SPACE 2021. Eugen Reichl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eugen Reichl
Издательство: Bookwire
Серия: SPACE Raumfahrtjahrbücher
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783944819495
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Steuerungs- und Antriebsmodul versehen und bilden danach eine kleine eigene Raumstation. Ähnlich verhält es sich mit den noch verwendbaren Modulen des russischen Segments, das ebenfalls eine eigene kleinere nationale Raumstation von der Größe der ehemaligen Raumstation Mir bilden wird. Internationale Module, die noch verwendbar sind, können zum lunaren Gateway verbracht werden und dort noch den Rest ihrer Lebenszeit nützlich sein.

      Alles zusammen sollten um das Jahr 2030 oder bald danach insgesamt mindestens fünf Raumstationen existieren. Eine private US/Internationale Station, eine russische und eine chinesische Station, sowie eine kleine indische Raumstation. Nummer fünf ist das lunare Gateway und möglicherweise bahnt sich dann auch schon die permanent besetzte Mondstation an. Das Ende der Internationalen Raumstation wird somit der Anfang von etwas Neuem, Vielfältigerem und Größerem werden.

      Bis zum Mars und weiter – Chinas Weg ins Sonnensystem

      Zwischen dem 19. und 30. Juli machten sich drei Raumfahrzeuge auf den Weg zum Roten Planeten. Zuerst startete die Sonde „Al Amal“ (arabisch für: Hoffnung) an Bord einer japanischen Trägerrakete des Typs H2A-202. Zum Schluss machte sich der Plutonium-betriebene Rover Perseverance mit dem kleinen Ingeniuity-Mars Helikopter der NASA auf die Reise. Zwischen diesen beiden, am 23. Juli, trat auch Chinas komplexe Orbiter/Lander-Kombination mit dem Namen Tianwen-1 an Bord einer Trägerrakete des Typs Langer Marsch 5 die lange Reise zum Mars an.

      Alle drei werden im Februar 2021 den Mars erreichen. Al Almal wird in eine Umlaufbahn einschwenken, genauso wie Tianwen-1. Perseverance wird einen Direktanflug unternehmen, ohne erst in eine Umlaufbahn einzuschwenken. Für eine reine Rover-Mission wäre das unnötig. Der Name “Tianwen” bedeutet: “Fragen an den Himmel”. Er entstammt einem historischen Gedicht aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert. Dort stellt der Dichter Qu Yuan Fragen zur Astronomie, die aber unbeantwortet bleiben. Diese Antworten sollen nun mit Tianwen-1 und ihren nachfolgenden Sonden gefunden werden. Schon die bewusste Nummerierung deutet klar darauf hin, dass China die Absicht hat, in Zukunft weitere Raumfahrzeuge zum Mars zu entsenden.

      Tianwen-1 wurde von der China Aerospace Science and Technology Corporation (kurz: CAST) entwickelt und gebaut. Es ist nicht der erste Versuch Chinas, den Roten Planeten zu erreichen. Aber es ist der erste Versuch, es selbständig zu schaffen und es ist das erste Mal, dass ein Land gleich bei seinem ersten selbständigen Versuch ein derartig hoch ambitioniertes Vehikel mit Orbiter, Lander und Rover auf die Reise schickt. Am 8. November 2011 machte sich schon einmal eine chinesische Marssonde auf den Weg, die kleine, nur 115 Kilogramm schwere Yinghuo-1. Er war als Zusatznutzlast an der russischen Phobos-Grunt Raumsonde befestigt und sollte sich nach Erreichen des Marsorbits von dieser trennen. Tatsächlich schaffte es die Zenit-Trägerrakete aber nur bis in die Erdumlaufbahn. Der Einschuss in die Mars-Transferbahn misslang. Phobos-Grunt und Yinghuo-1 traten am 15. Januar 2012 wieder in die Erdatmosphäre ein und verglühten über dem Ostpazifik und Chinas erste Marsmission nahm ein ebenso unrühmliches wie unverschuldetes Ende.

      Gemischte Resultate am Mars

      Landungen auf dem Mars sind auch im Jahre 2020 eine der schwierigsten astronautischen Übungen. Es gibt eigentlich nur ein Land, das diese Meisterklasse wirklich beherrscht: Die USA. Die Sowjetunion hat seinerzeit eine ganze Reihe von Versuchen unternommen, das zu bewerkstelligen. Doch nur eine einzige ihrer Landesonden – Mars 3 – gab nach der Ankunft auf der Oberfläche des Roten Planeten auch ein Lebenszeichen von sich. Für genau 20 Sekunden, dann war sie tot. Zu wenig, um mit den damaligen Mitteln auch nur ein einziges Bild zu übertragen.

      Auch die Europäer haben es schon zweimal probiert. Beide Versuche endeten als Fehlschlag. Andere Nationen haben sich an dieses komplexe Unterfangen bislang gar nicht erst herangewagt. In den frühen Tagen der Raumfahrt tastete man sich langsam und schrittweise an den Mars heran. Es begann in den sechziger Jahren mit Vorbeiflügen in größeren Abständen. Der erste erfolgte mit Mariner 4, die den Mars am 15. Juli 1965 in einem Abstand von knapp 10.000 Kilometern passierte. Als erste Orbitsonde trat Mariner 9 am 14. November 1971 in eine Marsumlaufbahn ein. Die erste erfolgreiche Landung mit einem stationären Lander schaffte Viking 1 am 20. Juli 1976, und der erste erfolgreiche Rover, der nur knapp zwölf Kilogramm schweren Sojurner, wurde mit dem Mars Pathfinder zum Roten Planeten gebracht. Die NASA unternahm bislang insgesamt neun Versuche, auf dem Mars zu landen und war dabei nicht weniger als acht Mal erfolgreich.

      Warum ist es denn eigentlich so schwierig auf dem Mars zu landen? Schuld daran ist seine dünne Atmosphäre. Gar keine Atmosphäre wäre von einem Ingenieur-Standpunkt aus wesentlich einfacher, denn man müsste nur einen einzelnen Landemodus bedienen: Den Abstieg unter Raketenkraft. So aber müssen drei verschiedene Modi präzise aufeinander folgen.

      Zunächst hat man es mit einem atmosphärischen Eintritt in die Planetenatmosphäre zu tun, bei dem mittels eines Hitzeschildes zunächst ein großer Teil der Eintrittsgeschwindigkeit von mehreren Kilometern pro Sekunde abgebaut werden muss. In der zweiten Phase einer Marslandung muss ein mehrstufiges Fallschirmsystem benutzt werden, um von hoher Überschallgeschwindigkeit auf etwa 100 Meter pro Sekunde abzubremsen. Unterhalb dieser Geschwindigkeit ist ein Fallschirm unwirksam, denn die Luft ist auf dem Mars viel zu dünn. Daher muss in der dritten Phase die Restfahrt mittels Raketentriebwerken eliminiert werden. In manchen Fällen, bei kleineren Landern, muss danach noch ein Airbag den Landestoß absorbieren. Bei großen Nutzlasten in der Curiosity- und Perseverance-Klasse – diese Fahrzeuge wiegen auch auf der Erde schon über eine Tonne – braucht es das überaus diffizile Skycrane-Verfahren, um sie intakt abzuliefern. Nicht zuletzt wegen der nahezu unfassbaren Komplexität des Vorgangs und seinen vielen Unwägbarkeiten bezeichnen die NASA-Ingenieure diese Landungen gerne als die „Sieben Minuten des Terrors“, ein Begriff, den nun auch die chinesischen Ingenieure übernommen haben. An all das wagen sich die chinesischen Raumfahrtingenieure gleich bei ihrer ersten eigenständigen Mission zum Roten Planeten. Ein Zeichen für großes Raumfahrt-Knowhow und vor allem auch für ein handfestes Selbstbewusstsein. Um der Komplexität des Verfahrens noch eins obendrauf zu setzen versucht sich China nicht nur mit einer Orbiter/Lander-Kombination, sondern führt auch noch einen komplexen Rover mit sich.

      Das Raumfahrzeug

      Tianwen-1 ist ein massives Fahrzeug, das dem Anspruch eines Landes gerecht wird, zur absoluten Spitze der Weltraumnationen zu gehören. Um dieses Raumfahrzeug überhaupt starten zu können, brauchte es eine der leistungsfähigsten Trägerraketen der Welt: Die Langer Marsch 5. Sie ist in derselben Leistungsklasse angesiedelt wie die Delta 4 Heavy, die nur noch von der Falcon Heavy von SpaceX übertroffen wird. Tianwen-1 besteht aus drei Komponenten: Dem Orbiter, dem Lander und einem Rover. Die beiden letzteren werden vom Hitzeschild umschlossen, einem kurvilinearen Kegel, der einer fliegenden Untertasse ähnelt. Die Bodenplatte dieses Kegels hat einen Durchmesser von 3,4 Metern. Diese Platte besteht aus einem ablativen Hitzeschild, der aus ähnlichem Material gefertigt wurde, wie der Hitzeschild der bemannten Shenzou-Raumkapseln. Der Orbiter alleine weist ein Startgewicht von 3.175 Kilogramm auf. Er wird den Roten Planeten mit sechs Instrumenten aus der Umlaufbahn aus beobachten. Seine Aufgabe ist es auch, sich selbst und die Lander/Rover-Kombination in eine Umlaufbahn einzubremsen und den Ort für die Landung genau zu definieren. Seine eigene Ausrüstung mit Instrumenten besteht aus einer hoch auflösenden Kamera mit einem maximalen Auflösungsvermögen von fünfzig Zentimetern pro Bildpunkt, einer Kamera mit mittlerem Auflösungsvermögen von 100 Metern für Kontextaufnahmen, einem Magnetometer, einem Spektrometer zur Bestimmung von Mineralien und Erzen, einem Bodenradar mit einer Eindringtiefe von mehreren hundert Metern und einem Teilchendetektor für Ionen und neutrale Partikel