Diese letzten Worten genügten, um jeden Gedanken der Mitreise aus Alwin's Gemüth zu verscheuchen. Es galt Gefahren, es galt den Schutz Mathilden's, was war da noch zu überlegen, oder nur zu fragen?
Der Tag der Trennung war herangekommen. Mathilde betrieb Alles mit einer ängstlichen Hast, und bemerkte ihren Freund daher eben so wenig, als in den festlichen Zeiten, wo sich lustigere Gegenstände zwischen Beide gedrängt hatten. Nur als schon der Wagen im Hofe hielt, und Alwin bleich und still auf die schöne Gestalt blickte, schmerzlich betrübt, daß er sie nun Morgen vergebens im öden Gebäude suchen werde, – da war's, als erwachte noch einmal alle ehemalige Liebe im Herzen Mathildens. Sie flog an seinen Hals. Nein, sagte sie weinend, sei nicht so sehr betrübt, Du guter, freundlicher Mensch. Wir sehn uns gewiß bald wieder, und dann sollst Du begreifen lernen, wie wahrhaft ich Dein Gefühl theile. Raimund trat herzu, um einen ernsten, traurigen Abschied zu nehmen, und Alwin sah bald darauf die beiden liebsten Erscheinungen seines Lebens zu langer, ungewisser Trennung verschwinden.
Welch ein erstorbnes Dasein, wann uns
nichts mehr umgiebt, was dem Herzen unmittelbar angehört! In den letzten Zeiten, wo sich Mathilde immer fremder bezeigte für die Gluth ihrer sonstigen Liebe, hatte Alwin oft daran gedacht, ob es sich nicht besser leben müsse in gänzlicher Abgeschiedenheit von der Welt. Die Gedanken aus der Hütte des Einsiedlers im Harze, wo er zuerst mit Thorwald übernachtete, waren ihm wieder in den Sinn gekommen. Nun erst nach der Trennung fühlte er, wie unendlich tröstend, ja wie nothwendig fast, ihm Mathildens Anblick geworden sei, und sollte sie auch noch fremder und gleichgültiger vor ihm stehn. Freilich wußte er, daß es in einer Siedelei erträglicher sein müsse, als zwischen unbefreundeten Gestalten, die eben durch ihre herzlose Gegenwart die innre Verlassenheit noch drückender bezeichnen.
Die drei Wochen, welche er, Mathildens Wunsch zufolge, hier verleben sollte, waren noch nicht ganz vorüber, als in einer stürmischen Nacht dumpfes Geräusch an seine Ohren schlug, Blitze von Fackeln an seinem Bogenfenster vorüber fuhren. Er sprang entsetzt auf. Die Erinnerung an jenen schrecklichen Traum kam ihm in der einsamen Dunkelheit mit tiefem Grausen zurück. Ungewiß ob er wache, seit Mathilden's letztern Aeußerungen Feindliches ahnend, hüllte er sich in seinen Mantel, und umgürtete sich mit seinem guten Schwerdte, das er unter Adalberts Führung so oft gebraucht hatte. Das Getöse ward indeß noch verworrner, aber lauter, er war nun ganz ermuntert, und sah durch's Fenster viele Menschen mit Fackeln, Lanzen, Streitäxten auf dem Hofe; Rauch und Flamme drang aus einem fernen Theil des Gebäudes herüber; auf dem Kreuzganze vor seiner Thüre rauschten Tritte von Fliehenden, und erscholl ängstliches Weibergeschrei. Er eilte hinaus; Männer und Frauen liefen an ihm vorüber, und aus ihren abgebrochnen Worten vernahm er: das Landvolk der umliegenden Thäler bestürme und verheere in fanatischer Wuth ihr Kloster. Vergebens hatte er sich während dessen schon bemüht, einige junge Künstler zur Vertheidigung zu ermuntern, doch gab er die Hoffnung noch nicht auf, Alles durch kecken Widerstand in's Gleiche zu bringen, und schritt getrost nach der Gegend zu, von wo das wildeste Getümmel her scholl. Bei einer Wendung des Kreutzganges fiel ihm grelles Licht in die Augen. Es kam von den Fackeln der Bauern, die im Hintergrunde tobten und raubten. Er faßte seine Klinge fest, und ging vorwärts; da kam ihm ein Mann entgegen mit raschem Tritt, das gezückte Schwerdt in der Hand; es war Florismarte. Gottlob, rief Alwin, endlich einmal ein Bewaffneter! Ich rechnete doch nicht umsonst auf Euch. Stirn auf den Feind. Wir zwei nehmen es mit dem ganzen Gesindel auf. Ein gewaltiger Hieb war die Antwort, der nur zufällig in Alwin's weitem Mantel sitzen blieb, ein zweiter, besser gezielter, folgte, aber der junge Soldat hatte mit Fassung parirt, und drang nun ingrimmig auf den tückischen Gegner ein. Hierher! schrie dieser den Plünderern zu. Hier ist der beste Fang! Der Bursch ist ein Kriegsmann, und verderbt Euch noch Alle! Faßt ihn bei Zeiten! Eine wilde Horde brach mit Geheul heran, Alwin lehnte sich an einen Pfeiler, und vertheidigte sich besonnen, während Florismarte ihn dem tollen Haufen überließ, und den Gang hinauf eilte. Der geübte Kriegsmann fühlte bald, daß er mit schlechten Feinden zu thun habe. Die sich zuerst an ihn wagten, bluteten alsbald, und zogen sich zurück. Davon ward die ganze Menge scheu. Mit lautem Feldgeschrei fuhr er unter sie, ließ rechts und links die Klinge schwirren, und stäubte sie auseinander. Aber das Gekrach stürzender Wände, gebrochner Thüren, das vordringende Geheul rechts und links überzeugte ihn, daß hier an Widerstand nicht mehr zu denken sei. Er ging nach dem Thore zu, die feigen Plünderer wichen seiner blanken Klinge aus, und er gelangte ungestört in's Freie.
Sechszehntes Kapitel
Die Nacht hindurch war Alwin im nahen Holze geblieben, entschlossen, sich mit anbrechendem Tage nochmals dem Klosterbau zu nähern, um zu erfahren, was eigentlich verlohren sei, was zu retten, und überhaupt welch ein Unheil sie Alle ergriffen habe. Er kam wirklich mit grauendem Morgen vor den ehmals gastlichen Mauern an; Dampf und Flammen wirbelten weitgreifend drüber hin, auf einem Vorsprung des Gebäudes stand Florismarte. Wie sich der Rauch vor ihm empor zog, gewann seine Bildung etwas Gigantisches, aber unbestimmtes, davor Alwin unwillkürlich zurück schauderte.
Mach! daß Du fortkommst, rief ihm Florismarte zu. Meine Verbündeten haben Dir's geschworen.
Höllenbrand, Du! rief Alwin zurück; ich fürchte Deine Bande nicht. Hätt' ich nur Dich hier unten, Schwerdt gegen Schwerdt. Komm, wenn Du brav bist.
Sieger lassen sich auf Zweikampf nicht ein, erwiederte Florismarte lachend. Ich habe, was ich haben wollte, und lasse Dich laufen, weil Du mir unschädlich bist. Heute Nacht warst Du mir noch furchtbar, aber nun hat sich Alles entschieden, und Du kannst in Ruhe Deines Weges gehn.
Alwin drohte mit dem Schwerdte hinauf, und Florismarte fuhr fort: ich sehe gar nicht ein, warum eben Du so aufgebracht gegen mich bist, junger Mensch. Mit Deiner wunderschönen Braut war nichts anzufangen. So wenig sie sich auch zuletzt aus Dir machte, behielt sie dennoch eine gewisse alberne Weichmüthigkeit bei, und ich mußte sie ungestört ziehn lassen; Dein Geld liegt großentheils bei Kaufleuten in der nächsten Stadt, und ich habe von Dir nur eine schlechte Beute erhalten.
Beute! rief Alwin, Beute also war die Losung. O Du schändlichster von allen Räubern! Denn Du hast das Edelste zur Lockspeise entweiht. Dahin also ging Deine Poesie, Deine Ahnung des Göttlichen, Deine unendliche Sehnsucht!
Nicht eben gradezu, antwortete Florismarte, aber sie traf Euer langweiliges Dasein auf dem Wege, und that einen guten Zug daraus. Warum wart Ihr nicht kräftiger? Ich schlief beinah ein unter Euch, vorzüglich in der letzten bangherzigen Zeit. Drum hetzte ich das erbitterte Landvolk auf und während die Affen in den Speisekammern plündern, bin ich Herr des Goldes geworden, womit ich ein bessres Leben zu führen gedenke, als Eure ärmliche Phantasieen, Euch Alle in Pausch und Bogen genommen, fassen können. Geht nur, Ihr Wichte. Ich war Euch zu stark. Hättet Ihr meiner Kraft die rechte Milde entgegen zu stellen vermogt, – o Himmel, welch ein Paradies! Wie gestillt mein Sehnen! Wie seelig wir Alle! Aber so machte mir sämmtliche fromme Parthei schwächlichst Platz, und wundert sich nun, daß sie von mir verzehrt wird. Kennt Ihr des Feuers Natur noch nicht, Ihr Thoren? In tausendfachen Gestaltungen erschließt sich der göttliche Hauch. Ich bin eine derselben, eine gigantische, seegenbringende, aber was schiltst Du den Donnrer Zeus, daß Semele vor seinem Anblick zu Asche zerfiel? Geh! Du hast wenigstens noch Muth zum Klingenspiel, aber weiter taugst Du doch auch nicht sonderlich. Ihr zusammen sollt mir zu einer lustigen Geschichte dienen. Weißt Du noch, wie ich Euch die vom poetischen Kaufmannssohn erzählte? Ihr kamt Euch Alle sehr vornehm gegen ihn vor, und wart doch um keinen Gran besser, vielmehr etwas regelmäßiger und daher langweiliger, aber Ihr affectirtet trotz ihm.
Das lügst Du, stolzer Prahler, rief Alwin. Ich fühle die Flamme in meinem, in Raimunds Busen, und Deine Machtsprüche werden sie nicht ersticken.
Jeder hilft sich wie er kann, sagte Florismarte, und ging gelassen in's Gebäude zurück.
Erstes Kapitel