Im Königreich Mjelvik. Karl Friedrich Kurz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Friedrich Kurz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711518397
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und verbotene Wege. Er legt sich auf die Lauer und fängt Trygve ab.

      Und, lieber Bruder Trygve ...! Ja, und da steckt also die Flasche hinten im Rockschoß.

      Lieber Bruder Trygve, welche Sünde! Aber dir ist Heil widerfahren. Der Herr hat dir deinen starken Hirten auf den Weg gestellt.

      Schon hat der Emissär seine entschlossene Hand auf die Flasche gelegt. „Und du weißt doch, Bruder Trygve, daß es verboten ist. Gott helfe dir — es ist sogar doppelt verboten! Einesteils von der Religion, andernteils vom Gesetz ... Wie willst du das verantworten?“

      Großer Meister! ... und dein Mithelfer Trygve hat diese Flasche ja auch nur als Medizin geholt, mit ärztlichem Rezept und auf gerechtem Wege. Großer Meister, zürne nicht.

      „Ha!“ sagt der Emissär scharf und ohne Wankelmut. Wie könnte er denn solches vergeben. „Niemals! Hast du, Bruder Trygve, vielleicht schlaflose Nächte?“

      Nein, Gott sei Dank! Der Mithelfer hat einen gesunden Schlaf.

      „Hast du, Bruder Tryge, vielleicht Schleim im Hals?“

      „Schleim? Nicht die geringste Spur.“

      Ja, der Mithelfer kann zufrieden sein, daß ihm sein großer Meister auf den Weg gestellt worden, im rechten Augenblick, als Retter.

      „Und du bist nicht krank, Bruder Trygve. Her mit der Flasche! Und jetzt schreite ruhig weiter und laß mich allein, daß ich für dich ringe und diesen bösen Feind auf der Stelle vernichte.“

      Bedrückten Herzens wandelt ein junger Mann das Sträßlein hinunter, das er hoffnungsfroh emporgestiegen.

      Der Emissär aber öffnet seine braune Tasche und legt eine glatte Schwester zur andern.

      Der Sprung nach der Mütze

      Die Leute von Mjelvik behaupten, noch nie sei ein Sommer so schnell zu Ende und vorbei gewesen wie dieser.

      Nicht daß er arm an Sonne und Wärme gewesen wäre, dieser Sommer. Er war sogar so heiß, daß die Dame Oline mehrmals am Strande ihre schönen Kleider von sich ablegte und nackt ins Fjordwasser stieg, um zu baden. Zum Entsetzen aller Weiber ließ diese Dame ihren weißen Leib vom kalten Weltmeer von allen Seiten umspülen und versündigte sich.

      „Das wird ein böses Ende nehmen“, sagten die Weiber, wenn sie Wasser am Bach holten und noch ein Weilchen beieinander stehenblieben.

      „So ein Frauenzimmer!“

      Malene Braaten sagte: „Ja, aber so viel ist gewiß, daß ich noch nie weiter als bis zum Knie im Wasser gewesen bin.“

      O, dieses Frauenzimmer! Es ist voll von Lastern und Begierden.

      „Es hat auch goldene Zähne im Maul.“

      „Gottvater — goldene Zähne!“ rief Sigrid mit den Stecknadelaugen. „Nein, das lügst du.“

      „So? Lüge ich vielleicht? Als ob ich es nicht selber gesehen hätte. Sie sprach doch einmal mit mir. Ich mußte ihr doch den Schuh binden, weil sie sich nicht bücken wollte.“

      „Sie wollte sich nicht bücken? Hihihi!“ lachten die Weiber. „Hat man denn schon so etwas gehört?“

      Da war aber eine unter ihnen, die hatte ein paar Jahre lang in der Stadt Bergen bei feiner Herrschaft gedient. Helene Hansdatter — die wußte es besser.

      „Wo denkst du hin, Malene? Sie konnte sich doch gar nicht bücken.“

      „Was sagst du? Sie konnte nicht? ... Damals war sie noch so dünn wie ein Stecken. Gott bewahre mich, nichts als Haut und Knochen mit ein wenig Haaren ...“

      „Hihihi!“ lachten die Weiber.

      Aber Helene Hansdatter ließ sich nicht von ihrer Meinung abbringen. Oh, das war nun eine gute Gelegenheit, mit besserem Wissen zu glänzen. Helene durfte sie sich nicht entgehen lassen: „Die vornehmen Damen tragen etwas auf dem bloßen Leib, das sie mit einer starken Seidenschnur zusammenschnüren. Davon werden sie so fein und schlank. Man nennt es Klossett.“

      „Klossett — oh!“ rufen die Weiber erstaunt, stellen die gefüllten Wassereimer wieder hin und treten näher zusammen.

      Helene Hansdatter wird nun wirklich zu einem kleinen Mittelpunkt. Sie spart nicht mit ihrer Wissenschaft und gibt von dem geheimen Instrument weiblicher Anmutskunst ein anschauliches Bild.

      „Und wenn sie dick werden“, erklärt Helene, „müssen zwei Mann her, es zu schnüren ...“

      „Gottvater!“ rufen die Weiber.

      „Aber wozu brauchen sie denn die Goldzähne?“ fragt Malene Braaten. Nein, das weiß Helene wohl selber nicht recht. „Wenn ihre Zähne hohl werden, füllen sie sie mit Gold“, sagt sie und nickt.

      „Das muß aber ungeheuer viel Geld kosten!“

      „Geld spielt doch bei diesen Menschen überhaupt keine Rolle mehr. Meine Dame trug einen Ring am Finger, der hatte glatt seine fünfhundert Kronen Wert.“

      „Gottvater!“

      Aber Malene Braaten hält sich noch immer bei den Zähnen auf: „Nein“, sagt sie, „da ist es doch viel billiger, sie alle welken zu lassen. Und dann läßt man sich die Wurzeln ausreißen. Und dann bekommt man ein künstliches Gebiß mit schönen weißen Zähnen ...“

      Und da lachen die Weiber schon wieder, obschon das doch gar keine lustige Sache sein kann.

      Vielleicht lachen die Weiber nur deshalb, weil Malene Braaten wegen ihres Geizes und ihrer Knickrigkeit in Mjelvik berühmt ist. Ach, diese arme Malene führt in ihrer Art auch ein hartes Leben, und der Geizteufel hat sie mächtig in seinen Krallen. Wenn sie zum Beispiel Eier verkauft, behält sie ein jedes Ei immer noch ein Weilchen in der Hand, ehe sie es in den Korb legt. Sie kann sich nicht auf einmal so ganz von ihnen trennen.

      Schon seit Wochen sitzt Malene Braaten gläubigen Sinnes in den Versammlungen und wartet darauf, daß der Emissär ihr den Arm um die Schulter legen möchte, um den Kampf mit ihrem Geizteufel auszufechten. Bis dahin hat der Emissär die große Not und Bereitwilligkeit dieser Seele noch nicht bemerkt, trotz lautem Seufzen und Klappern mit den Augendeckeln.

      Wie hat aber Malene mit sich selber gerungen, bis sie den Entschluß fassen konnte, die braunen Wurzeln ausreißen zu lassen ... Mit schönen weißen Zähnen möchte es vielleicht besser gehen. O, Malene hat schwer gerungen. Sie hat zwar noch nicht völlig den Sieg errungen und erst den Gedanken mit der Möglichkeit in sich einziehen lassen.

      Das alles wissen die Weiber. Und darum lachen sie. Die Weiber wissen auch, daß Malene niemals ein Gebiß haben wird. Ach, sie wissen vieles, und sie sind manchmal so fürchterlich und grausam, die Weiber. Sie prophezeien nun einstimmig der schönen Dame Oline den Tod und ein schweres Ende und ungeheure Strafe für ihre vielen Sünden und Laster. Dann gehen sie endlich mit ihren Wassereimern nach Hause.

      Der Neid aller Frauen von Mjelvik scheint der Dame Oline vorläufig nicht das geringste zu schaden. Ganz im Gegenteil: mehr und mehr blühte sie auf, und ihre weiblichen Formen entwickelten sich von Tag zu Tag prächtiger. Und wenn es darauf ankommt, müssen sicherlich schon zwei Mann her, ihr das Klossett zu schnüren.

      Aber die schlimmen Weiber machen auch hierüber seltsame Andeutungen und kichern hämisch und platzen fast vor Zweideutigkeiten. Ach, du weiter Himmel — wer könnte es eifersüchtigen Frauen je recht machen?

      Oline hat ihrerseits alle Ursache, wenn sie diese plumpen Geschöpfe nur mit hochmütigen Blicken aus schmalen Ritzen hervor streift und ihre Nähe meidet. Es kann ja vielleicht vorkommen, daß Oline im Vorbeischreiten einem Manne ein wenig unter den langen Wimpern hervor zulächelt oder vielleicht ein kleines, unschuldiges Wörtlein sagt und mit ihrem prächtigen Kopfe nickt. Ja, das alles kann vorkommen. Und die Weiber sollten doch Oline Jensen in Gottes Namen nicken und ein wenig lächeln lassen. Kann man denn überhaupt sündigen in Mjelvik?

      Und Oline Jensen ist doch selber auch nur