SPACE 2021. Eugen Reichl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eugen Reichl
Издательство: Bookwire
Серия: SPACE Raumfahrtjahrbücher
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783944819495
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Meter lang und 1,65 Meter breit. Er wiegt 240 Kilogramm und ist damit insgesamt etwa 25 Prozent größer als die US-Rover Spirit und Opportunity der frühen 2000er-Jahre. Er soll die Utopia Planitia-Region erforschen und ist dafür mit insgesamt sechs Instrumenten ausgerüstet, nämlich einem Radar, mit dem der Boden bis in eine Tiefe von 100 Metern untersucht werden kann, einer Multispektralkamera, Navigations- und Terrainkameras für den Fahrbetrieb, einem Detektor für chemische Verbindungen, einem Magnetfelddetektor und meteorologischen Messinstrumenten. Dieser Rover wird mit einem Landefahrzeug zur Oberfläche gebracht, das über Hitzeschild, Fallschirm und Retroraketen verfügt. Das gesamte Raumfahrzeug mit seinen drei Komponenten und dem beim Eintritt in die Atmosphäre alles umschließenden Hitzeschild ist beim Start mehr als fünf Tonnen schwer.

      Tianwen-1 – Der Missionsablauf

      Zum Zeitpunkt, an dem diese Zeilen entstehen, ist die Mission bereits sicher auf dem Transfer zum Mars. Der Start klappte einwandfrei, was gerade bei der Langer Marsch 5 keine gesicherte Sache war. Es war erst der fünfte Start einer Langer Marsch 5, und eine der vier vorausgegangenen Missionen war ein Fehlschlag gewesen. Traditionell treten Startversager vorwiegend bei den frühen Missionen neuer Trägerraketen auf, deswegen dürfte der Blutdruck der chinesischen Ingenieure bei diesem Start nicht gerade niedrig gewesen sein. Nun folgt die Transferphase, in der sich das Raumfahrzeug noch befinden wird, wenn die meisten der SPACE-Leser diese Ausgabe in den Händen halten. Im Februar trifft Tianwen-1 am Mars ein und führt ein Brennmanöver durch, nach dessen hoffentlich erfolgreichem Abschluss es sich auf einem sehr langgezogenen sogenannten „Capture Orbit“ befindet. Dessen Umlaufdauer wird etwa zehn Tage betragen, bei einer Inklination zum Äquator von 11,8 Grad. Aus dieser vorläufigen Umlaufbahn wird sich das Raumfahrzeug nach und nach mit Hilfe mehrerer weiterer Brennmanöver auf seinen Arbeitsorbit begeben, der ein Periaris von 265 Kilometern und ein Apoaris von 12.000 Kilometern aufweisen soll und dabei über die Marspole führt. Frühestens im April, wahrscheinlich aber im Mai, wird sich das Lander/Rover-Modul vom Orbiter trennen und seinen Abstieg durch die Mars-Atmosphäre zur Oberfläche antreten. Zunächst bremst der Lander so stark ab, dass er die obersten Schichten der Mars-Atmosphäre erreichen kann. Sobald er dort angekommen ist, beginnt die aerodynamische Abbremsung mittels des Hitzeschildes. Die Eintrittsgeschwindigkeit in die Marsatmosphäre beträgt dabei 17.300 Kilometer pro Stunde. Innerhalb von 290 Sekunden wird diese Geschwindigkeit auf 1.650 Kilometern pro Stunde reduziert.

      Zu diesem Zeitpunkt wird das Fallschirmsystem aktiviert, das die Geschwindigkeit innerhalb von 90 Sekunden auf etwa 350 Kilometer pro Stunde reduziert. In dieser Flugphase trennt sich der Lander auch vom unteren Teil des Hitzeschildes. Danach trennt sich der Lander vom Fallschirm und der oberen Kappe des Schildes und dann beginnt die propulsive Schlussphase der Landung. 80 Sekunden dauert es, bis die Geschwindigkeit vollständig abgebaut ist. Etwa 100 Meter über der Oberfläche steht der Lander zunächst still. In diesem Zeitraum scannt er den Boden unter sich ab, bis er eine ebene und weitgehend steinfreie Fläche gefunden hat. Dieser Prozess kann bis zu 100 Sekunden dauern, so lange reicht der Treibstoff. Danach erfolgt der endgültige Abstieg zur Oberfläche mit einer Geschwindigkeit von 3,6 Metern pro Sekunde. Das Landegebiet liegt in der Utopia Planitia Region, unter dessen Oberfläche ein gigantisches Wasserreservoir in Form von Eis vermutet wird. Die darin gebundene Wassermenge ist so groß wie die des Lake Superior in den USA, einer der größten Süßwasserseen der Erde. Bald nach dem Aufsetzen klappt der Lander zwei Rampen aus, über die der Rover auf die Oberfläche des Mars rollen kann. Der Tianwen-Orbiter stellt das Funkrelay mit der Erde für den Rover dar. Die nominale Missionsdauer ist mit 90 Tagen ausgelegt, doch hoffen die chinesischen Wissenschaftler auf einen wesentlich längeren Einsatz. Vielleicht erinnern sie sich noch: Die beiden US-Marsrover Spirit und Opportunity, die im Januar 2003 auf dem Mars landeten blieben bis zum 25. Mai 2011 und 10. Juni 2018 im Einsatz und auch sie waren jeweils nur für 90 Tage auf dem Mars ausgelegt.

      Chinas weitere Pläne am Mond…

      Die Mission zum Mars wird keine Einzelaktion im Weltraum jenseits der Erdumlaufbahn bleiben. Über Chinas Mondambitionen haben wir in SPACE schon öfters berichtet. An der nächsten Mission zum Erdtrabanten können sich die SPACE-Leser bereits in etwa um das Erscheinungsdatum von SPACE 2021 freuen, wenn Chang’e 5 am 24. oder 25. November auf die Reise gehen wird.

      Chang’e 5 ist eine Probenrückführ-Mission. Die erste seit Luna 24 im August 1976. Bei diesem Flug werden die Ereignisse, anders als bei der langfristig ausgelegten Reise von Tianwen-1, Schlag auf Schlag erfolgen. Nach dem Start mit der Langer Marsch 5 wird die insgesamt 8,2 Tonnen schwere Sonde zunächst auf eine Transferbahn zum Mond gebracht. Nach drei Reisetagen soll das Vehikel dann im Rahmen mehrerer Bahnanpassungsmanöver in eine Mondumlaufbahn in 200 Kilometern Höhe einschwenken. Dort koppelt der Lander ab, und geht zwei weitere Tage später im Gebiet des Mons Rümker im Mare Procellarum nieder. Danach folgen die Probenentnahmen. Nach längstens zehn Tagen fliegt die Aufstiegsstufe mit den Proben zurück in die Umlaufbahn und legt wieder am Orbiter an. Dann findet der automatische Transfer der Proben in die Landekapsel im Inneren des Orbiters statt und die Aufstiegsstufe koppelt wieder ab. Der Orbiter mit der Rückkehrsonde zündet sein Triebwerk und fliegt wieder in Richtung Erde. Sobald alle Kurskorrekturen abgeschlossen sind, gibt der Orbiter die Landesonde frei, die dann nach etwa drei Tagen gesamter Transferzeit vom Mond mit etwa zwei Kilogramm Bodenproben in der Wüste Gobi landen soll.

      Eine weitere Probenrückführmission dieser Art ist für 2023 mit Chang’e 6 geplant. Ein noch höherer Komplexitätsgrad wird mit Chang’e 7 erreicht, die 2024 starten soll. Die Mission besteht aus drei Elementen: Einem Orbiter in einem Halo-Orbit um den Mond, der den Quequia-Relaysatelliten ersetzen soll, einem Mondorbiter, der in einer sehr niedrigen Umlaufbahn nach Bodenschätzen und Mineralien Ausschau halten soll, und einem Lander, der am Südpol nahe des Terminators aufsetzen soll. Mit an Bord werden dann ein wesentlich leistungsfähigerer Rover als die beiden Yutu’s von Chang’e 3 und 4 sein, sowie ein raketenbetriebenes Erkundungsfluggerät, mit dem sich schnell größere Distanzen auf dem Mond zurücklegen lassen. Mit ihm sollen vor allen Dingen ständig im Schatten liegende Stellen in der Nähe des Landeplatzes für Analysezwecke untersucht werden.

      Chang’e 8, mit einem Start 2025 oder 2026, wird als Vorbereitungsmission für bemannte chinesische Mondlandungen gesehen. Hauptzweck dieser robotischen Mission soll die versuchsweise Produktion von Bauelementen aus Mond-Regolith mittels eines 3D-Druckers sein. Im August 2020 hat China eine etwas detailliertere Planung für ihr bemanntes Mondvorhaben veröffentlicht. Demzufolge soll die chinesische Mondstation international betrieben werden. Das spiegelt sich auch in der Bezeichnung des Projektes wider, das jetzt „International Lunar Research Station“ heißt. Diese Basis soll am lunaren Südpol errichtet werden. Erste bemannte chinesische Mondlandungen mit Kurzzeitaufenthalten sollen ab dem Jahr 2030 erfolgen. Mit ihnen wird das Gelände der zukünftigen Station im Detail erkundet und Technologien erprobt. Zwischen 2030 und 2035 soll – weitgehend von Robotern – eine permanente Basis aufgebaut werden. Diese Basis wird in den Aufbaujahren schon für Kurzzeitaufenthalte besucht. Ab dem Jahr 2036 könnte sie als permanente und internationale Basis in Betrieb genommen werden. Russland hat bereits öffentlich Interesse an einer Teilnahme an dieser angemeldet. Auch die ESA zeigt sich verhalten interessiert, obwohl die europäische Raumfahrbehörde bereits beim Esprit-Modul des ARTEMIS-Gateway mitmacht und für die Orion-Raumschiffe der NASA das Service-Modul liefert.

      …und im Sonnensystem

      China will aber auch im Sonnensystem auf Erkundung gehen. Zunächst können wir davon ausgehen, dass es eine Tianwen 2-Mission geben wird, bei dem die Ersatzeinheiten von Tianwen-1