Der Schatten des anderen. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711718551
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war alles schon vorüber.

      »Das sind eben die Schattenseiten des Erfolges«, hörte ich Hans Ullrich Garden neben mir sagen, aber sein Tonfall verriet, daß er den Ansturm in vollen Zügen genossen hatte.

      »Tja«, spottete die helle Stimme auf meiner linken Seite, »unser Hans Ullrich Garden ist fast so berühmt wie ein Fußballspieler der Nationalmannschaft!«

      Ich saß ziemlich eingequetscht zwischen den beiden Männern, zwischen Hans Ullrich Garden, dem Quizmaster, und dem anderen Mann, den er vorhin mit Lewin angesprochen hatte. Die Situation war mir mehr als unbehaglich.

      »Bitte, kann ich jetzt aussteigen?« fragte ich.

      »Kommt gar nicht in Frage«, antwortete Hans Ullrich Garden sofort. »Natürlich bringen wir Sie nach Hause — das ist doch wohl Ehrensache.«

      »Es ist gar nicht weit — ich kann ebenso gut …«

      »Wo wohnen Sie?« unterbrach mich der Mann namens Lewin. Er hatte das Gesicht eines großäugigen, klugen Vogels.

      »Burgstallergasse sieben«, antwortete ich.

      »Ihr Name?«

      »Sonja Horn. Was soll das? Weshalb fragen Sie mich aus?«

      »Kommen Sie, mein Fräulein, regen Sie sich nicht auf!« Hans Ullrich Garden legte seinen Arm um meine Schulter, und ich fand in der Enge des Wagens keine Möglichkeit, ihn abzuschütteln. »Wir interessieren uns immer für Land und Leute. Ist es nicht so, Lewin?«

      »Besonders für junge Damen, die dem sprichwörtlichen Charme unseres Quizmasters noch nicht verfallen sind!« sagte Lewin. »Sie sind Studentin?«

      »Ja.«

      »Und was wollen Sie werden?«

      Jetzt wurde es mir wirklich zu dumm. »So fragt man die Leute aus, Herr Lewin«, sagte ich böse. »Was geht Sie das an, was ich bin und was ich werden will? Das ist wohl doch wirklich meine Privatsache.«

      »Beim Fernsehen ist nichts privat.«

      »Um so schlimmer für Sie! Bringen Sie mich jetzt nach Hause oder …«

      »Ist sie nicht eine süße Kratzbürste, Lewin?« fragte Hans Ullrich Garden fast zärtlich und drückte mich fester an sich.

      Herr Lewin beugte sich statt einer Antwort vor, klopfte dem Chauffeur auf die Schulter und sagte: »Bitte fahren Sie uns zur Burgstallergasse sieben.«

      »Wo ist das?« fragte der Chauffeur, ohne sich umzusehen.

      »Gleich an der Brücke«, erklärte ich ihm. »Es ist die Gasse hinter der Uferstraße!«

      »Wollen wir die Kleine wirklich schon nach Hause bringen?« fragte Hans Ullrich Garden. »Wie wär’s, wenn wir …«

      »Bitte nehmen Sie die Hand von meinem Arm«, sagte ich, denn sein Griff war ziemlich besitzergreifend geworden.

      Er lachte nur und machte keine Anstalten, meinem Wunsch zu folgen. »Warum so spröde, Kleine?« fragte er. »Sind Sie etwa verlobt? Oder verliebt?«

      »Bis jetzt noch nicht«, antwortete ich, »und wenn’s mir mal passieren sollte, dann bestimmt nicht in einen aufgeblasenen Allerweltshelden!«

      Lewin kicherte boshaft, und Hans Ullrich Garden wurde plötzlich stocksteif. »Finden Sie nicht auch, daß Sie reichlich vorlaut sind?« fragte er eingeschnappt.

      »Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus«, sagte ich, weil mir im Augenblick nichts Besseres einfiel.

      Ich war froh, als der Wagen vor dem schmalbrüstigen alten Haus in der Burgstallergasse hielt. Der Chauffeur stieg aus, öffnete den Wagenschlag, und Hans Ullrich Garden mußte sich bequemen, mir Platz zu machen, damit ich herauskonnte.

      Ich war erleichtert, als ich wieder auf sicherem Boden stand. »Gute Nacht«, sagte ich vergnügt, »eine angenehme Heimfahrt, und vielen Dank fürs Mitnehmen.« Ich wartete nicht mehr, bis der Wagen sich in Bewegung setzte, sondern ging sofort zum Haus und schloß die Tür auf. Während ich die steile Treppe hinaufkletterte, nahm ich mir fest vor, mit niemand über diesen dummen Zwischenfall zu sprechen.

      Aber, ehrlich gestanden, ich hielt diesen Vorsatz kaum eine Stunde. Dann kam meine Freundin Renate nach Hause, und ich war froh darüber, das verwirrende Erlebnis auf sie abladen zu können.

      Renate fand es so komisch, daß auch ich endlich befreit darüber lachen konnte. Aber ein Rest von Unbehagen und Verwirrung blieb in meiner Seele zurück und nistete sich dort ein, so sehr ich mich auch bemühte, es abzuschütteln.

      Drei Wochen später — die Semesterferien waren schon in erreichbare Nähe gerückt — erhielt ich einen seltsamen Brief. Absender war ein Verkehrsbüro der nächsten Großstadt, der Umschlag enthielt eine Eintrittskarte für den 27. April.

      »Sehr geehrtes Fräulein Horn«, lautete das Schreiben, »wir möchten uns erlauben, Ihnen heute im Auftrag eine Eintrittskarte für den öffentlichen Quizabend, Lachen ist gesund’ mit Hans Ullrich Garden zuzusenden. Hochachtungsvoll« und Unterschrift. Mehr nicht. Trotzdem war mir, als ich den Brief zum erstenmal las, völlig klar, daß der geheimnisvolle Auftraggeber nur Hans Ullrich Garden sein konnte. Leider äußerte ich mich auch dementsprechend zu Renate.

      »Du spinnst wohl«, sagte sie mit herzlicher Grobheit, »also wirklich, Sonja, fast scheint mir, du bist noch eingebildeter als dieser Garden! Bildest du dir etwa im Ernst ein, du hättest einen solch unauslöschlichen Eindruck auf ihn gemacht, daß er es nicht mehr abwarten kann, dich endlich wiederzusehen?!«

      »Natürlich nicht«, sagte ich kleinlaut.

      »Na also. Oder hast du mich etwa angeschwindelt? Du hast doch erzählt, daß du ihm eine gründliche Abfuhr erteilt hättest, wie?«

      »Ja«, sagte ich.

      »Menschenskind, Sonja, jetzt nimm doch mal deine fünf Sinne zusammen — wie sollte Hans Ullrich Garden wohl darauf verfallen, dir eine Einladungskarte zu seinem Quizabend zu schicken! Das wäre doch verrückt!«

      Ich faltete den Brief zusammen und steckte ihn in meine Kollegtasche. »Und wer, glaubst du, könnte sich sonst einen solchen Spaß erlaubt haben?«

      »Na, da kämen eine ganze Menge in Frage — Pützchen zum Beispiel, oder Peter! Sie haben dich doch lange genug mit dieser Geschichte gefrotzelt — vielleicht wollen sie der Sache einen neuen Auftrieb geben.«

      »Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, daß die für so etwas Geld rauswerfen würden!«

      »Warum nicht? Ein guter Witz ist ihnen schon was wert. Außerdem ist das immer noch wahrscheinlicher, als wenn Hans Ullrich Garden …«

      »Hör schon auf damit. Vergiß es!« sagte ich. »Vielleicht war es wirklich eine dumme Idee von mir.«

      »Gut, daß du das einsiehst!« Renate legte nachdenklich ihren Finger an die Nase. »Und wenn es gar kein Witz wäre?« fragte sie. »Paß auf, Professor Gahlen hat dir doch ein Referat über ‚Technisierung der Freizeitgestaltung’ gegeben, nicht wahr? Hat er dabei nicht besonders aufs Fernsehen hingewiesen?«

      »Sogar ganz speziell.«

      »Da haben wir’s. Dann war er es, der dir eine Eintrittskarte vermittelt hat, damit du auch weißt, worüber du schreibst. Ruf ihn gleich an, und du wirst es erfahren!«

      Dieser Vorschlag war gut, aber nicht ausführbar. Professor Gahlen war vor zwei Tagen zu einem Soziologenkongreß nach London geflogen.

      Im ersten Augenblick, als ich die Einladung in Händen hielt, war ich fest entschlossen gewesen, nicht zu der Quizsendung ins Funkhaus zu fahren, aber Renate war es gelungen, mich so zu verwirren, daß ich wirklich nicht mehr wußte, was ich tun sollte.

      Wenn Peter oder Pützchen das Geld wirklich zusammengekratzt hätten, um einen Spaß zu finanzieren, dann wäre es doch direkt gemein gewesen, ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Sollte aber tatsächlich Professor