Von der Autorin bisher bei KBV erschienen:
Nacht aus Eis Das fremde Grab Zwischen Schatten und Licht Zerrissene Wahrheit
Heike Rommel, geb. 1962 in Olpe, hat Psychologie und Visuelle Kommunikation studiert und lebt heute in Bielefeld. Sie arbeitet seit über zwanzig Jahren in verschiedenen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Ihre ersten Schreiberfahrungen machte sie beim Verfassen von Fantasy-Texten, bevor sie zum Krimi-Genre wechselte, das ihr als leidenschaftlicher Krimileserin und Tochter eines Kriminalbeamten und einer Polizeiangestellten naheliegt. Kalte Liebe ist bereits der fünfte Kriminalroman um die Ermittler der Bielefelder Mordkommission. www.heike-rommel.de
Heike Rommel
Kalte Liebe
Originalausgabe
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Lektorat: Volker Maria Neumann, Köln
Print-ISBN 978-3-95441-540-3
E-Book-ISBN 978-3-95441-549-6
Für Willy
Und für meinen Vater
Inhalt
Mittwoch, 23. Oktober 2013
Vorsichtig öffnete Marianne die Tür zum Zimmer ihrer Tochter, so als fürchtete sie, dort etwas zu finden, das sie nicht entdecken wollte. Doch alles schien wie immer zu sein. Auf dem Poster über dem Sofa küsste Robert Pattison weiterhin Kristen Stewart, als wäre nichts geschehen. Ihre Tochter Charlotte hatte die Filme gefühlte hundert Mal gesehen. Twilight … oder Twilight Zone?
Ein nebeliger Morgen dämmerte herauf. Keine Spur mehr vom »goldenen Oktober«. Twilight passte, ein zwielichtiger Übergang in eine andere Welt. Von der alten Welt, in der es Gewissheiten gegeben hatte, in eine neue Welt ohne Halt. Noch hatte Marianne die Grenze nicht passiert, alles war offen – und vielleicht war es besser, noch eine Weile im Zwielicht zu verharren.
Der Teddy auf der Sofalehne trug als Mütze einen schwarzen Stringtanga mit Spitzenbesatz, auf dem Teppich unter dem Sofa lag der passende schwarze BH dazu. Charlotte, die als Kind ihre Puppen und Plüschtiere immer der Größe nach aufgereiht hatte, scherte sich seit einiger Zeit nicht mehr um Dinge wie Ordnung oder Schule.
»Aber sie hat sich doch immer gemeldet. SIE HAT SICH IMMER GEMELDET!« Marianne schlug die Hände vor den Mund, schluckte die aufkommenden Tränen hinunter und ließ sich aufs Sofa sinken. War es nicht so? Charlotte hatte angerufen, wenn es mal später geworden war, es zugelassen, dass Marianne sie abholte.
Oder hatte auch das sich geändert, so wie alles sich verändert hatte? Was wusste sie überhaupt noch über Charlotte? Wann war ihre Tochter ihr entglitten? Das sei normal, sagte ihr Lebensgefährte Eberhard. Das sei normal, sagte auch Mariannes Schwester, die zwei erwachsene Töchter hatte. Ob du es willst oder nicht, deine kleine Lotte kommt jetzt in die Pubertät. Da werden sie erst schwierig, eine Zeit lang, bevor alles wieder ins Lot kommt. Wirklich nur die Pubertät? Ihr ungutes Gefühl, die Sorgen blieben.
Auf dem Fensterbrett stand eine vertrocknete Madagaskar-Palme. Charlotte hatte ihr verboten, ihre Pflanzen zu gießen oder überhaupt ihr Zimmer zu betreten. Privatsphäre, Mama, schon mal gehört das Wort? Marianne hatte die vertrockneten Pflanzen eine nach der anderen entsorgt. Charlotte schien es nicht einmal aufzufallen. Diese war die letzte. Sie stemmte sich aus dem Sofa hoch. Wie eine alte Frau, dachte sie. Nun ja, ich bin eine alte Frau. Ihr Knie tat weh, sie humpelte zum Fenster und nahm den Topf mit der Palme vom Fensterbrett. Draußen herrschte noch immer Nebel. Graue Hochhäuser im grauen Nebel vor grauem Himmel.
Wie war es bloß so weit gekommen?
Ihr einziges Kind. Sie war schon vierundvierzig gewesen, als Charlotte geboren wurde. Ein Wunschkind, auf das sie und ihr Mann nicht mehr zu hoffen gewagt hatten. Ein Jahr später kam er bei einem schweren Autounfall ums Leben. Er war selbstständig gewesen, hatte lange eine Eckkneipe im Bielefelder Osten betrieben und erst wenige Monate vor seinem Tod viel Geld in eine Szene-Kneipe in der Altstadt investiert. Die zu wenig abwarf, wie Marianne wusste, da sie seit fünfzehn Jahren für ihn die Buchhaltung machte. Er hinterließ ihr nichts als Schulden.
Sie verkaufte das Haus in Großdornberg und zog in eine Mietwohnung in Sieker. Als Buchhalterin fand sie keine Stelle, also schulte sie zur Altenpflegerin um – und schleppte ein permanent schlechtes Gewissen mit sich herum, da sie sich wegen ihrer Schichtarbeit viel zu wenig um Charlotte kümmern konnte. Ihr blieb häufig nichts anderes übrig, als Lotte abzuschieben, zur Oma, in die Kita, zu Freundinnen.
Das Geld war knapp: Statt eines Gartens gab es nur noch einen kleinen Balkon in einem Wohnturm. An Reit- oder Ballettstunden für Charlotte hatte Marianne nicht einmal denken können. Sosehr sie es sich auch wünschte, sie konnte ihrer Tochter nichts bieten. Charlotte besuchte immerhin seit einigen Jahren das Gymnasium, aber glücklich schien sie dort nicht zu sein. Lad deine Klassenkameraden doch einfach mal ein, Charlotte. Mama, soll ich die etwa in dieses schäbige Hochhaus mit dem Gerümpel im Hof einladen? Weißt du eigentlich, wie die leben? Die halten mich doch für Asi …
Es klingelte. Das war Eberhard, genannt