»Nur Mut, Costar, nur Mut!« rief Gordon.
»Und achte darauf, dass dein Pferd nicht die Trense zwischen die Zähne nimmt!« setzte Service hinzu.
Briant konnte sich, da von einer Gefahr gar keine Rede war, des Lachens nicht enthalten. Wenn Dole Costar losließ, so brauchte dieser nur hinabzugleiten, um jeder Furcht ledig zu sein.
Dringend schien es dagegen, das Tier zu fangen. Es lag auf der Hand, dass alle zusammen, wenn auch Briant seine Kräfte mit denen der Kleinen vereinte, nicht imstande sein würden, dasselbe aufzuhalten. Man musste also auf ein Mittel denken, dessen Weiterkriechen zu verhindern, ehe es im Wasser verschwand, wo es dann unbedingt in Sicherheit war.
Die Revolver, welche Gordon und Briant vom Schoner mitgenommen hatten, konnten hier zu nichts dienen, denn der Rückenpanzer einer Schildkröte verträgt eine Kugel ohne Schaden, und wenn man dieselbe mit Äxten angegriffen hätte, so zog jene einfach Kopf und Füße ein und vereitelte damit jeden Angriff.
»Es gibt nur ein einziges Mittel«, sagte Gordon, »und das besteht darin, sie auf den Rücken zu wenden.«
»Doch wie?« erwiderte Service. »Das Tier da wiegt wenigstens seine dreihundert Pfund, und wir werden nie imstande sein …«
»Sparren, Sparren holen!« rief Briant.
Begleitet von Moko, lief er, was ihn die Füße tragen konnten, nach dem »Sloughi« zurück.
In diesem Augenblick befand sich die Schildkröte nur noch dreißig Schritte vom Meer. Gordon beeilte sich, um Costar und Dole, die noch immer auf dem Tier saßen, herunter zu heben. Dann packten alle den Strick und zerrten mit Leibeskräften daran rückwärts, ohne den Gang des Tieres nur verzögern zu können; ja, dieses wäre wohl imstande gewesen, die ganze Pension Chairman fortzuschleppen.
Glücklicherweise kamen Briant und Moko zurück, ehe die Schildkröte das Meer erreicht hatte.
Zwei Sparren wurden ihr unter das Brustschild geschoben, und mit Hilfe dieser Hebel gelang es endlich, freilich nicht ohne große Anstrengung, sie auf den Rücken zu wenden. Hiermit war dieselbe endgültig gefangen, da sie unmöglich wieder selbst auf die Füße zu kommen vermochte.
In dem Augenblick übrigens, wo sie den Kopf einziehen wollte, traf sie Briant mit einem so wohlgezielten Axthieb, dass sie das Leben fast augenblicklich verlor.
»Nun, Costar, hast du noch immer vor der großen Schnecke Angst?« fragte er den kleinen Knaben.
»Nein, nein, Briant, die ist ja tot.«
»Schön«, rief Service, »ich wette aber, dass du nicht von ihr zu essen wagst.«
»Kann man das Tier denn essen?«
»Gewiss!«
»Dann, wenn es gut ist, ess’ ich auch davon!« erwiderte Costar, dem schon das Wasser im Munde zusammenlief.
»Oh, es ist sogar ausgezeichnet«, versicherte Moko, der gar nicht genug rühmen konnte, wie schmackhaft das Fleisch der Schildkröten sei.
Da man nicht daran denken konnte, diese schwere Masse nach der Yacht zu befördern, musste man sich zum Ausweiden derselben an Ort und Stelle entschließen. Das war zwar eine etwas widerwärtige Arbeit; die jungen Schiffbrüchigen gewöhnten sich indessen schon langsam an die mancherlei recht unangenehmen Notwendigkeiten dieses Robinsonlebens. Die schwierigste Aufgabe war es, das Brustschild zu zersprengen, dessen metallische Härte selbst die Schneide einer Axt schartig gemacht hätte. Es gelang das endlich nach Einführung eines Bankmeißels in die Verbindungsstellen der Platten. Darauf wurde das in Stücke geschnittene Fleisch nach dem »Sloughi« geschafft.
Noch am nämlichen Tag konnten sich alle überzeugen, dass die Schildkrötenbouillon wirklich vorzüglich schmeckte, ganz zu schweigen von den gerösteten Fleischschnitten, welche verzehrt wurden, obwohl Moko auf den glühenden Kohlen sie hatte etwas schwarz werden lassen. Auch Phann bezeigte auf seine Weise, dass die Reste des Tieres für eine Hundezunge nicht zu verachten waren.
Die Schildkröte hatte über sechzig Pfund Fleisch geliefert, wodurch es möglich wurde, die Vorräte der Yacht zu schonen.
Unter solchen Verhältnissen verstrich der Monat März. Während der drei Wochen seit dem Schiffbruch des »Sloughi« hatte jeder nach besten Kräften gearbeitet, schon im Hinblick auf ein längeres Verweilen an dieser Küste. Jetzt kam es, ehe der Winter seinen Einzug hielt, darauf an, die wichtige Frage, ob Festland oder Insel, mit Bestimmtheit zu lösen.
Am 1. April wurde es offenbar, dass die Witterung in nächster Zeit umschlagen würde. Das Barometer stieg langsam, und der Wind, der auf das Land zustand, schwächte sich mehr und mehr ab. Man konnte sich über diese Vorzeichen einer bevorstehenden Ruhe der Atmosphäre, und zwar einer länger andauernden, nicht täuschen. Die Umstände gestatteten damit einen Forschungszug nach dem Innern des Landes.
Die Großen sprachen an jenem Tag schon davon und begannen nach reiflicher Überlegung bereits die Vorbereitungen zu jenem Ausflug, dessen hohe Bedeutung sich keiner verhehlte.
»Ich denke«, begann Doniphan, »dass uns nichts abhält, schon morgen früh aufzubrechen …?«
»Ich hoffe, nichts«, antwortete Briant, »und dann werden wir uns zu früher Stunde aufmachen müssen.«
»Ich habe aufgeschrieben«, ließ Gordon sich vernehmen, »dass die Landgrenze der im Osten wahrgenommenen Wasserlinie sich sechs bis sieben Meilen vom Vorgebirge befinden soll.«
»Ja«, bestätigte Briant; »da sich die Bai aber tief ins Land hineinzieht, ist es möglich, dass die Entfernung von unserem Lager aus eine kürzere wäre.«
»Und dann«, nahm Gordon das Wort, »könnte euer Ausflug ja kaum über vierundzwanzig Stunden in Anspruch nehmen.«
»Gewiss, Gordon, wenn es uns möglich ist, direkt nach Osten hin vorzudringen; doch werden wir einen Weg durch die Wälder finden, wenn wir das Steilufer erst hinter uns haben?«
»Oh,