Spuk im Hochhaus. Eva Rechlin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eva Rechlin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711754344
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sich bei ihnen einnisten und sie unbarmherzig aus den eigenen vier Wänden vergraulen könnte. Nein, da liefen sie sich lieber die Schuhsohlen ab.

      Von nun an wurde der Familienschreck Bruno-Kuno mehrmals täglich in bestimmte Stadtviertel bestellt. Natürlich nur telefonisch. Binnen vierzehn Tagen besichtigte er einunddreißig Wohnungen. Normale Leute hätten davon mindestens neunundzwanzig mit Kußhand genommen. Das Ekel Bruno-Kuno jedoch brachte die unsichtbar bleibende Verwandtschaft zur Verzweiflung. Und hätte ihn nicht jener rätselhafte Anruf erreicht, wären sämtliche Happenduckdickdanzers womöglich noch wahnsinnig oder bösartig geworden.

      Erschöpft und mißgelaunt von der einunddreißigsten Wohnungsbesichtigung, kehrte der Professor ins ›Hotel Tango‹ zurück. Der Portier am Empfang stürzte ihm aufgeregt entgegen: »Es ist für Sie angerufen worden!« Angewidert fragte der Professor: »Na und? Ruft man mich nicht andauernd an? Wer von der Sippe ist es diesmal?« »Keiner von denen. Hier sind Name und Telefonnummer. Man bietet eine Wohnung. Sie können jederzeit hinkommen. Spiriton, Herr und Frau Spiriton, die Telefonnummer ist …«

      »Dreizehn dreizehn dreizehn«, sagte der Professor langsam und nahm den Notizzettel mit auf sein Zimmer. Noch in Mantel und Hut eilte er dort an sein Telefon. Er fühlte sich seltsam erregt. Als hätte man am anderen Ende nur auf seinen Anruf gewartet, wurde dort sofort abgehoben: »Hier spricht Frau Spiriton. Sind Sie es, Magister Danzdückhappendicker?«

      »Professor Happenduckdickdanzer! Woher, um alles in der Welt, wissen Sie meinen Namen und Aufenthalt?« Sie überging seine Frage, indem sie gleich zur Sache kam: »Sie suchen also eine ruhige, einsame Wohnung, möglichst nahe bei der Hochschulbibliothek? Nun, ich denke, wir können Ihnen diese Wohnung sehr bald überlassen. Kommen Sie doch am besten gleich her. Zum neuen Hochhaus am Flußkai, sechsundzwanzigstes Stockwerk. Ringsum nichts als freie Sicht. Moment, mein Mann wird Ihnen erklären, wie Sie herfinden …« Keine zwanzig Minuten später stand der Professor vor dem Hochhaus, dem einzigen an den Uferstraßen des Stromes. In der frühen Novemberdämmerung fand der Professor nur mühsam über einer Wechselsprechanlage den Namen »Spiriton«. Er drückte auf den Knopf daneben, ein rotes Licht erglomm, und aus der Sprechanlage fragte eine etwas verzerrte Stimme: »Sind Sie es, Mister Duckdanzdickerhappen?« »Happenduckdickdanzer!« brüllte er zurück. Aus der Anlage quäkte es: »Bitte fahren Sie mit Lift eins bis vier zum dreizehnten Stockwerk, steigen Sie dort um in Lift fünf bis acht und nochmal dreizehn Etagen bis zum Penthouse. Wir warten.«

      Oben im Dach-Appartement empfing ihn ein schlichtes Ehepaar, älter als er selber. Sie sahen aus wie vom Lande. Jedenfalls paßten sie nicht hierher. Die alte Dame griff lächelnd nach seiner Hand und sagte: »Kommen Sie. Wir zeigen Ihnen alles.«

      Er folgte eigenartig willenlos. Spiritons führten ihn durch sämtliche Räume der einladenden Wohnung. Vier Zimmer, Küche, Bad, WC, Diele und eine Dachterrasse. Merkwürdig, wie leer die Wohnung war. Was nicht bereits abtransportiert worden war, stand verpackt in Kisten, Körben und Säcken bereit. Nur in der Küche blieben die eingebauten Möbel stehen, samt Eckbank und Eßtisch. Im Wohnzimmer stand aufgeschlagen eine Doppelbettcouch. Umso auffälliger stachen dem Professor die zahlreichen Spiegel in die Augen, die an den sonst nackten Wänden hingen – in jedem Raum, auch am verschwiegenen Örtchen. Es waren schöne Kristallspiegel mit breiten, geschnitzten Holzrahmen. Sollten sie etwa hier hängenbleiben? Als errieten die Spiritons seine Gedanken, erklärte die alte Dame: »Die Spiegel lassen wir zuallerletzt abholen. Sie müssen von einem Fachmann verpackt werden.«

      »Wann?« fragte der Professor und begriff zugleich, daß ihn hier irgend etwas überrumpelt hatte. Er benahm sich ohne nachzudenken, als wollte er die Wohnung nehmen. Und wie er es wollte! Es war genau die Wohnung seiner Träume. Wie konnte man sie verlassen wollen? Er wagte es, Fragen zu stellen. Doch Spiritons gaben nicht viel von sich preis, höchstens, daß sie früher auf dem Lande gelebt hätten, in einem alten Gutshaus oder Schloß. Das Stadtleben hatten sie sich lustiger vorgestellt. Nein, Leute wie sie könnten sich in der Stadt nicht wohlfühlen, sagten sie. Sie wollten zurück auf’s Land. Morgen schon. Übermorgen sei die Wohnung frei für den neuen Mieter, falls er den Mietpreis nicht scheue. Professor Bruno-Kuno scheute den gepfefferten Mietpreis nicht. Er leistete sogar unverzüglich eine Vorauszahlung. Herr Spiriton überreichte ihm die Wohnungsschlüssel, und beide geleiteten den neuen Mieter zum Lift. »Die Spiegel weg!« mahnte der Professor zum Abschied, »ich sehe nicht gerne Menschen. Auch mich nicht.«

      Minuten später stand er unten am Flußkai, über den sich Nebel wälzte. Plötzlich eilte es ihn, zurück ins ›Hotel Tango‹ zu laufen und tausend wichtige Maßnahmen zu treffen. Möbel mußten bestellt werden, Gardinen, Bettzeug, Geschirr, ein riesiger Schreibtisch vor allem, Bücherregale, Lampen – wie sollte er das möglichst schnell schaffen? Die Hilfe der Verwandtschaft kam nicht länger infrage. Zum Teufel mit der Sippe! Sie hatten die richtige Wohnung für ihn ja nicht gefunden, sondern … Er blieb ruckartig stehen und sagte laut: »Ich aber auch nicht!« Gedankenvoll erreichte er sein Hotel. Der Portier begrüßte ihn: »Es sind wieder Anrufe für Sie gekommen«. Ärgerlich winkte der Professor ab und schnaubte: »Sämtliche Anrufer ab sofort abschmettern. Und lassen Sie bis übermorgen die Rechnung für mich erstellen. Was gibt es da zu strahlen?«

      »Ich freue mich nur, daß Sie endlich die richtige Wohnung gefunden haben. Da hat das Fräulein Verwandte die Wette gewonnen. Um zehn Mark haben wir gewettet. Gönne ich ihr …«

      Der alte Bruno-Kuno erblaßte, blickte sich lauernd um und zischte: »Eine Verwandte? Habe ich nicht strengstens verboten …«

      »Sie ist ja gleich wieder auf und davon. Nur fragen wollte sie, hat sie gesagt, ob der Herr Großonkel wirklich noch heute zum Hochhaus am Flußkai gegangen wäre, weil nämlich ihr Vetter Valentin …«

      »Mein Vetter Valentin?« raunzte der Professor.

      »Nein. Der Vetter Valentin vom kleinen Fräulein Carola …«

      Der Professor fuhr den Portier an: »Von wem kannte sie die Hochhausadresse? Und was ist mit diesem Valentin? Das muß der junge Schmierfink sein, der Papier und Leinwände bemalt und Bilder einrahmt und Spiegel …« Er stockte. Er schluckte. Wortlos wandte er sich ab, wortlos nahm er seinen Zimmerschlüssel. Durch seinen Kopf kreiste ein fürchterlicher Verdacht: Sie haben ihre Finger in diesem Spiel! Was steckt dahinter? Was?

      Einsame Seufzer

      Professor Happenduckdickdanzer ließ seine neue Penthouse-Wohnung per Eilauftrag von den dienstbaren Fachleuten eines großen Möbelhauses einrichten. Er war nicht wählerisch, lediglich der Schreibtisch sollte das Prunkstück der Bibliothek werden, deren sämtliche Wände von unten bis oben hinter Bücherregalen verschwanden. Die Bücher hatten den Professor stets in Kisten auf seinen Reisen begleitet und die ersten drei Wochen war er vor allem damit beschäftigt, die Bücher in die Regale einzuordnen. Der Bibliothekraum sollte Bruno-Kunos Arbeitszimmer werden. Hier wollte er selber viele bedeutende Bücher an dem riesigen, schönen Schreibtisch schreiben.

      Nebenan hatte er sich ein Wohnzimmer einrichten lassen, außerdem ein Schlafzimmer, obwohl es auch in seinem Arbeitszimmer ein breites, gut gepolstertes Liegesofa für Mittagsnickerchen gab. Was er mit dem vierten Zimmer anfangen sollte, wußte er noch nicht. Wenn er hinein blickte, sah er die ovalen und rechteckigen hellen großen Flecken, die Spiritons zahlreiche Spiegel hinterlassen hatten. Diese Spiegel gingen ihm nicht aus dem Kopf. Als er noch in den Hotels gehockt und ekelhafterweise mit allerlei angeblichen und echten Verwandten telefoniert hatte, war einige Male auch von einem jungen Künstler namens Valentin Happenduckdickdanzer die Rede gewesen. Da dessen selbstgepinselte Gemälde ihm kaum etwas einbrachten, hieß es, schlage er sich mit allerlei Nebenjobs durch, schnitze beispielsweise auch kunstvolle Bilder- und Spiegelrahmen für Leute, die großherzig oder reich genug waren, für Handgearbeitetes noch leidlich zu zahlen …

      Jedesmal, wenn dem Professor solche Gedanken durch den Kopf gingen, ahnte er, daß sie samt und sonders genau wußten, wo er sein neues und endgültiges Zuhause gefunden hatte. Und er fürchtete, daß sie das Hochhaus umschlichen. Er wußte nicht wie sie aussahen. Sie aber würden es schnell heraus haben, sobald er das Haus verließ.

      Doch als die Wochen vergingen, als Weihnachten und