Alwin streifte statt aller Antwort über die Saiten seiner Cither.
Nun wahrhaftig, rief Thorwald, das ist zum Lachen! Oder nein, es ist vielmehr im höchsten Grade ernsthaft, denn Ihr seid ein so großer Poet, daß Euch das Leben zum Spiel und das Spiel zum Leben wird. Weil Ihr während einiger Stunden mit einem Sängermantel herumstolzirt, womit Ihr in jeder Thür hängen bleibt, und Glas auf Glas von den Tischen reißt, und eine Cither zur Hand habt, die sich bei jedem Luftzug verstimmt, so daß sie zu ihrem eignen Glücke von der Tanzmusik gänzlich übertönt wird – deswegen bildet Ihr Euch eine reale Standeserhöhung zum Minnesinger ein. Und dabei das mimische Talent, sogleich durch die That zu antworten, durch einen Griff auf den Saiten, das Ihr vermuthlich unserm Eremiten im Harzwalde abgelernt habt, als er pathetisch das Fenster aufmachte, um Euch die Gebirgsgestaltungen, et caetera zu weisen – wahrhaftig, Herr Poet, Ihr gewährt mir unaussprechliches Vergnügen. Dabei seid Ihr witzig genug gewesen, dem blöden Friedbert eine lächerliche Rolle in Euerm Opusculo zu ertheilen, und kommt Euch wahrscheinlich jetzt sehr erhaben gegen ihn vor –
Die letztern Worte hörte Alwin nur von fern, denn er hatte dem unartigen Secretarius höchst beleidigt den Rücken gewandt, und traf eben auf Anselmo, der ihn spottend fragte, was ihm sein edler Reisegefährte Angenehmes erzählt habe? Alwin wollte sich von ihm losmachen, aber er führte ihn zu einem Schenktisch, goß zwei goldne Pokale voll, und fuhr fort:
Siehst Du wohl, daß ich Recht hatte, Dich vor dem Murrkopf zu warnen? Und weil Du eben aus der Schule kommst, wir Beide trefflich gestimmt, Du zum Hören, ich zu Nutzanwendungen, so laß mich Dir noch ein Paar Lehren mittheilen. Die edle Gräfin wird Dich zu ihrem Hofpoeten machen wollen, denn sie ist ein gewaltig schöner Geist – ach, wie gewaltiger würde sie sein, begnügte sie sich, ein schöner Leib zu sein! – Zu Ehren ihrer himmlischen Gestalt! – Hier trank er den Pokal aus, füllte ihn von Neuem, und fuhr fort: wo war ich geblieben? Dies Alles sollte nur eine Parenthese sein, und gehörte nicht zu meiner Ermahnung über den Text: Nimm Dich vor der Hofpoetenschaft in Acht, auf daß die jungen Mägdlein nicht glauben, Du seist ein Pedant.
Ueberflüssige Warnung, rief Alwin. Ich habe die ganze Sache nur zum Spaß übernommen, nur für dies eine Mal –
Vielleicht um zwischen den illuminirten Lauben und Zweigen die schönste Frucht zu pflücken. Du erröthest? Viel Glück zum ersten Kuß!
Alwin verbarg seine Verlegenheit durch einen Zug aus dem goldnen Becher, und sagte nachher: Natürlich gab ich mich blos deswegen zu der Kinderei her.
So bist Du ein meisterlicher Schlaukopf, rief Anselmo. Nimm Dich nun auch hübsch vor dem Heirathen in Acht, flattre von Einer zur Andern, die Blumen sind blos schön für den leichtgefiederten Sommervogel.
Und Aline? fragte Alwin.
Du weißt ja, daß ich bald nach Italien reise, erwiederte Anselmo lachend. Die Pokale sind leer. Zum Tanze drum.
O Du schnellhüpfendes,
Immer entschlüpfendes,
Immer verwandeltes
Leben! Behandelt' es
Jeder wie ich,
Lacht' es für Euch, wie für mich!
Achtes Kapitel
Die beiden Freunde saßen bald darauf in der Abenddämm'rung beisammen. Man erwarte in Anselmo's Wohnung das tiefre Hereinbrechen der Nacht, um, wie es schon lange Sitte bei ihnen war, zum Serenatengesang vor Alinens und Beatrix Fenstern auszugehn. Diesmal sollte Jeder für sich allein sein Glück versuchen. Beim Wiederzusammentreffen pflegte man sich alsdann zu erzählen, wie es ergangen sei, ob man von der Geliebten einen verstohlnen Gruß durch die erleuchteten Scheiben empfangen habe, ob wohl gar ihr freundliches Gesichtchen im geöffneten Fenster erschienen sei.
Alwin war diesmal ungewöhnlich still, es fehlte ihm selbst an der Ungeduld, mit welcher er sonst aufzublicken pflegte, zum weilenden Abendstern, so daß ihn Anselmo endlich um die Ursach dieses veränderten Betragens fragte. Die Antwort schien nicht ungern zu erfolgen; ja, dem Bekümmerten eine Last vom Herzen zu nehmen, so daß er sehr ausführlich ohngefähr auf folgende Weise erwiederte:
Wir sind nicht allemal was wir sein sollen: einem bessern Bewußtsein zum Trotz erwacht diese oder jene Lust in dem ungezügelten Herzen, und streift gewaltsam über alle Gränzen hinaus, verderblich uns selbst, verderblich dem Liebsten, was wir auf der Welt kennen.
Eine Untreue! rief Anselmo lachend, eine Untreue an Fräulein Beatrix! Ich könnte mein Leben drauf verwetten.
Und hättest verloren, erwiederte Alwin sehr ernsthaft, wenigstens in Deinem Sinn ganz gewiß. Was meinst Du, wenn ich Dir mein Ehrenwort darauf verpfände, daß ich nie ein freundlich Wort erhalten habe, noch weniger eine höhere Gunst empfangen, von der, die mich Heute so innig betrübt, ja, daß ich nicht einmal etwas Aehnliches wünsche.
Du bist mir ein seltsamer Genosse, sagte Anselmo. Ich werde es nimmermehr begreifen, wie wir als zwei so vertraute Freunde zusammentreffen konnten. Aber Gott hat es nun einmal so gewollt, oder die Götter, und deshalb erzähle mir nur, damit ich mich mehr verwundre, und Dich dennoch immer lieber gewinne.
Es ist schon viele Wochen her, begann Alwin, daß ich hier in der Stadt ein äusserst liebliches Mädchen bemerkte. Das Wo thut nichts zur Sache, genug, wenn ich Dir sage, daß sie einem Hause gegenüber wohnt, in welches mich meine Verhältnisse zu verschiednen Malen an jedem Tage einführten. Ich sah', ich staunte! Andern jungen Leuten schien es weniger auffallend, wie unverkennbar sie dem schönsten Gesicht ähnlich sah, welches wir Alle nur bis jetzt im Bilde erblickten, der Königinn Elisabeth von Böhmen. Zugegeben, daß meine Schöne in vieler Hinsicht gegen das Ideal verlor – sie erinnerte mich daran, und ich wandte meine Blicke bei jedem Vorbeireiten auf das ersehnte Fenster. Unseelige Blicke! Thöriger Wahn! Sie bemerkte meine Aufmerksamkeit, meine Spielerei kam ihr vor wie Ernst, bald erwiederte sie meinen flüchtigen Gruß, ihre Seele sprach aus ihren Augen, und ich Thor, ich Verbrecher blieb täglich in meiner Rolle, durch klägliche Eitelkeit verlockt.
Was ist denn nun draus entstanden? fragte Anselmo.
Wie Du fragst! rief Alwin, Entstanden! Noch eben nichts. Aber sag selbst, was muß draus entstehn? Sehnendes Welken so lieblicher Blume. Uebers Jahr vielleicht gehn wir an ihrem Grabmal vorbei; Niemand wohl schreibt auf den Stein: Alwin ist ihr Mörder! Aber hier steht es, hier in meiner Brust. Und Was soll ich thun? Sage, was soll ich thun?
Nichts was ich rathen könnte, erwiederte Anselmo. Du weißt, wir stehn eben hier am weitesten auseinander. Aber sieh doch, sagte er, in der guten Absicht, seinen Freund zu erheitern, sieh doch den blöden Friedbert. Er weiß doch was bessres, als Rüben zu zählen, wozu Du ihn letzthin ungerechter Weise verdammt hast. Sieh! Mir gegenüber wohnt ein allerliebstes Bäckermädchen, und jetzt eben öffnet sie ihm die Thür. O nicht mehr Blöder! Wie dreist er sie umfängt!
Alwin trat erbleichend ans Fenster. Er sah', und wankte erschrocken zurück. Wie nun? fragte Anselmo, seinen Arm umfassend. Was hast Du? Oder ist es Deine Schöne, die eben in Friedeberts Armen liegt?
Frag' noch lange! rief Alwin. S'ist meine Schuld, meine, meine Schuld, daß sie sich einem so lächerlichen Burschen in Verzweiflung ergiebt. Ewiger Vorwurf!
Sei darüber unbesorgt, sagte Anselmo. Du quälst Dich mit unnöthigen Gewissensbissen. Was wir eben sahen, habe ich schon ein halbes Jahr vor Deiner Ankunft gesehn. Wird das schöne Christianchen ihrem Namen zum Trotz verdammt, so bist Du unschuldig dran; glaub's auf mein Wort. Ehe müßte Friedebert zum Höllenbrand werden, und auch der kann wohl die Schuld auf Andre schieben.
Alwin hatte sich in einen Lehnstuhl geworfen, weit vom Fenster ab, und biß in seine Lippen.
Welch ein Geschlecht! rief er endlich aus. Und doch liegt zuletzt wenig daran, und ist gar nichts dabei zu verwundern, daß es so kalt ist, und herzlos