilig). Die Sonne drang durch den Nebel, und die Eisblöcke wurden unter ihrer auflösenden Einwirkung etwas lockerer.
Indessen übte der Reflex dieser blendendweißen Strahlen einen nachteiligen Einfluss auf das Gesicht einiger Leute der Mannschaft. Der Waffenschmied Wolsten, Gripper, Clifton und Bell wurden schneeblind, eine im Frühjahr sehr verbreitete Augenkrankheit, welche bei den Eiskomos häufig Blindheit zur Folge hat. Der Doktor riet der ganzen Mannschaft, besonders aber den Kranken, an, sich das Gesicht mit einem Schleier von grüner Gaze zu verhüllen, und befolgte zuerst seine Anordnung.
Die von Shandon zu Uppernawik gekauften Hunde waren ziemlich wilder Art, doch gewöhnten sie sich bald an das Schiff, und Kapitän Hund stand nicht übel zu seinen neuen Kameraden; er schien ihre Gewohnheiten zu kennen. Man konnte leicht erkennen, dass dieser Kapitän bereits Bekanntschaft mit seinen Stammesgenossen auf Grönland gehabt haben musste. Da diese zu Lande bei ungenügender Nahrung stets hungrig gehalten wurden, so waren sie nun gierig, bei dieser Schiffsordnung sich zu erholen.
Am 9. Mai strich der Forward einige Kabel weit bei der westlichsten der Baffins-Inseln vorbei. Der Doktor bemerkte in der Bai zwischen den Inseln und dem Lande einige Felsen, die man Crimson-Cliffs nennt; sie waren mit einem schön karminroten Schnee bedeckt, welchem der Doktor Kane einen rein vegetalen Ursprung gibt; Clawbonny hätte diese merkwürdige Phänomen gern näher beobachtet, aber das Eis gestattete nicht, sich der Küste mehr zu nähern. Obwohl die Temperatur zu steigen anfing, konnte man klar sehen, dass die Eisberge und Eisströme im Norden des Baffins-Meeres häufiger wurden.
Von Uppernawik an bot das Land einen anderen Anblick, und es zeichneten sich am Horizont die Profile unermesslicher Gletscher auf grauem Himmelsgrund. Am 10. ließ der Forward die Bai Hingston rechts nächst dem vierundsiebzigsten Breitengrad: mehrere hundert Meilen westlich von dem Eingang des Lancaster-Sund.
Dann aber verschwand die ungeheure Wasserfläche unter ausgedehnten Eisfeldern, auf welchen regelmäßige Spitzhügel wie die Kristallisation der nämlichen Substanz sich erheben. Shandon ließ heizen, und bis zum 11. Mai schlängelte der Forward durch die gewundenen Engen, und sein schwarzer Rauch zeichnete am Himmel den Weg, welchen er nahm.
Aber bald zeigten sich neue Hindernisse; da die schwimmenden Massen beständig ihre Stelle wechselten, so schlossen sich die engen Fahrwasser; vor dem Vorderteil der Forward drohte jeden Augenblick das Waser zu mangeln, und wenn er eingeklemmt wurde, würde es ihm schwerfallen, sich wieder herauszuziehen. Jeder wusste es, jeder dachte daran.
Auch zeigten sich an Bord dieses Schiffes ohne Ziel, ohne bekannte Bestimmung, das sinnlos nach Norden zu steuerte, einige Symptome schwankender Gesinnung; unter den an ein Leben voll Gefahren gewöhnten Leuten fanden sich manche, die trotz der gebotenen Vorteile es bereuten, sich so weit gewagt zu haben. Es herrschte bereits in den Gemütern eine gewisse Entmutigung, welche durch die Angst Cliftons und die Reden von einigen Anstiftern, wie Pen, Gripper, Waren und Wolsten noch zunahm.
Zu der gemütlichen Herabstimmung der Mannschaft gesellten sich dann noch erschöpfende Strapazen, denn am 12. Mai war die Brigg auf allen Seiten eingeschlossen; die Dampfkraft reichte nicht mehr aus, man musste sich durch die Eisfelder eine Bahn machen. Bei den sechs bis sieben Fuß dicken Blöcken war die Anwendung der Sägen sehr mühevoll; wenn in einer Länge von hundert Fuß zwei Parallelschnitte gemacht waren, musste man das zwischen denselben befindliche Eis mit Äxten und Hebebäumen zerbröckeln; dann steckte man Anker durch ein mit einem starken Bohrer gemachtes Loch; dann begann man die Winde anzuwenden und zog das Schiff mit den Armen; eine sehr große Schwierigkeit bestand noch darin, dass man die Eisstücke unter die Blöcke bringen musste, um dem Fahrzeug Bahn zu machen; und man musste sie vermittels langer Stangen mit einer eisernen Spitze hinwegstoßen.
Kurz, das Sägen, Ziehen, Winden, Stoßen – unablässig notwendige, gefährliche Verrichtungen mitten im Nebel oder dichtem Schnee, die niedrige Temperatur, Augenleiden, Gemütsbefangenheit – alles wirkte zusammen, die Mannschaft herabzustimmen und auf ihre Einbildungskraft zu wirken.
Haben es die Matrosen mit einem energischen, kühnen, überzeugten Manne zu tun, der seines Zweckes, seines Weges und Zieles sicher ist, so hält das Vertrauen sie wider Willen aufrecht; sie sind mit ihrem Haupt eines Sinnes, stark durch seine Kraft, und ruhig durch seine Ruhe. Aber an Bord der Brigg wusste man, dass der Befehlshaber nicht sicher war, bei dem unbekannten Ziel und Bestimmungsort schwankte. Trotz der Energie seines Charakters gab sich durch Änderung der Befehle, unvollständige Manöver, unzeitige Bemerkungen, durch eine Menge Einzelheiten, welche der Mannschaft nicht unbemerkt bleiben konnten, seine Schwäche unwillkürlich kund.
Und dann, Shandon war doch nicht Kapitän des Schiffes, von dem nach Gott alles abhing; Grund genug, dass man über seine Befehle disputierte, und vom Disputieren bis zur Gehorsamsverweigerung ist nur ein leichter Schritt.
Die Unzufriedenen gewannen bald den ersten Maschinisten für sich, der bisher sich streng an seine Pflicht hielt.
Am 16. Mai, sechs Tage nachdem der Forward bei der Eisdecke angelangt war, hatte Shandon noch keine zwei Meilen nordwärts zurückgelegt. Man war mit dem Schicksal bedroht, im Eise stecken zu bleiben. Das war ein bedenklicher Fall.
Gegen acht Uhr gingen Shandon und der Doktor in Begleitung des Matrosen Garry aus, um auf der unermesslichen Ebene zu rekognoszieren; sie waren bedacht, sich nicht allzu weit von dem Schiff zu entfernen, denn es wurde schwierig, sich in den weißen Einöden, deren Ansichten sich unaufhörlich änderten, Merkpunkte zu bilden. Die Strahlenbrechung hatte sonderbare Wirkungen, sodass der Doktor darüber staunte; wo er meinte, nur einen Fuß weit springen zu müssen, musste man über fünf bis sechs Fuß hinaus;