Eines Tages hatte er in einer Rebenlaube den Winzern und Winzerinnen mancherlei Lieder vorgespielt, wozu man auch mitunter getanzt hatte. Während einer Pause näherte sich ihm ein geputzter Bursch, der nicht zu den Uebrigen gehörte, und sich viel mit seinem galonirten Wams zu wissen schien. Herr Sänger, sprach er, Euresgleichen pflegen einen guten Verdienst nicht von der Hand zu weisen, und Ihr könntet unter meinem Schutze zu einem solchen gelangen.
Das wär' vortrefflich, sagte Alwin lachend, und schon entschlossen, sich der albernen Protection, eben ihrer Albernheit wegen, hinzugeben.
Ja, ja, Ihr könnt Euch auf mich verlassen; ich helf' Euch zu einem guten Abendbrodt, und zu vier Ducaten wenigstens obenein, aber Ihr müßt auch Discretion beweisen; Discretion, seht Ihr, lernt man freilich blos an Höfen, und weil ich dort Gelegenheit habe, sie zu erlangen und auszuüben, müßt Ihr mir nur hübsch nachgehn, und Euer Glück ist gemacht.
Vier Ducaten, wiederhohlte Alwin, und ein gutes Abendbrodt! Die Wolken thauen Seegen auf mich hernieder.
Nun, faßt Euch nur, guter Mensch, erwiederte sein Beschützer. Ich weiß was ich verspreche, und habe nicht die Unart andrer Hofleute, hinterdrein kaum das Viertel zu halten. Beruhigt Euch, und laßt Euch erzählen, wie die Sachen stehn. Ich bin in Diensten des Fürsten Xaver. Der alte Herr fand von Jugend auf keine Lust an Musik und Versemacherei; weshalb auch pflichtschuldigst Alles von ihm weggeräumt ward, daran sich nur der geringste Anstrich von dergleichen finden ließ. Nach und nach hat er sich nun so dagegen erbittert, (denn man lobte natürlich diese Abneigung als eine besondre Heldengabe an ihm,) daß er beim Knarren einer ungeschmierten Thüre grimmig wird, und behauptet, man wolle ihm zu Trotz heimliche Versuche zu Einführung der Musik machen. Grade entgegengesetzt ist ihm hierin seine Tochter, die bei einer Tante erzogen ward, und jede Art von Gesang und Klang über Alles liebt. Ihr Gemahl, des alten Fürsten mächtiger Schwiegersohn, interessirt sich für keine von beiden Partheien, aber er sieht es gern, wenn man der jungen Dame Musik zu hören schafft, ohne den Durchlauchtigen Herrn zu ärgern. Kommt also heut Abend mit mir. Ich führ' Euch in einen entlegnen Theil des Gartens, die Fürstin geht dahin spatziren, und Ihr zieht nach gemachtem Kunststück und empfangner Belohnung Eures Weges.
Der Handel gilt, sagte Alwin, indem er lachend einschlug, und wirklich machten sich zur gehörigen Zeit Beschützer und Beschützter auf den Weg.
Im Garten sah es so nüchtern und ärmlich aus, daß Alwin bald von dem heimlich gehegten Gedanken zurück kam, ob nicht vielleicht der tölpische Bursch ihn unbewußt einem artigen Abentheuer entgegen führe. Zwischen diesen verdorrten Taxusgängen, an diesen wasserleeren Teichen konnte die heitre Nymphe, von den Minnesängern Aventüre genannt, wohl nimmermehr lauschen.
Der Protecktor war schon eine Zeitlang fort, um der Prinzessin Alwins Ankunft zu verkündigen, und dieser saß beinah mismüthig auf einer buntbemahlten Bank, während er sich zurückrief, wie hübsch es unter der Rebenlaube gewesen war, und wie ergötzlich er den Abend mit Gesang und Tanz hätte zubringen können. Da schritt endlich im steifen, geschmacklosen Putz, begleitet von zwei alten, zahnlosen Hofdamen, ein bleiches Weiblein die sandige Allee herab. Alwin errieth, daß dies die verheissne Prinzessin sei, und fühlte sich durch ihr klangloses Dasein, aus welchem sie sich nach Musik und Poesie hinübersehnte, recht bewegt. Er griff in die Saiten, und sang folgendes Lied:
Ueber die Mauern fort,
Leicht schwimmend über den Graben,
Flüchtig klimmend an's Fenster,
Wie Mondstrahl hin durch unverletzte Scheiben,
Kennst Du den Wandrer?
Ist Citherklang,
Ist freundlicher Sang;
Der kommt, wenn ihn Dein Sehnen
Zu süßen Träumen rief;
Er selbst ein Traum, ein Wähnen,
Dringt doch in's Herze tief.
Er trägt auf seinen Schwingen
Das bunte Leben her,
Nur läßt er's artig klingen,
Hält's nicht so hart und schwer.
Da flieh'n die trauten Geister
Einander länger nicht;
Kennt Jedes seinen Meister:
Des heil'gen Liedes Licht.
Um Gotteswillen, sagte die Prinzessin, die sich indeß sehr umständlich zwischen ihren Begleiterinnen niedergelassen hatte; der Mensch wird sich doch nicht unterstehn ein Liebeslied in meiner Gegenwart zu singen?
An solche Inpertinenz ist nicht zu denken, antwortete die Häßlichste von beiden Hofdamen, aber freilich, etwas dreiste Worte kamen drin vor.
Ich mache mir überhaupt aus den Worten nichts, sagte die Prinzessin. Spielt mir hübsche, bekannte Tänze und dergleichen, daran man sich mit Anstand ergötzt. Was soll man denn mit der Musik anfangen, wenn man nicht ungestört dabei sprechen kann, und arbeiten, woran Einem nur die Verse der Lieder hinderlich sind. Spielt ohne zu singen, mein Freund, spielt ohne zu singen.
Alwin leierte nun einen Tanz nach dem andern ab, und es schien gar kein Ende nehmen zu wollen, denn die drei Damen hielten dabei ehrlich, was die Prinzessin verheissen hatte; sie sprachen und nähten aus allen Kräften. Anfänglich war es ihm spaßhaft vorgekommen, aber mit jeder Minute ward's ihm fataler, und doch war er nicht ungalant genug, in Gegenwart der Damen so plötzlich aufzubrechen.
Es galt ihm daher für einen wahren Trost, als er herannahende Mannstritte vernahm. Vielleicht ist es der Musikfeind, sagte er zu sich selbst, der Fürst Xaver; der schilt alsdann seine Tochter recht tüchtig, und jagt mich zum Schloß hinaus. Wie billig das erste für sie, wie glücklich das zweite für mich!
Aber es war der alte Herr nicht. Ein schlanker Mann trat, den Rücken gegen Alwin gewandt, zwischen die Damen. Ueberrasche ich Euch? sagte er. Die Prinzessin drehte sich langsam nach ihm um, und erwiederte: ja wohl, und noch überdem erschreckt Ihr mich auf eine furchtbare Weise, mein Gemahl. Ich bin ganz aus der Fassung gekommen. Solche blitzähnliche Begebenheiten mögen Euch in Euern Feldzügen nicht fremd gewesen sein. Für mich sind sie wirklich sehr angreifend Ich hing hier meinem gewohnten phantastischen Vergnügen an der Musik nach, und glaubte schon, unser durchlauchtigster Vater trete unversehens herzu. Habt doch die Güte, mein theurer Gemahl, dem Künstler dorten vier Ducaten zu reichen. Ich beurlaube mich.
Damit wandelte sie nebst ihren Damen langsam weiter, und der Gemahl wandte sich zu Alwin.
Zweites Kapitel
Die Beiden sahen sich überrascht an, und blieben so schweigend einander gegenüber stehn, denn der Gemahl war Adalbert. Dieser brach zuerst in die Worte aus: aber sage mir doch, Alwin, welche seltsame Verkleidung, und wozu?
Wahrhaftig, antwortete dieser, sie führte nichts Böses im Schilde, weder gegen Dich, noch gegen Deine musikliebende Gemahlin. Ich wußte nicht, daß Du hier wohntest, und hätte es nicht einmal geglaubt, wenn mir's irgendwer verkündigt