SPACE 2021. Eugen Reichl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eugen Reichl
Издательство: Bookwire
Серия: SPACE Raumfahrtjahrbücher
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783944819495
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      Den erreicht die Sonde im Oktober 2029. Ein naher Vorbeiflug an Ganymed nimmt schon geringfügig Fahrt weg, bevor dann siebeneinhalb Stunden später das entscheidende Brennmanöver für das „Einbremsen“ in die Jupiter-Umlaufbahn erfolgt. Das ist der alles entscheidende Moment für das Antriebssystem aus Lampoldshausen. Danach hat JUICE zunächst eine enorm langgestreckte elliptische Trajektorie erreicht. Die Bahnanalytiker nennen so etwas einen „capture orbit“, eine Geschwindigkeit, die gerade eben ausreicht, um in eine Umlaufbahn einzutreten. Diese Bahnellipse ist zunächst so weit, dass die Sonde erst im Mai 2030 dem Jupiter wieder sehr nahe kommt. Nun wird die Bahn um den größten Planeten des Sonnensystems nach und nach immer enger. Im Oktober 2030 wird ein erster Vorbeiflug an Europa erfolgen, im April 2031 an Callisto und Ende Januar 2032 noch einmal an Europa und sogar an Io. Im September 2032 erfolgt das „Einbremsen“ in einen elliptischen Orbit um Ganymed. Dieser Orbit wird im Februar 2033 zirkularisiert. Das nominale Einsatzende ist momentan mit Februar 2034 kalkuliert. Reicht der Treibstoff, dann kann das noch verlängert werden. Dann wäre eine erweiterte Mission mit einer weiteren Absenkung der Umlaufbahn auf 200 Kilometer möglich. Die Orbitalkontrolle übernimmt dabei immer noch das Antriebssystem aus Lampoldshausen. Seine finale Aufgabe wird es sein, ganz zum Ende der Mission hin, JUICE gezielt auf Ganymed zum Absturz zu bringen.

      Zur Autorin

      Alexandra Lein – Master of Science, ArianeGroup Lampoldshausen – Projektleiterin für das Antriebssystem JUICE. Kam mit Umwegen über die öffentliche Wirtschaft, Automobilindustrie und Medizintechnik zur Raumfahrt. Seit nunmehr 12 Jahren ist sie bei der ArianeGroup GmbH in Lampoldshausen.

      Tom Cruise und das Ende der ISS

      Zuvor hatte sie es vehement abgelehnt und die einzelnen Vorstöße der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos in diese Richtung stets etwas angesäuert kommentiert. Im Mai 2019 änderte die NASA aber überraschend ihre Haltung: Von nun an will auch sie Weltraumtouristen zulassen. Für 35.000 Dollar pro Tag kann jeder, der ein kommerzielles Vorhaben beabsichtigt, die Internationale Raumstation (ISS) besuchen. Das sind allerdings nur die Übernachtungsgebühren. Dazu kommen noch die Kosten für den Transport in einem Crew Dragon-Raumschiff von SpaceX oder einem Starliner von Boeing. Die berechnen 50-70 Millionen Dollar pro Person. Obendrauf gibt es ein ganzes Sammelsurium nicht gerade niedriger Nebenkosten. Insgesamt ist so ein Flug zum Außenposten der Menschheit alles andere als ein Schnäppchen. Aber grundsätzlich: Es geht.

      Eine wichtige Voraussetzung für den Weg in diese Richtung brachte das Jahr 2020 mit dem Einsatz des ersten bemannten kommerziellen Zubringersystems zur ISS. Die US-Astronauten Bob Behnken und Doug Hurley erreichten im Mai die Raumstation erstmals in der Geschichte der Raumfahrt an Bord eines weitgehend privatwirtschaftlich entwickelten und gebauten Vehikels. Die Privatwirtschaft, in dem Fall also SpaceX, wird das System auch selbst betreiben. Die NASA wird zukünftig nur noch die Sitze buchen.

      Privatwirtschaftlich und kommerziell ausgerichtet soll in Zukunft auch die ISS werden – zumindest teilweise. Weltraumtourismus gilt dabei als eindeutig kommerzieller Zweck. Es ist also nun kein Problem mehr, dass SpaceX im Mai 2020 verkündete, dass für den Herbst 2021 drei nicht genannte „Passagiere“ einen Trip zur Raumstation gebucht haben – Passagiere, die keine Berufsastronauten sind.

      Im selben Monat gab die NASA bekannt, dass sie mit Tom Cruise in Kontakt stehe, um einen Film an Bord der Internationalen Raumstation zu drehen. Keine Reportage und keine Dokumentation – nein, einen Action-Film. Es wäre nicht außergewöhnlich wenn dessen Titel „Top Gun 3“ oder „Mission Impossible – The sky is no limit“ oder so ähnlich lauten würde. Die NASA verkündete, dass sie „exited“ sei, mit dem berühmten Filmstar zusammen zu arbeiten. Wörtlich hieß es, „We need popular media to inspire a new generation of engineers and scientists to make NASA’s ambitious plans a reality”. Also: Wir brauchen die Mainstream-Medien um eine neue Generation von Ingenieuren und Wissenschaftlern zu inspirieren, die ambitionierten Pläne der NASA Wirklichkeit werden zu lassen.

      Die Betriebskosten müssen runter

      Tom Cruise wird, so scheint es momentan, mit dem Filmregisseur und Kameramann Doug Liman und einer noch unbekannten dritten Person zur Raumstation fliegen. Das Transportmedium wird eine Crew Dragon von SpaceX sein. Der Start wird auf einer Falcon 9 erfolgen. Die Flugdauer wird wahrscheinlich 30 Tage nicht überschreiten. Das ist das Maximum, das die NASA gegenwärtig für kommerzielle Besucher erlaubt.

      Die Internationale Raumstation befindet sich heute überwiegend unter NASA-Management. An dieser Stelle werden die Russen ein wenig mosern, denn auch in Moskau gibt es ein Kontrollzentrum, aber angesichts der generellen Kostenverteilung ist es so. Die vielen Versuche, die Betriebskosten der ISS zu senken haben in der Vergangenheit nur wenige Früchte getragen. Nach wie vor zahlt die NASA etwa vier Milliarden Dollar jährlich für ihren Betrieb. Ein Betrag, der für die zukünftigen ehrgeizigen Pläne der US-Weltraumbehörde für den Mond und den Mars fehlt. Diese Kosten müssen also runter und dafür muss die ISS für eine möglichst breite Palette von Anwendern attraktiv werden. In dieser Richtung ist einiges in Bewegung gekommen. Schauen wir uns dazu den Zeitraum von Mitte September 2020 bis etwa Ende des Jahres 2021 an. Schon diese Zeitspanne wird, verglichen mit der Vergangenheit, einen geradezu tumultuösen Betrieb auf der ISS mit sich bringen. Gleichzeitig ist es eine Zeit, in der wir mit dem Start des Tianhe-Zentralmoduls der chinesischen Raumstation die Eröffnung eines zweiten, parallelen Außenpostens im Orbit erleben werden. Zwei Raumstationen, die gleichzeitig in Betrieb sind. So etwas hat es bislang noch nicht gegeben. Sehen wir uns dazu die Details an, soweit sie zum Zeitpunkt des Entstehens dieses Artikels bekannt sind.

      Die ISS bis Ende 2021

      Anfang September 2020, zum Zeitpunkt an dem diese Zeilen entstehen, befindet sich lediglich die dreiköpfige Crew von Sojus MS-16 mit Chris Cassidy, Anatoli Iwanischin und Iwan Wagner an Bord der ISS. Zuvor hatten Bob Behnken und Doug Hurley die Crew Dragon DM-2 Mission erfolgreich abgeschlossen und waren am 2. August im Golf von Mexiko gelandet. Die Rückkehr von Sojus MS-16 ist, nach 195 Tagen im Orbit, für den 22. Oktober 2020 geplant. Ein schwieriger Zeitpunkt, denn nur wenige Tage zuvor werden kurz hintereinander zwei neue Mannschaften an Bord der ISS erwartet. Eine sehr knappe Zeit für die Übergabe der Raumstation.

      Derzeit sieht es so aus, dass die dreiköpfige Crew von Sojus MS-17, bestehend aus den beiden russischen Kosmonauten Sergei Ryschikow und Sergei Kud-Swertschkow, sowie der NASA-Astronautin Kathleen Rubins am 14. Oktober zur ISS starten sollen. Die haben dann etwa sieben Tage Zeit, die Raumstation von Cassidy, Iwanischin und Wagner zu übernehmen. Recht viel länger kann die Sojus MS-16 Crew tatsächlich nicht an Bord bleiben, denn die technische Gewährleistung ihres Raumschiffs läuft nach 200 Tagen im All ab, und die haben sie zu diesem Zeitpunkt bis auf fünf Tage ausgeschöpft. Bei bemannten Raumflügen wird nur im äußersten Notfall am Mindesthaltbarkeitsdatum gedreht. Sojus MS-16 ist noch kaum zwei Tage zurück auf der Erde, da soll auch schon der SpaceX Crew-1 Flug auf die Reise gehen. Mit den Astronauten Michael Hopkins, Victor Glover, Soichi Noguchi und Shannon Walker. Klappt das, dann ist Ende Oktober 2020 zum ersten Mal in der 21jährigen Geschichte der ISS die Sollstärke von sieben Langzeitbesatzungsmitgliedern erreicht. Zusammen bilden sie nun die Expedition 64.

      Irgendwann während des ersten Drittels ihres Aufenthaltes, derzeit sieht es nach Dezember aus, sollte Boeing den zweiten unbemannten Testflug seines Starliners durchführen,