Mutter Angelica. Raymond Arroyo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Raymond Arroyo
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783947931774
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solle „irgendeine Art von Opfer bringen und versprechen, nach ihrer Heilung die Verehrung der hl. Theresia zu verbreiten“. Das war alles. Frau Wise hatte Rita weder berührt noch über sie ein Gebet gesprochen. Sie schenkte ihr lediglich ein Gebetskärtchen für die Novene und begleitete dann ihre Gäste hinaus.

      Rita ging nach Hause und tat alles, was Frau Wise ihr aufgetragen hatte. Jeden Tag beteten ihre Mutter und Großmutter mit ihr die neuntägige Novene. Ritas Krämpfe hörten nicht auf, auch nicht die Schmerzen.

      Bis zu den frühen Morgenstunden des 17. Januar 1943, als der neunte Tag der Novene vorüber war, geschah nichts. In der Dunkelheit jener morgendlichen Stunden spürte Rita die „stechendsten Schmerzen“, die sie je empfunden hatte. „Es war, als zöge etwas meinen Magen aus dem Leib heraus“, sagte sie. Um dem Schmerz zu begegnen, den sie erfahrungsgemäß ja schon erwartete, wollte sie vor dem Aufstehen das Korsett anlegen. Doch dann hörte sie eine Stimme, die ihr befahl, ohne das Korsett aufzustehen und zu gehen.

      „Ich wusste nun, dass ich dieses Stützband nicht mehr brauchte, und ich wusste auch, dass ich geheilt war“, sagte Mutter Angelica, auch wenn ihr Magen noch immer wehtat. „Ich hatte zwar tatsächlich immer noch Schmerzen, aber sie waren anders.“

      Zaghaft schlenderte sie in die Küche, in der Großmutter Gianfrancesco gerade beim Kochen war. „Oma, ich möchte gerne ein Schweinekotelett“, sagte sie.

      Die abgespannte Frau drehte sich schnell um. „Testadura! [„Dickkopf!“] Du kannst doch keine Schweinekoteletts essen!“

      „Doch, Oma, das kann ich.“ Rita schob das Oberteil ihres Schlafanzuges hoch und zeigte ihren Bauch. Die blaue Färbung war verschwunden, ebenso die Schwellung. „Ich bin geheilt!“

      Die alte Dame wandte sich wieder ihrer Bratpfanne zu und fing an, ein Schweinekotelett zu braten. Als Mae in die Küche kam und die Neuigkeit erfuhr, wurde sie hysterisch. Zwischen Begeisterungsstürmen und ängstlichen Befürchtungen hin- und hergerissen, regte sich Mae derart auf, dass Großmutter Gianfrancesco ihr erst einmal eine Ohrfeige geben musste, um sie in ihren Gefühlsausbrüchen zu beruhigen. Mae schleuderte die Küchentür auf und brüllte über die Weinstöcke zum Haus ihres Bruders Nick hinüber: „Rita ist geheilt. Rita ist geheilt. Es ist ein Wunder!“

      Rita strahlte, als sie auf dem freien Platz neben dem Haus stand, umringt von den Gianfrancescos. Um die Echtheit des Wunders zu überprüfen, ermunterte sie ihre zehnjährige Cousine Joanne, mehrmals auf ihren Bauch zu schlagen. Das machte das Kind auch. Heute ist Joanne noch immer überzeugt: „Der Bauch war völlig geheilt.“

      Am 6. Februar 1943 wurde eine Röntgenaufnahme von Ritas Magen gemacht, vermutlich um die Heilung zu bestätigen. In einem Brief an Monsignore Habig vom 19. März 1943 beschrieb der Arzt Dr. Wiley Scott das Mädchen als „eine neurotische Frau mit einer Mentalität, die jederzeit offen ist für Suggestionen“. Wie Mutter Angelica selbst zugab, litt sie zu dieser Zeit zwar an einer bestimmten Form der Neurose, doch ihr cholerisches Temperament und ihr starker Wille schienen indes kaum anfällig für solche äußeren Einflüsse zu sein.

      Dr. Scott argumentierte, dass seine Änderungen an Ritas Korsett im Mai 1942 eine „mentale Suggestion“ hervorgerufen hätte, weshalb sie meinte, ihr Zustand hätte sich verbessert. Das war nicht gerade überzeugend, denn sonst hätte sich Rita wohl weder darüber beklagt, dass ihre Schmerzen acht Monate später noch schlimmer wurden, noch hätte sie die Dienste von Rhoda Wise in Anspruch genommen, um durch ein Wunder geheilt zu werden. Es wäre auch schwer vorstellbar, dass eine bloße „mentale Suggestion“ die Kraft hätte, eine verfärbte Unterleibsgeschwulst zu beseitigen.

      Gegen Ende seines Briefes verwarf Dr. Scott die Möglichkeit einer Heilung, wobei er eindeutig feststellte, dass „keine anatomische Veränderung im Röntgenbefund vom 6. Februar 1943“ vorhanden sei. Doch eine solche Diagnose ist zu bezweifeln. Denn Dr. Scott widersprach sich selbst zuvor im gleichen Brief, als er nämlich schrieb: „Ich hatte mir die Röntgenbilder angesehen, die von ihr zuerst im Mercy Hospital gemacht wurden. Die Aufnahmen vom 6. Februar 1943 habe ich nicht gesehen.“ (Hervorhebung als Kursivschrift durch den Autor). Wenn er also diese nach der vermuteten Heilung aufgenommenen Bilder nicht gesehen hatte, wie konnte der Arzt dann Ritas gegenwärtigen Zustand glaubwürdig einschätzen oder ein ehrliches, auf einer Vergleichsstudie beruhendes, medizinisches Gutachten erstellen? Entweder war das nun ein eklatanter Druckfehler, oder aber es deutet alles darauf hin, dass Dr. Scott die Röntgenaufnahmen nach der Genesung niemals zu Gesicht bekam und somit ein Urteil abgab, das sich weitgehend auf Ritas emotionalen Zustand und frühere Besuche stützte. Doch da Ritas medizinische Akten vernichtet wurden, gibt es keine Möglichkeit mehr, ein unabhängiges Urteil einzuholen.

      „Ich weiß nur, dass ich wieder so viel an Gewicht zunahm, wie ich vorher verloren hatte. Der ärztliche Befund interessierte mich überhaupt nicht. Er war mir egal“, sagte Mutter Angelica. Für Rita war die Heilung eine umwerfende Erfahrung, ein Meilenstein, der ihrem Leben eine ganz neue Richtung gab.

       Die Liebesbeziehung

      „Als der Herr zu mir kam und mich auf die Fürsprache der Kleinen Blume heilte, hatte ich eine ganze andere Einstellung. Ich wusste, dass es einen Gott gibt. Ich wusste, dass Gott mich kennt und liebt und an mir interessiert ist. Das wusste ich vorher nicht. Nach meiner Heilung wollte ich mich aber nur noch Jesus hingeben und nichts anderes mehr.“

      Da sich Rita nicht sicher war, wie sie das tun sollte, wandte sie sich an den heiligsten Menschen, den sie kannte, Rhoda Wise, die für sie zu einem Vorbild an Heiligkeit wurde und sie wesentlich in ihrer Spiritualität beeinflussen sollte. Jeden Sonntag schlossen sich die Rizzos den Menschenmengen an, die das Haus von Rhoda Wise bevölkerten. Dort saß Rita zu Füßen von Rhoda Wise und lernte tatsächlich, wie man heilig wird. Sie erinnerte sich daran, wie sie neben der Mystikerin auf einem „kleinen Schemel saß und ihre Füße hochhielt, weil manche Leute auf die Stigmata drücken wollten“.

      Von Frau Wise lernte sie auch, geduldig mit übereifrigen Menschen umzugehen, die manchmal das Objekt der Gnade Gottes mit Gott selbst verwechselten.

      Ihr Versprechen, die Verehrung der Kleinen Blume und des Heiligsten Herzens Jesu zu verbreiten, hat Rita eingelöst. Sie verschickte persönliche Briefe, Gebetskärtchen und Herz-Jesu-Medaillen an jeden, der an Frau Wise geschrieben hatte. Einer dieser Briefe vom September 1943 enthüllt die Tiefe der Bekehrung Ritas: „… bevor ich geheilt wurde, war ich eine laue Katholikin. … jetzt liebe ich [unseren Herrn] so sehr, dass es Zeiten gibt, in denen ich meine, sterben zu wollen. Wenn ich an all das denke, was Er für mich getan hat, und daran, wie wenig ich für Ihn tat, dann könnte ich nur noch weinen.“

      In ihrem privaten Leben übernahm Rita jetzt eine Reihe von Frömmigkeitsübungen, die in der Rückschau wie eine Generalprobe für das Ordensleben anmuten. Als Dank und zur Erinnerung an ihre Heilung beschränkte sie sich samstags auf Zwieback und Tee. Sie begann mit der Lektüre geistlicher Literatur, wie etwa dem Buch Die mystische Stadt Gottes von Maria von Agreda. Auf ihrem Heimweg von der Arbeit blieb Rita häufig noch im Bus und fuhr am Haus ihrer Großmutter vorbei, um zu der St. Antonius-Kirche zu gehen, wo sie den Kreuzweg betete. Durch den Kontakt zu Rhoda Wise und ihren Wundmalen wurde für sie die Passion Christi zur Realität. Sein Leiden war nicht mehr eine Theorie oder eine Erzählung aus vergangenen Zeiten, sondern sie war reale Gegenwart. An jedem Werktag betrachtete sie das Leiden Christi. Dabei konnte sie durch das aufgenommene Licht ihre eigenen Wunden auf eine ganz neue Weise betrachten.

      Im Büro bei Timken stand an der Ecke ihres Schreibtisches ein Bild von Jesus mit der Dornenkrone. Auf den Vorwurf eines Arbeitskollegen, „Werbung für ihre Religion zu machen“, entgegnete sie: „Wenn Sie ein Bild eines Filmstars oder eines von Ihnen geliebten Menschen haben, dann stellen Sie es doch auch auf. Das ist nun eben mein Geliebter, und deshalb bleibt es auch hier stehen.“

      Alles deutete darauf hin, dass Jesus ihre große Liebe war. Die einzige mögliche Anfechtung war nur noch ein Mann namens „Adolph“ Gordon Schulte, der in Rhoda Wises Haus wohnte und Rita öfters zum Essen in das Restaurant Purple House in Canton