»O, lassen Sie sich nicht stören, Mr. Markham,« sagte sie, »wir sind selbst herausgekommen, um die Einsamkeit zu suchen, nicht um in die Ihrige zu dringen.«
»Ich bin kein Einsiedler, Mrs. Graham,« sagte ich — »obgleich ich gestehen muß, daß es aussieht, als ob ich, einer wäre, da ich mich auf diese unhöfliche Weise von meinen Gästen entferne.«
»Ich fürchtete, daß Sie unwohl seien,« sagte sie mit wahrhaft besorgten Blicken:
»Ich war es ein wenig, jetzt ist es aber vorüber; ich bitte, setzen Sie sich, ruhen Sie aus, und sagen Sie mir, wie Ihnen diese Laube gefällt,« sagte ich, erhob Arthur an den Schultern und setzte ihn auf die Mitte der Bank, um mich seiner Mama zu versichern, die gestand, daß es wirklich ein lockender Zufluchtsort sei und sich in eine Ecke warf, während ich von der andern Besitz nahm. —
Aber das Wort Zufluchtsort, berührte mich unangenehm. Hatte die Unfreundlichkeit der Gesellschaft sie wirklich herausgetrieben, um in der Einsamkeit Frieden zu suchen?
»Warum hat man Sie allein gelassen?« fragte ich
»Ich bin es vielmehr, die die Gesellschaft verlassen hat,« war die lächelnde Antwort. »Ich war von dem Geschwätz drinnen todmüde — es gibt nichts Ermüdenderes, als dies — ich kann nicht begreifen, wie man es so aus halten kann.«
Ich konnte mich des Lachens über die ernsthafte Tiefe ihrer Verwunderung nicht enthalten
»Halten sie es denn für eine Pflicht, fortwährend zu sprechen?« fuhr sie fort, »und deshalb nie inne zu halten, um nachzudenken, sondern ihre Reden mit nichtssagenden Kleinigkeiten und eiteln Wiederholungen auszufüllen, wenn sich ihnen keine Gegenstände von wahrem Interesse bieten? oder finden sie wirklich Vergnügen an einer solchen Unterhaltung?«
»Höchst wahrscheinlich thun sie das,« sagte ich, »ihr seichter Geist ist nicht im Stande, große Ideen zu fassen, und ihre kleinen Köpfe werden von Kleinigkeiten mit fortgerissen, die ein besser mit Gedanken versehenes Gehirn nicht berühren würden — und die einzige Abwechselung von solchen Reden, welche sie sich erlauben, besteht darin, sich köpflings in den Pfuhl der Medisance zu stürzen, was ihr Hauptvergnügen ist.«
»Doch sicherlich nicht bei Allen?« rief die Dame über die Bitterkeit Meiner Bemerkung erstaunt.
»Nein, gewiß nicht, ich spreche meine Schwester von so entwürdigten Neigungen frei, und meine Mutter ebenfalls, wenn Sie diese in Ihren Tadel mit einschließen.
»Ich habe Niemand zu tadeln beabsichtigt, und keinesfalls achtungswidrige Anspielungen auf Ihre Mutter machen wollen. Ich habe einige sehr verständige Personen gekannt, große Adepten in dieser Art von Unterhaltung waren, wenn sie durch die Umstände dazu gedrängt wurden; es ist aber eine Gabe, mit deren Besitz ich nicht prahlen kann. Ich habe heute meine Aufmerksamkeit bewahrt, so lange ich konnte, als aber meine Kraft erschöpft war, stahl ich mich hinweg, um auf einige Minuten Ruhe in diesem einsamen Gange zu suchen; ich hasse das Sprechen, wenn kein Austausch von Ideen oder Empfindungen dabei stattfindet und nichts Gutes zu geben oder zu empfangen ist.«
»Nun,« sagte ich, »wenn ich Sie je mit meiner Geschwätzigkeit belästige, so bitte ich Sie, mir dies sogleich mitzutheilen, und ich verspreche Ihnen, mich nicht davon beleidigt fühlen zu wollen, denn ich besitze die Fähigkeit, mich der Gesellschaft Derjenigen, welche ich meine Freunde nenne — sowohl im Schweigen wie im Gespräche zu erfreuen.«
»Ich glaube Ihnen nicht ganz; wenn dem aber so wäre, so würden Sie gerade zur Gesellschaft für mich passen.«
»Bin ich denn in anderer Beziehung Alles, was Sie wünschen?«
»Nein, das meine ich nicht. Wie schön diese kleinen Laubenmassen aussehen, wenn die Sonne durch sie scheint,« sagte sie, um das Gespräch auf einen andern Gegenstand zu bringen.
Und sie sahen wirklich schön aus, wo in Zwischenräumen die schiefen Strahlen der Sonne durch die dichten Bäume und Gebüsche auf der gegenüberliegenden Seite des Weges vor uns drangen und in ihr dunkles Grün durch den glänzenden Goldschein, welchen sie erzeugten, eine köstliche Abwechselung waren.
»Ich möchte fast wünschen, daß ich keine Malerin wäre,« bemerkte meine Gesellschafterin.
»Warum? man sollte denken, daß Sie zu einer solchen Zeit gerade am meisten über das Privilegium triumphieren würden, die verschiedenen Tinten und köstlichen Malereien der Natur nachzuahmen?«
»Nein, denn statt mich dem vollen Genusse derselben hinzugeben, wie Andere. zerbreche ich mir immer den Kopf mit Nachdenken, wie sich derselbe Effekt darstellen lasse und da dies nie geschehen kann, so ist es weiter nichts, als Eitelkeit und Aerger.«
»Vielleicht können Sie es nicht so thun, um sich selbst Genüge zu leisten, wenn es Ihnen auch gelingt, Andre mit dem Resultate Ihrer Bestrebungen zu entzücken.«
»Nun, ich sollte mich eigentlich allerdings nicht beklagen; es giebt wenige Menschen, die ihr Brot mit so viel Freude an ihrer Arbeit erwerben, wie ich, — da kommt Jemand.«
Sie schien über diese Unterbrechung ärgerlich zu sein.
»Es ist nur Mr Lawrence und Miß Wilson,« sagte ich, »die kommen um einen ungestörten Spaziergang zu machen; sie werden uns nicht stören.«
Ich konnte den Ausdruck ihres Gesichts nicht vollkommen entziffern, war aber überzeugt, daß keine Eifersucht darin liege. Welches Recht hatte ich, mich darnach umzusehen?
»Was für eine Person ist Miß Wilson?« fragte sie.
»Sie ist eleganter und gebildeten als die meisten Personen ihrer Geburt und ihres Standes, und Manche sagen, daß sie fein und angenehm im Umgange sei.«
»Ich hielt sie für etwas kalt und heute für etwas hochmüthig.«
»Das konnte sie gegen Sie recht wohl seine ich glaube, daß sie ein Vorurtheil gefaßt hat, und denke, daß sie Sie als eine Rivalin betrachtet.«
»Mich? Unmöglich, Mr. Markham,« sagte sie, offenbar erstaunt und ärgerlich.
»Nun, ich weiß nichts davon,« antwortete ich etwas versteckt, da ich glaubte, daß ihr Aerger hauptsächlich gegen mich gerichtet sei.
Das Pärchen hatte sich uns jetzt bis aus wenige Schritte genähert; unsre Laube stand in einem Winkel, vor dem die Allee sich an ihrem Ende nach dem helleren Gang an der unteren Seite des Gartens hin abwendete. Als sie sich diesem näherten, bemerkte ich an dem Gesichtsausdrucke Jane Wilsons, daß sie die Aufmerksamkeit ihres Begleiters auf uns lenke, und erkannte sowohl aus ihrem kalten, sarkastischen Lächeln, wie aus den wenigen, vereinzelten Worten ihres Gespräches, welche mein Ohr erreichten, daß sie ihm die Idee beibringe, daß zwischen