Der letzte Admiral 3: Dreigestirn. Dirk van den Boom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk van den Boom
Издательство: Bookwire
Серия: Der letzte Admiral
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966583121
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was«, sagte Sia und legte ihn um. Ein Knall ertönte, ein metallisches Schleifen, ein elektronischer Warnton, dann ruckelte die Kapsel und warf sich zur Seite. Jemand brüllte etwas und Ryk benötigte einen Moment, um zu begreifen, dass es das Triebwerk war, das mit einem Aufschrei anlief und die Kapsel vom Dreigestirn fortschleuderte.

      Die Luft wurde aus Ryks Lungen gepresst, als sich ein Riese auf ihn setzte. Er japste und rang um jeden Atemzug, dann keuchte er, als der Andruck nachließ. Die Brust tat ihm weh. Uruhard wirkte bleich, Sia gelassen, Momo war völlig unbeeindruckt. Dann drehte sich Ryks Magen zusammen mit der Kapsel.

      Die schmalen Sichtfenster ließen wenig Überblick zu, doch vor ihren Augen erwachten Schirme zum Leben, die die hilflosen Passagiere darüber informierten, dass es jetzt sehr schnell, sehr direkt und absolut unausweichlich in Richtung des zweiten Planeten ging.

      »Verdammt, können wir den Landeplatz wenigstens auswählen?«, stieß Sia hervor. »Ich möchte nicht in der Abfallgrube eines Hives landen oder so nahe, dass die Großmäuler uns holen kommen.«

      Ein berechtigtes Anliegen, dem Ryk nur zustimmen konnte. Es wäre das unrühmliche Ende einer insgesamt schon ziemlich unrühmlichen Reise.

      Es war keine richtige Auswahl, sondern eine, die ihnen die Landeautomatik zubilligte, sozusagen die Illusion von Entscheidungsfreiheit. Als die Kapsel auf die Welt zustürzte und sich insgesamt fünf verschiedene Optionen ergaben, öffnete sich ein Zeitfenster und sie schauten auf fünf schimmernde Quadrate, die sich auf die topografische Karte des Planeten legten, alle nicht weit voneinander entfernt. Der Kurs führte sie zudem relativ nahe am einzigen Mond dieser Welt vorbei. Die Landeplätze waren nummeriert. Es war Navigation für Doofe, also genau das, wozu sie am ehesten in der Lage waren.

      »Ich schlage Landezone drei vor«, sagte Ryk. »Sie ist der Siedlung am nächsten, die die Sonden beobachtet haben. Ich glaube, dass wir dort am ehesten eine Chance haben, den Hivewald zu überleben.«

      »Das ist wohl eine korrekte Annahme«, murmelte Uruhard. »Ich stimme zu. Sia? Momo?«

      Sie kamen schnell zu einem Konsens und obgleich es eine recht offensichtliche Wahl war, fühlte Ryk sich für einen Moment etwas besser. Es mochte eine Illusion sein, aber hin und wieder tat eine solche auch ganz gut.

      Sia tippte auf den Schirm. Die Flugautomatik bestätigte die Auswahl mit einem beruhigenden Ton, der wohl suggerieren sollte, dass jetzt alles gut würde. Ryk wusste mittlerweile, was er von solchen kurzen Phasen der Zuversicht zu halten hatte, und ließ sich natürlich nicht manipulieren. Dass der Eintritt in die Atmosphäre die Kapsel heftig traf und ihre Insassen hin und her schüttelte, half ebenfalls nicht. Das Schütteln wurde zu einer Vibration und Warnsignale wiesen darauf hin, dass die Hitzeschilde sich einer ernsthaften Beanspruchung ausgesetzt sahen. Auf den Schirmen war nun nichts mehr zu sehen als ionisierendes Gas, da die Kapsel ihre Schutzbefohlenen möglichst schnell vor dem grausamen Weltall zu erretten gedachte. Dann ein weiterer Schlag, der ihnen ihre Innereien den Hals hinauftrieb, als die Landedüsen einsetzten und den Absturz zu einem geregelten Landevorgang machten. Der Ausblick auf den Schirmen klärte sich.

      Hivestöcke.

      Überall, so weit das Auge reichte.

      Es war eine Sache, sich die Aufnahmen der Fernsonden anzuschauen, aber eine ganz andere, sie aus der Nähe zu sehen. Sie waren nicht nur viele, sie schienen auch teilweise größer zu sein als die auf der Erde, überwältigende, mächtige Bauwerke, die weit in den Himmel ragten, umgeben von Drachenpatrouillen, mit Knospen, die manchmal fast bis in die Wolken zu reichen schienen. Es war atemberaubend und beängstigend, eine emotionale Mischung, die sie alle zu stummen Beobachtern dessen machte, was sie als die größte Ansammlung zerstörerischer Macht betrachten konnten, der sie jemals gegenübergestanden hatten.

      Der Hive war die Rettung der Menschheit vor den KIs?

      Ryk musste an sich halten, um nicht hysterisch zu kichern. Offenbar war seine Zivilisation in der Lage, sich gleich mehrfach auf besonders perfide Weise auszulöschen. Und sie wollten das nun zurückdrehen oder Schlimmeres verhindern? Es gab sicher ein sehr gelehriges Wort, um diese Haltung zu beschreiben, und er würde Uruhard beizeiten danach fragen. Es war gewiss vor allem der reine Wahnsinn.

      Die Drachen ignorierten sie nicht, aber flogen nur heran und verschwanden wieder, sobald sich die Kapsel entfernte. Sie war keine Bedrohung des Hive. Solange sie nichts anderes tat, als zu landen und vier Insassen zu helfen, auf dieser Welt ihre jämmerliche Existenz zu beenden, kümmerte es diesen mächtigen Wald nicht. Sie waren weniger als lästige Insekten.

      Ryk war dankbar. Seine Dankbarkeit schwand jedoch, als die Kapsel aufsetzte. Es war eine harte Landung, die erneut das Innere seines Körpers neu sortierte, und in seinen Halswirbeln knackte irgendetwas, das normalerweise keine Geräusche machte. Dann stand die Kapsel da, immerhin aufrecht, sodass sie die Schwerkraft spürten, etwa so stark wie die der Erde, soweit sich Ryk daran erinnern konnte. Er war der Erste, der die Gurte löste und auf etwas wackeligen Beinen aufstand und sich umdrehte.

      Er sah sich um. Dies war eine Rettungskapsel. Es musste doch … Sofort wurde er fündig.

      »Es gibt hier Notfallausrüstung«, sagte er dann. »Sechs Rucksäcke, wenn ich das richtig sehe. Und hier diese Schutzanzüge. Ah, das ist mit Modularisierung gemeint.« Er zog an Manschetten und Erweiterungen. »Auch für dicke Wachtmeister und mächtige Krieger geeignet. Ich schlage vor, dass wir alle mitnehmen. Momo, ich will dir nicht …«

      »Du bist schwach. Ich bin stark.« Momo griff sich drei der Rucksäcke, nachdem Ryk auf sie gedeutet hatte, und zeigte nicht die geringste Anstrengung, sie alle zu tragen. Ryk öffnete seinen eigenen. Soweit er es verstand, handelte es sich um Nahrungskonzentrate, zwei Wasserflaschen, eine Art Handfeuerwaffe, ein medizinisches Paket mit allerlei Medikamenten, deren Nutzen er nicht zu ermessen vermochte, einen elektronischen Kompass sowie Werkzeug, alles eingewickelt in eine große, sicherlich wasser- und windabweisende Plane. Natürlich hatten sie die Kapsel als Unterschlupf, andererseits könnte es sich als notwendig erweisen, sie schnell zu verlassen. Es war unvermeidbar gewesen, in der Nähe eines Hives zu landen. Alles hier unten war »in der Nähe«.

      Sie zogen die Schutzanzüge an. Sie waren für den Aufenthalt gleichermaßen im Vakuum wie in einer feindlichen Atmosphäre konstruiert und leicht zu bedienen, mit einem folienartigen Helm, der sich in einen Halsring zurückfaltete, wenn er nicht benötigt wurde. Leicht zu tragen, schränkten die Anzüge die Beweglichkeit kaum ein. Und sie alle passten hinein, wenngleich Momo und Uruhard sich in ihrem Aussehen stark einer Presswurst annäherten.

      Sie stießen die Luke auf und ein Schwall feuchtwarmer Luft nahm ihnen den Atem. Ryk spürte sofort den Schweiß auf seiner Stirn. Es war heiß, schwül und die Luftfeuchtigkeit musste extrem sein. Er kletterte aus der Kapsel, sah sich um und war sofort eingeschüchtert und für einen Augenblick wie gelähmt. Hive neben Hive, einer größer als der andere, und von überallher kam der massive Gestank des verwesenden Abfalls, der sich neben den Stöcken auftürmte. Hier war niemand, der sich um die Entsorgung kümmerte, hier schichtete sich der Dreck aufeinander, versickerte nur langsam im Boden und zersetzte sich mit all seinen Nebenwirkungen. Es war betäubend. Sia hörte er husten, Uruhard keuchen, allein Momo, stark, nicht schwach wie sie, stapfte voraus und sah sich neugierig um. Seine Konstitution war bewundernswert, oder seine Selbstbeherrschung oder auch beides.

      »Wohin?«, keuchte Ryk. Es fiel ihm schwer zu atmen. Er wünschte sich die Filtermasken zurück, die sie auf der Perlenwelt getragen hatten, ließ den Helm aber offen. Der Sauerstoffvorrat war nicht unbegrenzt und sie wussten nicht, wann sie ihn einmal brauchen würden.

      Dann schaute er auf den elektronischen Kompass, auf den er auch die aus dem Orbit aufgezeichnete Topografie geladen hatte. Sia hatte ihn auf diese Notwendigkeit hingewiesen und ihre stets praktische Veranlagung war ihnen einmal mehr ein Segen. So beantwortete er seine eigene Frage, drehte sich und wies in eine Richtung. »Dorthin!«

      »Das trifft sich gut«, sagte Uruhard angestrengt. »Von der anderen Seite kommen nämlich Großmäuler.«

      Seine scharfe Beobachtungsgabe hatte ihn nicht getäuscht. Die Truppe an Hivesoldaten, die sich in der