Ab 40 wird's eng!. Sylvia Kling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sylvia Kling
Издательство: Bookwire
Серия: EDITION LIGHTHOUSE
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783941717503
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      Sylvia Kling

      Ab 40

      wird’s eng

      Roman

      

Edition Lighthouse

      Impressum

      Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- oder Bildteile.

      Copyright © 2019 bei EDITION Lighthouse, ein Imprint von BC-Publications GmbH, Behringstr. 10, D-82152 Planegg

      1. Auflage 2019

      Lektorat: Undine Materni

      Korrektorat: Sylvia Kling

      Satz/Layout: Martina Stolzmann

      Covergestaltung: Nele Schütz

      E-Book: Mirjam Hecht

      Druck: CPI – Clausen & Bosse, Leck

      Made in Germany

      ISBN 978-3-941717-50-3

       www.bc-publications.online

      Widmung

      Dieses Buch widme ich allen Frauen,

      die immer wieder Fragen stellen.

      Spruch

      Wenn ich mir vorstelle, was sein könnte,

      versäume ich, was ist.

      Der Beginn vom schaurigen Ende

      meiner Spätpubertät

      Es war ein Tag wie jeder andere, so glaubte ich jedenfalls. Ich stand am Morgen auf und bereitete meinem achtjährigen Sohn Julian das Frühstück zu. Mein Mann Harry rief, wie jeden Morgen, den Kleinen: »Hey! Mach hin, es geht gleich los!« und lief im Korridor hin und her, um alle seine Utensilien einzusammeln. Ich gab meinem Mann ein Küsschen und auch Julian, der mich mit seinen wachen, lustigen Augen ansah und versuchte, seinen monströsen Schulranzen auf den kleinen Rücken zu wuchten. Ich schloss die Tür und sah am Küchenfenster, wie das Auto davonfuhr. Es war alles wie immer. Heute ging es mir gut und ich beschloss, den Tag nicht mit lästigen Hausarbeiten zu vergeuden, sondern ihn einzig und allein mir zu widmen. »Ich mache meine Haare schön, creme mich ein, zupfe meine Augenbrauen, ziehe mich mal etwas besser an als sonst und fahre ins Einkaufszentrum, um endlich nach meinen Traumschuhen für das nächste Frühjahr zu schauen. Diesen Monat muss ich mir unbedingt wieder etwas gönnen«, sprach ich selbst mir zu, als ob ich mich vergewissern müsste, dass ich das Recht dazu hatte.

      Ich sprang unter die Dusche, wusch meine Haare, cremte mich ein und spann einen Faden beschwingter Gedanken. Ein neues Tuch könnte ich auch mal wieder gebrauchen. Ich wusste, dass ich mindestens 20 Tücher besaß und doch nur ungefähr acht davon trug, war aber der absoluten Überzeugung, dass ich das nächste Tuch ganz besonders lieben würde. Es war also alles wie immer.

      Im Schlafzimmer war ich bereit für diesen wundervollen Tag, an dem ich mich nach monatelanger Krankheit wie neu geboren fühlte. Die Sonne blinzelte etwas schüchtern durch die Vorhänge hindurch. Es war ein milder Winter, der mich trotzdem – wie immer – etwas schläfrig und düster stimmte. Ich warf meinen Bademantel von mir und begann, meinen Kleiderschrank nach geeigneter Garderobe zu durchstöbern: schwarz, braun, grün, schwarz, schwarz, weiß, weiß, dunkelrot, schwarz, schwarz, schwarz. Wieder wurde mir bewusst, wie eintönig meine Kleidung war. Ich entschloss mich, mich jetzt nicht weiter zu quälen und wählte ein weißes Oberteil im Babydoll-Schnitt. Die Monate während meiner Erkrankung trug ich meistens »bessere« Jogginghosen. Mehr brauchte ich in dieser Zeit nicht. Ich führte beinahe das Leben einer Einsiedlerin. Nicht, dass ich es so wollte, nein, ich wurde dazu gezwungen. Es gab Wochen, da glaubte ich, die anderen Menschen da draußen würden mein Leben mit leben. Wie sie lachten, wie sie sich bewegten, wie sie die Frechheit hatten, einfach gesund zu sein! Damit war jetzt Schluss. Der Krankheit hatte ich gezeigt, wo es langging und dass ich keine Frau war, die man einfach so mit Fieberattacken, Lungenentzündungen, Nierenbeckenentzündungen und sonstigen Immunschwächen malträtieren konnte. Das war mein Leben und ich beschloss, es mir zurückzuholen.

      Die Hose, die ich für diesen Tag tragen wollte, war keine Jeans, sondern die einzige und wundervollste schwarze Baumwollhose, die ich jemals besessen hatte. Euphorisch wählte ich in Gedanken mein Schuhwerk aus: schwarze Stiefeletten mit kleinen Absätzen. Ich war sowieso meistens größer als die anderen Frauen, trug also selten oder nie hohe Absätze. Zufrieden wollte ich nun die Anprobe starten. Ich streifte vorsichtig das weiße Oberteil über meinen Kopf, was sich als schwierig erwies, denn ich hatte vergessen, den Handtuchturban vom Kopf zu nehmen. Unbeirrt und geduldig fädelte ich meinen Kopf durch die Öffnung des Oberteiles. Irgendetwas stimmte plötzlich nicht. Das Teil umspielte nicht meinen Körper, wie es das getan hatte, als ich es kaufte, sondern klebte regelrecht an meinem Busen, dem Bauch und den Hüften. Ich hatte das Gefühl, es würde mich zerquetschen. Instinktiv wollte ich dieser Tatsache aus dem Weg gehen. »Es ist eingelaufen«, redete ich mir ein. Es war wirklich schwer, sich selbst so großartig zu belügen. Vor allem hinkte diese Lüge, da ich das Teil nie gewaschen hatte.

      Die Hose lag vor mir. Ich bewegte mich nun betont grazil, schließlich war ich schlank und geschmeidig. Also konnte ich mich auch so bewegen. Ich summte vor mich hin und zog die Hose über meine Schenkel. »Es ist alles so eigenartig heute«, dachte ich. »Na ja, ich bin frisch eingecremt, da will der Stoff auf der Haut nicht so gleiten«, beruhigte ich mich sogleich. Die Hose erfuhr nun ihre größte Herausforderung, seit sie in meinem Besitz war. So kämpfte sie sich über meine Schenkel, hielt inne und wies meinem Hintern an, sich schlängelnd zu bewegen, damit sie sich über die Hüften arbeiten konnte. Mein Hintern gehorchte ohne Widerstand und die Hose erreichte mit Mühe und Not mit ihrem Bund meine Taille, bahnte sich tapfer den Weg über den Bauch. »Los, es geht! Gib dir Mühe! So schlimm wird es nicht!« Es war nicht die Hose, die mit mir sprach. Das war auch gar nicht nötig, denn meine Finger versuchten, den Knopf in den dafür vorgesehenen Schlitz zu schieben, was ihnen nicht gelang. Meine Hände befahlen meinem Bauch, sich zurückzuziehen. Dieser gehorchte mit Murren und Knurren. Dazu machte ich auch gleich einige Atemübungen. Ich hielt die Luft an. ›Von wegen, ich habe Asthma! Das ist Unsinn. Wie gut das geht und wie flach sich jetzt mein Bauch anfühlt, wunderbar. Oh, das ist toll!‹ Der Knopf fand in den Schlitz. Es vergingen wenige Sekunden, die mir endlos erschienen.

      Mir wurde schwindlig, alles drehte sich um mich herum, meine Bronchien signalisierten, dass sie dringend nach dieser gehaltvollen Luft aus der hübschen blauen Spraydose verlangen. Diesem Verlangen gab ich widerstandslos nach, denn die Dose lag auf meinem Nachtschrank. Schnell atmete ich wieder ruhig und fühlte mich alarmiert. Das Alarmsignal kam jedoch nicht aus meinem Brustkorb, sondern tief aus meiner Frauen- (Mädchen-?) Seele.

      Langsam bewegte sich mein Kopf in Richtung Spiegel. Da war es, das Gefühl, der Boden unter meinen Füßen würde sich bewegen. In meinem Kopf drehte es sich, alles um mich verschwand im Nirgendwo oder wirkte zerbrochen. Fühlte sich so vielleicht ein Erdbeben an? Im Spiegel begegnete mir etwas, was so ähnlich aussah wie eine Presswurst. Mein Busen quoll aus dem hübsch und zierlich aus feiner Spitze genähten Brustteil regelrecht hervor. Die Naht unter dem Brustteil verschwand im Rückenbereich in einer Fettwulst. Meine schon immer gebärfreudigen, doch bisher wunderbar weiblichen Hüften gebärdeten sich, inklusive des fleischig anmutenden Bauches, als Kampffeld und … und … Hiiiiiiiiiilfe! Ich drehte mich hin und her, doch der Spiegel blieb gnadenlos. Die Erkenntnis ereilte mich mit einer Wucht, die mich umhaute: Ich bin fett!

      Erschöpft sank ich auf das Bett nieder, beugte meinen Oberkörper nach vorn und legte mein Gesicht in die Hände. Jetzt nur nichts mehr sehen! Dunkelheit, ich brauchte Dunkelheit, ganz eindeutig. »Warum habe ich dieses Elend nicht schon früher bemerkt? Warum sehe ich es erst heute? Ich