Wieder kam ein Schoner mit Blauholz längsseits. Lauter große Stücke, die zwei Personen kaum heben konnten.
Das Fahrzeug sah ebenso schmutzig wie malerisch aus. Auf den hochgetürmten Holzklötzen kletterten Hunde, in Lumpen gehüllte Neger und Schweine umher.
Von den Schweinen bekam ich mit dem ersten Stück Blauholz eine höchst unangenehme Visitenkarte in die Hände.
Steuermann stand an der Waage und betrog die Neger tüchtig. Auch ich war diesmal mit Jahn an der Waage postiert, mußte aber fast alle Stücke allein hinaufheben, während Jahn zusah. »Siehst du, wie schön das geht?« höhnte er. Ich versuchte auszuhalten. Neben mir stand ein Eimer mit Grützwasser, das der Koch zu unserer Erfrischung hingestellt hatte. Ich trank einmal zehn Tassen davon hintereinander. Zuletzt mußte ich im Arbeiten innehalten. Der Schweiß lief mir von der Stirn in die Augen, so daß ich nichts mehr sehen konnte, und die Beine trugen mich nicht mehr. So setzte ich mich unbekümmert um das Gelächter der anderen einen Moment auf den Lukendeckel.
Steuermann warf mir einen giftigen Blick zu. »Warte, ich will dich auf der Heimreise lehren, dich wohlzufühlen!«
Aber auch die anderen waren ganz schlapp und lagen über Mittag wie tote Fliegen an Deck. Dann kam der schwere Augenblick, wenn Steuermann uns mit seinem quälenden »Turn to« wieder an die Arbeit rief. Wenn man da hätte weiterschlafen dürfen!
Jahn und August, die sich nach Möglichkeit drückten, waren aus diesem Grunde noch am frischesten.
August erzählte eine Geschichte, die so begann: »Ja, das kann ich euch sagen, da war ein gewisser Hansen, das waren zwei Brüder. So eine Frau habe ich überhaupt nicht wieder gesehen.«
Gegen fünf Uhr war der Schoner leer, und wir freuten uns schon, nun ausruhen zu können, als der Befehl zu neuer Arbeit kam. Die gewichtigen Ankerketten in dem heißen Raum unter der Back mußten aufgeklart und Wasser aus dem Schiffsraum gepumpt werden.
Zum Abendbrot wurde uns nur wenig Zeit gelassen, dann lichteten wir den Anker und brachten das Schiff nach einem anderen Liegeplatz näher dem Lande zu. Wir erwarteten für den nächsten Tag eine weitere Mahagoniladung. Nun kam das erlösende Wort »Ausscheiden«, das heißt für mich nicht. Ich hatte die erste Wache. Zwei Stunden. Aber als diese vorüber war, streckte ich mich auf der Kombüse aus, denn an Deck konnte man der Skorpione wegen nicht liegen. Und schlief. Und schlief.
Die Kost wurde immer schlechter. Das bißchen frische Fleisch und Brot, das wir zweimal wöchentlich erhielten, verdarb der Koch. Das Hartbrot wimmelte von Maden und Ameisen, die wir notdürftig entfernten, indem wir das Brot vor dem Genuß auf den Knien zerschlugen. Unter der Bezeichnung »Zucker« erhielten wir eine braune, flüssige Masse. Der einzige Trost bestand noch in den Früchten, die dann und wann einer von Land mitbrachte oder die uns von Bumbootsleuten angeboten wurden. Vorzüglich schmeckten Limonen in Wasser ausgedrückt.
August fuhr fast jeden Abend an Land und kam dann regelmäßig betrunken zurück, um darauf an Bord den vertilgten Alkohol zu langen Reden zu verarbeiten, bei denen niemand zu lachen wagte. Er war begeisterter Sozialdemokrat und sang jeden Abend seinen Lieblingsvers:
Er hängt an keinem Galgen,
Er hängt an keinem Strick,
Er hängt am festen Glauben
Der freien Republik.
Willy und Gustav erzählten, wie wild und roh es auf dem mexikanischen Schoner zuginge, auf den ich beinahe gekommen wäre.
Sie hatten, als sie mit dem Boot das Schiff passierten, beobachtet, wie einige Matrosen einen Menschen, der ins Wasser gefallen oder geworfen war und der verzweifelte Anstrengungen machte, das Fallreep zu erreichen, immer wieder zurückstießen.
Zwanzig große, vierkantige Blöcke Mahagoniholz trafen ein, die wir mit Hilfe von drei Winschen aufnahmen. Schwere Arbeit! Das war überhaupt die Losung an Bord in Belize. Die Klötze, die etwa 11/2 m im Durchmesser und zirka 6 m in der Länge betrugen, sahen imposant aus. Die teuren Stämme wurden nicht in Booten, sondern floßweise an das Schiff gebracht. Unsere Matrosen ruderten sie vom Lande her. Das war nicht leicht, denn sie hatten den Strom gegen sich, und der Weg bis zur »Elli« war sehr lang. Solch ein Floß wurde Rafft genannt.
Ich hatte im Zwischendeck, wo ich Hartbrot fürs Logis holen wollte, einen unbedeutenden Wortstreit mit dem Franzosen. Steuermann kam dazu. Als er sah, daß außer Napoleon niemand zugegen und dieser auch gegen mich war, ließ er seinen ganzen Haß an mir aus, indem er ohne weitere Veranlassung mich ins Gesicht schlug und mich sogar mit den Füßen in den Leib trat, so daß ich laut aufschrie. »Willst du noch schreien!« zischte er wütend.
Ich überlegte mir den ganzen Tag, wie ich mich an dem Schuft rächen könnte, und machte mir selber Vorwürfe, daß ich ihn nicht mit der ersten besten Waffe niedergeschlagen hatte. Ich wußte aber, daß dann alle gegen mich gewesen wären. Entweder hätte man mich totgeschlagen oder in Eisen gelegt. Das alles erwog ich an diesem Tage ernsthaft und hatte sogar ein paarmal noch schlimmere Gedanken.
In der kommenden Nacht trat eine auffallende Moskitoplage ein, die wahrscheinlich mit der Witterung im Zusammenhang stand. Kein Mensch an Bord und, wie ich später hörte, auch keiner an Land – mit Ausnahme der Schwarzen – konnte zu dieser Zeit schlafen. Ich hatte mich von Deck ins Logis geflüchtet, konnte es aber auch hier vor Stichen nicht aushalten. Dann stieg ich wieder auf ein Boot, unter das Boot, darauf kletterte ich an den Wanten hoch und versuchte, in etwas gewagter Weise auf dem Mars zu schlafen. Doch überall begleitete mich das unheimliche Summen der kaum sichtbaren Tiere. Überall stachen mich diese Bestien. Es war eine schwüle Mondscheinnacht, und meine Lage auf der kleinen, hölzernen Plattform oben am Mast mit der weiten Aussicht über das Meer hatte etwas sehr Romantisches, das mich unter anderen Umständen wohl gereizt hätte. Aber ich war todmüde. Schließlich versuchte ich es doch noch einmal an Deck, indem ich mein Gesicht mit einem Hemd verhüllte und Strümpfe über die Hände zog.
Am Sonntagmorgen, als ich in meiner Koje aus ungestörtem Schlaf erwachte, hörte ich, daß es draußen regnete. Irgend jemand rief mich an Deck. Als ich hinaufkam, goß mir Jahn einen Eimer Wasser über den Kopf, »zur Auffrischung«, wie er sagte. Ich wollte umkehren, um meinen Anzug zu wechseln, doch Steuermann, der den Vorgang schadenfroh beobachtet hatte, zog mich zum Deckfegen nach achtern. »Nicht wahr, das ist doch ein gemeiner Mensch? Der gibt dir noch sonntags Arbeit«, sagte er und meinte sich selbst, »denkst du nicht so?«
»Nein, ich denke nicht so.«
»Nun, du kannst denken, was du willst, nur denke nicht laut, sonst denke ich mal laut.«
»Sieh mal«, fuhr er mich nach einer Weile wieder an, indem er mich in den Arm zwickte, »kannst du das Ende dort nicht sehen? Ich werde dich gleich alle Enden zehnmal abnehmen und neu aufschießen lassen.«
10. Kapitel: Klar zum Ankerlichten
Man teilt das Schiffspersonal in zwei Parteien ein: Die vor dem Mast, das sind Matrosen, Leichtmatrosen, Schiffsjungen, und die achtern Mast, das sind Kapitän und Steuerleute. Der Koch, der midships haust, nimmt dementsprechend eigentlich eine Mittelstellung ein, die er aber gewöhnlich nicht lange behaupten kann. Unser Koch stand entschieden auf der Seite derer achter dem Mast und begünstigte diese im Kochen auf unsere Kosten. So waren wir schlecht auf ihn zu sprechen. Täglich gab es Reibereien mit ihm. Er war aber auch ein ungewöhnlicher Schmutzfink. Nie war der Kaffee rechtzeitig fertig, und außer Reis mit Sirup wußte der Koch kein anderes Gericht mehr herzustellen, das nur einigermaßen genießbar war.
Wir